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Predigt über Johannes 21, 15-19

am 22.04.2007
Sonntag Misericordias Domini

Ort:
Brenz


Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Gemeinde!

Einleitung

Die Geschichte der vereinigten Staaten von Amerika war und ist immer auch eine Ge- schichte seiner Einwanderer und viele dieser Menschen haben das Land geprägt. Oft sind dies Geschichten von Leid und Entbehrung und verlorener Hoffnungen. Daneben finden wir aber auch Berichte die davon erzählen, wie sich die Hoffnungen erfüllt und verwirklicht haben.

Eine dieser Geschichten erzählt von einem Mann, der in der Mitte des 19. Jahrhunderts im Alter von 13 Jahren nach Amerika kam um dort, wie viele andere auch, sein Glück zu su- chen. Er begann als Hilfsarbeiter, nahm für ein paar Pfennige Jobs an und arbeitete sich allmählich bis ganz nach oben. Am Ende seines Lebens war er einer der erfolgreichsten Stahlmagnaten seiner Zeit. Die Rede ist von Andrew Carnegie. Aber sein Reichtum ist im nicht in den Kopf gestiegen sondern er war sich immer seiner Herkunft bewusst und so spendete er mehr als 300 Mio Dollar (damals!) für gemeinnützige Zwecke. Auf seine Initia- tive und Wohlwollen gehen viele Büchereien und Stipendien.

Von diesem Andrew Carnegie wird berichtet, dass er eines Tages einen seiner Angestell- ten zu sich rufen ließ. Dieser Mann, im mittleren Management tätig, hatte eine Entschei- dung getroffen die, wie sich herausstellte, falsch war und das Unternehmen 1 Mio Dollar gekostet hatte. Nun saß er also vor diesem großen Andrew Carnegie und erwartete, dass ein Donnerwetter auf ihn niederprasselt und er gefeuert wird. Aber nichts dergleichen ge- schah und auf seine Nachfrage antwortete Andrew Carnegie: „Wieso sollte ich sie entlas- sen? Wir haben doch gerade eine Million Dollar in ihre Ausbildung investiert!“ Für Andrew Carnegie war klar, dass dieser Mann diesen Fehler, der ihm unterlaufen war, kein zweites mal begehen würde.

Hätten sie mit diesem Ausgang der Geschichte gerechnet? In unseren Tagen sind wir doch weit mehr von dem Prinzip von „hire and fire“ geprägt, nachdem kaum jemand noch einmal eine zweite Chance erhält, eher das Gegenteil. Dieses Prinzip findet nahezu in al- len Bereichen Anwendung, ob bei Managern in der Wirtschaft oder Fußballtrainern oder auch in unserem privaten Umfeld. Und da braucht nicht mal einer einen gravierenden Fahler zu machen, es reicht schon aus, wenn man den gesteckten Erwartungen nicht ge- recht wird.

An diese Geschichte über Andrew Carnegie und seinem Manager musste ich denken, als ich den Abschnitt aus dem Neuen Testament gelesen habe, der dieser Predigt zu Grunde liegt.

Ich lese:

- Text lesen: Joh 21, 15 - 19 -

Ein Gespräch zwischen Jesus und Petrus wie es wohl viele gegeben hat und wie uns auch etliche überliefert sind. Aber rufen wir uns zunächst in Erinnerung, dass das Verhältnis dieser beiden Männer nicht unbelastet war. Immerhin hatte Petrus Jesus nach dessen Gefangennahme drei mal verleugnet (Mt 26, 69-75 u.a.)! Drei mal hat er bestritten, diesen Jesus aus Nazareth überhaupt zu kennen geschweige denn sein Jünger gewesen zu sein, und dann krähte der Hahn. Fußnote: Von daher kommt es auch, dass auf vielen Kirchtür- men ein Wetterhahn sitzt. Er soll an Petrus und seine Erfahrung erinnern.

