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Predigt über Johannes 3, 1-8

am 7.6.2009
Trinitatis Sonntag

Ort:
Tüllingen, St. Ottilien


Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Gemeinde!

Einleitung

Der Platz war schon dicht gedrängt mit Menschen, aber noch immer strömten sie herbei. Sie wollten ihn sehen und vor allem hören. Sie wollten seine Botschaft hören, die Wirkung seiner Worte erfahren und nicht wenige von ihnen hatten eine weite und strapaziöse Reise auf sich genommen. Die Gelegenheit war einmalig und wer wollte sich diese entgehen lassen? Man hatte schon viel von ihm gehört. Die Menschen erwarteten eine klare Botschaft, Aussagen, die die Zukunft ihres Lebens betrafen und an denen sie hofften, sich orientieren zu können.

Wissen sie, von wem hier die Rede ist? Vom Präsidenten der Vereinigten Staaten, Barack Obama bei seinem Besuch vor knapp einem Jahr am 24. Juli 2008 in Berlin. Schätzungsweise 200.000 Menschen waren damals gekommen um ihn zu hören. Einen Mann, der zu jenem Zeitpunkt bestenfalls Senator, jedoch noch nicht einmal offiziell von seiner Partei zum Präsidentschaftskandidaten gewählt worden war. Das geschah erst am 27. August 2008. Am 4. November 2008 wurde er zum 44. Präsidenten der USA gewählt und am 20 Januar diesen Jahres vereidigt. Jetzt ist er also nahezu ein halbes Jahr im Amt und es bleibt abzuwarten, was aus seinen Worten wird, welche Wirkung sie in der Realität dieser wirtschaftlich schwierigen Zeiten entfalten bzw. welche Taten ihnen folgen werden.

Nach wie vor gilt das in diesen Mann gesetzte Vertrauen, dass er fortsetzt, was durch seine Wahl begonnen und noch vor einigen Jahren als nahezu unmöglich galt: ein Farbiger ist Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Von ihm wird ein Neuanfang in der Weltpolitik als auch in der Innenpolitik seines Landes erwartet. Das zeigt auch das weltweit große Interesse an seiner Rede vergangene Woche (4.6.2009) in Kairo. Es ist viel von "historischen Dimensionen" die Rede, und selbst der bekannte, und nicht gerade als Freund der amerikanischen Regierungen geltende Journalist und Publizist Peter Scholl-Latour zeigt sich in einem Fernsehinterview begeistert.

"Yes, we can!" so lautete Barack Obamas Credo, sein Bekenntnis von dem sich viele haben anstecken und noch immer anstecken lassen. Wir können es schaffen, wir können die Verhältnisse überwinden, der Neuanfang ist möglich. Die Begeisterung für Barack Obama macht deutlich, wonach sich die Menschen dieser Welt sehnen: nach Hoffnung und Perspektiven. Die neuen Töne, die von ihm angeschlagen werden, die andere Sprache die er spricht, nähren diese Sehnsucht. Aber trotz allem gilt: Seinen großen, mitreißenden Worten in vielen Reden müssen jetzt Taten folgen, damit das in ihn gesetzte Vertrauen bestätigt wird.

An anderer Stelle wird ebenfalls von einem Mann berichtet, der die Menschen in seinen Bann gezogen hat. Die zu ihm gekommen, ja geströmt sind um ihn zu hören, um sich der Wirkung seiner Worte auszusetzen. Vermutlich waren es keine 200.000, aber für damalige Verhältnisse war es eine große Zahl. Und am Ende waren sie alle erstaunt über seine Lehre, denn, und darüber waren sie sich alle einig: er lehrt wie einer, der Vollmacht hat. Wie einer, der etwas zu sagen hat und dem man abnimmt was er sagt. Und anders als bei Barack Obama ließ dieser Mann seinen Worten Taten folgen, setzte er Zeichen seiner Autorität, mit denen er unterstrich, was er als Botschaft verkündete. Dies alles konnte nicht unbemerkt bleiben, und sollte es auch nicht.

Aber einer kam nicht mit den Massen, kam lieber bei Nacht, im Verborgenen, wollte sich nicht der Öffentlichkeit zu erkennen geben. Und doch trat aus dem Schatten seines bisherigen Lebens hervor und wollte Antworten auf seine Fragen, Fragen, die existentieller nicht sein konnten.

- Text lesen: Johannes 3, 1-8 -

Kein spektakuläres Massenereignis das von Johannes hier beschrieben wird. Aber er berichtet von ein Gespräch mit bedeutungsvollem Inhalt. Von Nikodemus wird ein Thema angesprochen, wie es brandaktueller nicht sein kann, wie es auch uns tagtäglich in vielfacher Art begegnet. Was Nikodemus hier anspricht, ist ein uralter Menschheitstraum: Wie kann ich das Alte, Bisherige überwinden und wieder neu anfangen? Vermutlich können sich die meisten von uns an Situationen erinnern, in denen sie ebenfalls diesen Gedanken hatten oder überlegt haben, was sie wohl anders machen würden, könnten sie nochmals von vorne beginnen. Und oft sind diese Gedanken gepaart mit der Erfahrung, dass wir, sie und ich, in unserem Tun und Verhalten vielfach festgelegt sind. Wir stecken in den Rollen die uns zugefallen sind: als Mutter oder Vater, als Arbeitnehmer oder Arbeitgeber, als Manager oder Pfarrer.