Jesus war, wie er es ihnen verheißen hatte, von den Toten auferstanden, war ihnen er- schienen und hatte sie unter seinen Frieden gestellt. Es ist nun bereits das dritte Mal dass er ihnen erschienen ist und nun kommt es zu dem entscheidenden Gespräch mit Jesus. Freilich hatte der Friedensgruß an die Jünger auch dem Petrus gegolten und ihn mit den anderen in das völlige Vergeben seines Herrn hineingestellt. Aber nach allem was vor- gefallen war wissen wir, so einfach kann man nicht zur Tagesordnung übergehen, so tun als sei alles wieder in Ordnung, Schwamm drüber und das Mäntelchen der Barmherzigkeit über das Geschehene ausgebreitet. Werner de Boor formuliert es so: „... zwischen Jesus und Petrus [war] das besondere Wort nötig, nachdem Petrus sich selbst aus den anderen herausgestellt hatte und dann in seiner Verleugnung an Jesus besonders schuldig gewor- den war.“

Sie waren wieder beisammen, fast wie in alten Tagen und doch waren sie nicht mehr die alten. Das, was sich in den letzten Tagen ereignet hatte, hat sie total verändert. Was sie erlebt hatten, sprengte nicht nur ihre Vorstellungen. Und nun saßen sie wieder beisammen und aßen miteinander. Was muss in ihnen vorgegangen sein? Und einem gilt das ganz besondere Augenmerk: Petrus. Wie muss es ihm ergangen sein nach all den Vorkomm- nissen der vergangenen Tag? Ich kann mir vorstellen, dass ihm da einige Fragen durch den Kopf gegangen sind: Wie wird es jetzt mit mir weitergehen, jetzt, da ich mich bis auf die Knochen blamiert habe? Was denkt Jesus von mir, der ich den Mund so vollgenom- men habe (vgl. 13,37), kann ich ihm wieder unter die Augen treten und kann ich weiter sein Jünger sein?

In dieser Situation, während die anderen den Tisch abgeräumt und das Geschirr gewa- schen haben, nimmt Jesus den Petrus bei Seite. Jetzt kommt es, denkt Petrus, jetzt werde ich gnadenlos für mein Versagen zur Rechenschaft gezogen, jetzt kommt die große Ab- rechnung. Aber Jesus ist nicht Richter gnadenlos, Jesus rechnet nicht auf und rechnet nicht ab! Jesus hält dem Petrus nicht dessen Versagen vor, wühlt nicht in offenen Wunden und legt Defizite bloß. Und Jesus macht ihm auch keine Vorwürfe, die hat er sich schon selbst zur Genüge gemacht, aber Jesus fragt ihn: Liebst du mich?

Dreierlei höre ich aus dieser Frage:

  • 1. Liebst du mich?
  • 2. Liebst du mich?
  • 3. Liebst du mich?
  • 1. Liebst du mich

    Liebst du mich?“ - eine ungewöhnliche Frage zwischen zwei Männern. Ungewöhnlich vermutlich deswegen, weil wir im Deutschen nur dieses eine Wort kennen und dieses „lie- ben“ bei den meisten in der Regel auch noch einseitig besetzt ist. Wir denken dabei meist an die erotische Liebe und in wenigen anderen Fällen an die Liebe der Eltern zu ihren Kindern oder umgekehrt. Im Gegensatz dazu kennt das Griechische drei Wörter, die je- weils eine andere Art der Liebe beschreiben und unterscheiden. Jesus fragt den Petrus agapas me, „Liebst du mich?“, spricht ihn also auf die besondere Liebe an, die insbeson- dere das Verhältnis von Gott zu dem Menschen beschreibt. Diese ungewöhnliche Frage bringt aber zum Ausdruck, worum es Jesus im Kern geht: um die innerste Beziehung zwi- schen diesen beiden Männern. Und diese Beziehung gilt es wieder in Ordnung zu bringen, Jesus will die Tür wieder öffnen die in jener Nacht zugeschlagen ist. Und er will das nicht in aller Öffentlichkeit aber auch nicht nur nebenher, zwischen Tür und Angel tun, versehen mit einem kleinen Seitenhieb nach der Art: „Und was ich dir noch sagen wollte."

    Jesus will eine Standortbestimmung vornehmen, will klären, wo Petrus steht, wie es jetzt bei und in ihm aussieht, nach allem was vorgefallen ist und sie erlebt haben. Dieses „Liebst du mich“ macht deutlich, dass es Jesus um mehr geht, als schnell mal auf einem Berg drei Hütten zu bauen weil man gerade gut drauf ist und ein tolles Erlebnis hatte. Je- sus will dem Tatenmensch Petrus verdeutlichen was Nachfolge bedeutet. Petrus, der in seinem Eifer und Tatendrang kaum zu bremsen war, und dabei die schmerzlich Erfahrung machen musste, dass er seinen eigenen Ansprüchen nicht gerecht werden konnte muss lernen, dass es nicht auf seinen Aktionismus ankommt, sondern auf seine Beziehung zu Jesus, darauf dass er ganz eingebunden ist in die Gemeinschaft mit ihm. In der Nachfolge Jesu geht es nicht ums machen, ums leisten, das müssen auch wir lernen! Denn trägt nicht auch ein jeder von uns ein Stück Werk- und damit Selbstgerechtigkeit mit sich her- um? Oder haben sie sich noch nie in Situationen ertappt, in denen sie Gott ihr „gutes“ Verhalten vorgerechnet haben?

    Wie Marta muss auch Petrus lernen, dass Nachfolge zuerst heißt, sich hineinnehmen zu lassen in die Gemeinschaft mit Jesus, sich von seiner Liebe, von seiner agape füllen und von ihm prägen zu lassen.

    2. Liebst du mich?

    Jesus spricht Petrus ganz persönlich an, nimmt ihn vielleicht ein wenig auf die Seite. Jetzt geht es ganz allein um ihn. Nicht „man“ und „ihr“ sondern du, „Liebst du mich?“ Jesus geht es immer um den einzelnen, um sie und mich ganz persönlich, auch wenn er an Karfreitag die Sünden aller Menschen auf Golgatha und das Kreuz geschleppt hat, so hat er doch immer den einzelnen im Blick, jeden von uns, so wie wir heute in diesem Raum sitzen, mit dem was wir mitgerbacht haben aus den vergangenen Tagen und Wochen. Das fasziniert mich immer wieder aufs neue und übersteigt gleichzeitig mein Vorstellungsvermögen.

    In allem Trubel der ihn umgibt hat Jesus immer auch einen Blick für das Kleine, das Un- scheinbare und vermeintlich Bedeutungslose. Jesus nimmt die Kinder und den Zachäus ebenso wahr wie das kleine Senfkorn. Darin zeigt sich mir, dass es Jesus um den Einzel- nen geht, dass der Einzelne wieder zu Recht kommt. So geht es immer um die ganz per- sönliche Beziehung zwischen ihm und mir und damit immer auch um meine Beziehung zu Gott, unserem himmlischen Vater. Jesus ist derjenige, der dem einen verirrten Schaf nachgeht um es wieder nach Hause zu bringen. Jesus weiß um die himmlischen Heer- scharen, die über den Einen jubeln, der um- und heimkehrt.

    Christ werden und Christ sein vollzieht sich nicht in der Anonymität der Masse sondern in der direkten Beziehung und Nachfolge zu Jesus. In dieser direkten Anrede „liebst du mich“ wird zugleich zweierlei deutlich: Zum einen zeigt diese Frage, dass Jesus den Petrus liebt. Zum anderen erwartet Jesus auf diese Frage eine Antwort, sie kann nicht unbeantwortet bleiben, sie drängt förmlich nach einer Antwort. In dieser besonderen Situation braucht Petrus diese direkte Ansprache, ist es wichtig, dass Jesus auf ihn zugeht und Petrus sich nicht verkriecht. Nichts zu sagen, nicht auf den Petrus zuzugehen würde bedeuten, es bleibt alles so wie es ist. Aber genau das will Jesus nicht - nicht bei Petrus und auch nicht bei uns. In dieser Krise bekommt er die Gelegenheit, sich neu zu entscheiden, seinen Weg mit Jesus fortzusetzen.

    3. Liebst du mich?

    Diese Liebe von der wir hier sprechen hat einen Ausgangspunkt und einen Zielpunkt: Je- sus. Jesus verkörpert diese göttliche Liebe und lebt sie, bringt sie zum Ausdruck. „Nie- mand hat größere Liebe als der, der sein Leben hingibt für seine Freunde.“ (Joh 15,13). Jesus ist die mensch-, die fleischgewordene Liebe Gottes. So sehr hat Gott diese Welt geliebt, und liebt sie noch immer, liebt jeden von uns, dass er seinen Sohn in diese Welt gesandt hat, damit wir diese Liebe erfahren, sie unser Leben verändert, prägt und wir zu Menschen werden, die diese Liebe weitergeben.