Nikodemus hat erkannt, dass mit Jesus einer gekommen ist, der Antworten auf seine Fragen hat, der seinen Mangel stillen kann. In der Person Jesu ist etwas grundsätzlich Neues hereingebrochen. Er, ein Gelehrter in theologischen Fragen erkennt, hier hört das alte Wissen auf, setzt vollkommen Neues ein. Das Gespräch spitzt sich zu auf die Frage: Kann ein Mensch von neuem geboren werden und wenn ja, wie soll das geschehen?

Drei Gedanken dazu:

  • Geburt - was ist das?
  • Geburt - wie geschieht das?
  • Geburt - was bewirkt sie?
  • 1. Geburt - was ist das?

    Aufregend und nervenaufreibend. So zumindest habe ich die Geburten unserer drei Töchter und die Zeiten davor erlebt. Ich habe zwar gedacht, das legt sich mit der Zeit, statt dessen musste ich erfahren, dass es jedes mal schlimmer wurde, obwohl die Geburten das waren, was man gemeinhin als Bilderbuchgeburten bezeichnen würde. Aber bei diesem Ereignis konnte ich einfach nicht gelassen bleiben. Da kommt ein Mensch zur Welt von dem man gewusst hat, dass er geschützt im Bauch der Mutter heranwächst, aber der nun auf einmal sichtbar da ist und für den ich Verantwortung habe.

    Das ist wohl das bestechendste und gleichzeitig faszinierendste an einer Geburt: kein anderes Ereignis kennzeichnet den Beginn, den Neuanfang radikaler als eine Geburt. Gewiss sind insbesondere Eltern gerührt, wenn das eigene Kind zur Welt kommt, hat man nicht zuvor 9 Monate mehr oder weniger intensiv mitgelebt. Und dennoch ist mit einem mal alles anders als zuvor. Der Neuanfang gilt sowohl für das Neugeborene als auch für deren Eltern, die in die neue Rolle (zeitlebens) hineinwachsen. Und mit einen mal wird klar, das was jetzt geschehen ist, die Geburt, ist unumkehrbar, kann nicht mehr rückgängig gemacht werden.

    Das Neugeborene betritt unbescholten die Weltbühne. Es kommt nackt zu Welt, bringt nichts mit, außer sich selbst, begegnet allem vorbehaltlos und voller Vertrauen. Und genau darum geht es, wenn davon gesprochen wird, das wir werden sollen wie die Kinder (Mt 18,3). Dieser Zustand wird uns von Gott verheißen, wie wir das vorhin auch in der Schriftlesung (Hes 36,22-28) gehört haben. Es geht nicht darum, das alte zu kaschieren, mich durch vermeintliche Nobeltaten in ein besseres Licht rücken zu können. Durch die geistliche Wiedergeburt wird eine neue Existenz gegründet: "Das Alte ist vergangen, Neues ist geworden!" (2Kor 5,17). Im Leben, Leiden, Sterben und der Auferstehung Jesu ist dies für uns möglich geworden. Es geht nicht mehr darum, am alten herumzuflicken, so wie wir das früher an unseren Mopeds gemacht haben, um noch ein halbes PS mehr herauszuholen. Es geht nicht um eine Fassadenerneuerung, um ein Vorher-Nachher-Bildnis wie in der Werbung, sondern es geht um eine grundsätzliche Neuwerdung.

    2. Wie geschieht Geburt?

    Eine Geburt kündigt sich an, ereignet sich nicht aus heiterem Himmel, eine Geburt ist allenfalls steuer- jedoch nicht planbar. Und es kommt noch etwas hinzu: Geburt ist nichts selbstbestimmtes, nicht ich gebäre mich sondern ich werde bzw. bin von meiner Mutter geboren worden. Das Leben wird mir geschenkt. Diese Merkmale einer Geburt lassen sich auf die geistliche Geburt eines Menschen übertragen.

    Wenn wir uns über unsere geistliche Geburt Gedanken machen, dann scheint mir insbesondere das letzte Merkmal, Geburt ist nichts selbstbestimmtes, bedeutsam. Es wird immer wieder viel über Bekehrung gesprochen als den Akt, an dem viele ihr Christ sein fest machen. Aber Bekehrung ist nur eine Seite der Medaille, die das Christ werden beschreibt. Bekehrung ist die Seite, die ich wahr nehme und mich als den Aktiven sehe. Das ist die Geburt aus Wasser, die Taufe als wahrnehmbarer oder zumindest als erinnerbarer Akt (durch Erzählungen oder auch durch eine Tauferneuerung), der in den Anfängen der Christenheit als Bekenntnisakt erfolgte. Wir Menschen brauchen solche Zeichen, an die wir uns immer wieder klammern können. So wie Martin Luther, der in den höchsten Anfechtungen sagen konnte: "Ich bin getauft!" Aber das andere gehört ebenso dazu und unterstreicht, dass ich nicht aus mir selbst Christ werden kann, ich mich nicht selbst gebären kann. Jesus sagt, der Mensch muss aus Wasser und Geist (Joh 3,5) geboren werden, damit er ins Reich Gottes kommt.

    Diese Geburt aus dem Geist können wir nicht tradieren, nicht an einem Ereignis, einen Akt gleich der Taufe fest machen und in ein Korsett religiöser Traditionen pressen. Aber wir können erleben, dass dieser Geist in uns wohnt (1Kor 3,16; Eph 1,13). Der Geist als die Kraft Gottes, als die dynamis Gottes ist nicht statisch. Sie wird nur in der "Bewegung" wahrgenommen, dann wenn ich mich diesem Geist aussetzte. Das ist dann wie hier auf dem Tüllinger, wenn die Leute ihre Drachen steigen lassen, sie dem Wind aussetzen und diese dann in die Höhe aufsteigen. Der Geist Gottes wirkt überall: hier im Gottesdienst, beim Gebet, während der Bibellese, im Gespräch, bei der Arbeit und bei vielen anderen Gelegenheiten.

    Der Geist setzt uns in Bewegung, treibt uns zu dem, was Gott will, führt uns zu dem, wozu wir von uns aus nicht in der Lage sind und auch nicht wollen: zu Glaube, Hoffnung, Liebe.

    3. Was bewirkt Geburt?

    Geburt bewirkt einen Neuanfang, ist der Beginn eines neuen Lebens, von dem keiner weiß, wie es sich gestalten, wann und wie es wieder enden wird. Mit meiner Geburt werden meine Wurzeln gelegt, beginnen die Festlegungen.

    Aber noch etwas geschieht bei der Geburt: das Neugeborene erhält einen Fixpunkt in seinem Leben. Hier bin fest gemacht, hierher gehöre ich: zu meiner Mutter und zu meinem Vater. Egal wie das weitere Leben verlaufen wird, dies bleibt unverbrüchlich. Durch die Geburt werde ich zum Kind meiner Eltern, zu Tochter oder Sohn, zu Schwester oder Bruder meiner Geschwister. Ich werde und bin Teil einer Familie.

    So ist es auch bei der geistlichen Geburt, der Wiedergeburt. Hier wird ein neuer Bezugspunkt geschaffen und letztlich der Fixpunkt festgemacht. Ich erlebe: da gehöre ich hin, da ist meine eigentliche Heimat, da ist meine eigentlich Familie (vgl Mt 12,49f). Immer wieder spricht Jesus von dieser geistlichen Familie. Von diesem Fixpunkt aus kann ich mein Leben gestalten, kann wieder dahin zurückkehren wenn ich Trost brauche oder Neuorientierung. Hier bei Jesus bin ich festgemacht, hier finde ich Boden unter meinen Füßen und die Perspektive für mein Leben.

    Durch die Wiedergeburt wird die existenzielle Frage des Menschen, wie komme ich ins Reich Gottes, beantwortet. Und ist diese Frage beantwortet, wird es dem Wiedergeborenen möglich, sich den anderen Fragen der Menschheit, mit denen auch jeder von uns immer wieder mehr oder weniger intensiv konfrontiert wird, zu stellen.

    Schluss

    Anders als bei Barack Obama erklingt hier ein anderes Credo, ein anderes Bekenntnis: Nicht "Yes, we can!" sondern "Yes, HE can!" - Gott kann und vor allem Gott will!

    Gott will den neuen Menschen. ER ermöglicht uns die Wiedergeburt durch seinen Sohn und befähigt uns durch seinen Geist zu einem Leben als seine Kinder. Dies bedeutet vor allem, dass wir wissen woher wir kommen, wo wir verankert sind, wo unser Bezugspunkt ist von dem aus wir unser Leben gestalten. Dies ist besonders dann wichtig, wenn es ums alltägliche geht, darum, unseren Alltag zu gestalten.

    So bedeutet Trinitatis für mich: Gott, der Vater schenkt neues Leben, Gott, der Sohn ermöglicht neues Leben und Gott, der heilige Geist erhält uns in diesem neuen Leben.

    Amen.

    - Es gilt das gesprochene Wort! -

    Diese Predigt wurde verfasst von:
    Karl-Heinz Rudishauser
    Obertüllingen 107
    79539 Lörrach-Tüllingen
    07621/9153229
    eMail: karl-heinz.rudishauser(a)t-online.de
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