    Mit Petrus erfahren wir, dass wir diese Liebe nicht machen, sie uns nicht erarbeiten kön- nen. Sie wird uns geschenkt und wirft uns gleichzeitig zurück auf Jesus. Wir sind in unse- rer Liebe ganz auf Jesus geworfen. Das hat auch Petrus verstanden und er bleibt Jesus seine Antwort nicht schuldig: Du weißt alles und du weißt auch, dass und wie ich dich lieb habe, philo se, sagt Petrus und gebraucht so den Begriff für die freundschaftliche Liebe. Diese Wortwahl spiegelt die Veränderung wieder, die Petrus erfahren hat und bringt zum Ausdruck, dass er erkannt und verstanden hat, dass er von Jesus und seiner Liebe ab- hängig ist und es nicht auf seine eigenen Leistungen ankommt. Diese Form des Wortes Liebe sollten wir nicht abwerten, denn Jesus gebraucht sie selbst als er darauf hinweist, dass es allein darum geht, ihn zu lieben (Mt 10,37). In seinem Gespräch mit Petrus macht Jesus auch deutlich, dass es nicht darum geht, uns in unserer Liebe zu Jesus mit anderen zu vergleichen, sondern dass wir in unserem Leben Jesus an der ersten Stelle stehen ha- ben.

    Vielleicht zuckt die eine oder der andere innerlich jetzt etwas zusammen, weil es in unse- rem Leben natürlich vieles gibt, was wir lieben und von großer Bedeutung für uns ist und durchaus vor Jesus rangiert: die Eltern, die Kinder, der Ehepartner, der Freund und die Freundin. Ich denke bei dieser Aussage geht es nicht darum, Kindern ihre Liebe zu den Eltern abspenstig zu machen oder Zwietracht zwischen Ehepartnern zu säen. Mit dieser radikalen Forderung will Jesus nicht den Konflikt provozieren, sondern er will Maßstäbe für den Konfliktfall aufzeigen. Dann, wenn wir vor die Frage gestellt werden, Jesus und unse- re Gotteskindschaft zu Gunsten etwas anderes aufzugeben. Wenn ich mich für Jesus ent- schieden habe, dann steht er an erster Stelle und dass wir den Ernst, die Bedeutung und Tragweite der Entscheidung für Jesus immer im Blick haben. Dessen sollen wir uns be- wusst sein und das will Jesus dem Petrus und letztlich auch uns verdeutlichen.

    Denn Jesus will keine schnellen Entscheidungen von uns, das macht er immer wieder deutlich (vgl. auch Lk 12,13ff „Gleichnis vom reichen Kornbauer“ oder Mt 13,18ff „Gleich- nis vom vierfachen Ackerfeld“; Mt 19, 16ff „der reiche Jüngling“; Lk 14,25-35 „Kosten über- schlagen“). Er will, dass wir unsere Entscheidung ihm nachzufolgen gut überlegen, denn es geht hier nicht um einen „one-night-stand“ sondern um eine Lebensbindung und da gilt ja das bekannte Wort: „Drum prüfe wer sich ewig bindet.“

    Schluss

    Andrew Carnegie hatte die Größe, einem seiner Mitarbeiter einen schwerwiegenden Feh- ler nicht nachzutragen und ihm eine neue Chance zu geben. Ein Verhalten, das wir heute wohl nur noch selten finden werden.

    So wie Jesus den Petrus in einer ganz anderen Situation nicht fallen und ihn seinem Schicksal überlässt, dürfen wir darauf vertrauen, dass Jesus auch uns nicht fallen lässt. Denn Jesus will nicht, dass sich Christen in ihrer Liebe zu ihm vergleichen und gegenein- ander versuchen auszustechen. Für ihn kommt es allein darauf an, dass wir Jesus lieb haben, jeder nach seinem Vermögen. Dabei gibt es höchstens solche, die sich im einen Fall in dieser Liebe bewähren und solche, die in einem anderen in dieser Liebe versagen. Beiden gemeinsam jedoch ist die Liebe zu Jesus.

    Und so können wir bei und mit Petrus lernen, dass jedes Versagen und jede Krise im Glauben uns zu einer erneuten Entscheidung führt und Jesus uns die Frage stellt: „Liebst du mich?“ Wir sollten Jesus die Antwort nicht schuldig bleiben!

    Amen.

    - Es gilt das gesprochene Wort! -

    Diese Predigt wurde verfasst von:
    Karl-Heinz Rudishauser
    Altenheimstraße 23
    89522 Heidenheim/Brenz
    07321/910915
    eMail: karl-heinz.rudishauser@t-online.de
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