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Predigt über Johannes 3,1 - 8

am 30.5.2021
Trinitatis

Ort:
Grenzach


Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Gemeinde!

Einleitung

Da kann einer nicht mehr schlafen. Er wird wach gehalten von seinen Fragen und seiner Sehnsucht nach Antworten auf diese Fragen. Kennen sie solche Nächte, solche Momente auch in ihrem Leben? Was aber, wenn die Sehnsucht nach Antworten mir keine Ruhe lässt?

In unserem heutigen Predigttext wird von einem Mann berichtet, dem es so erging, der nachts von seinen Fragen umgetrieben wurde die ihn nicht schlafen ließen. so machte er sich mitten in der Nacht auf um Antworten zu bekommen:

- Text lesen: Joh 3, 1 – 8 -

Wir erfahren erstaunlich viel über Nikodemus – er war Pharisäer, also einer der es mit den heiligen Schriften sehr ernst nahm, der darin forschte und Orientierung suchte. Er war ein Oberster der Juden, einer der etwas zu sagen hatte, einer auf den man hörte, einer zu dem man mit seinen Frage kam und Antworten erhoffte.

Dieser macht sich des Nachts auf mit seinen Fragen, machte sich auf um zu Jesus zu gehen um von IHM Antworten zu bekommen. Antworten auf die Frage: Wer ist dieser Jesus aus Nazareth, woher hat und nimmt er diese Vollmacht mit der ER die Dinge tut, die ich gesehen oder von denen ich gehört habe? Jetzt könnte man Nikodemus unterstellen, er war nur scharf drauf, die Methode zu erfahren, die Technik rauszukriegen wie so etwas funktioniert. Aber möglicherweise war er tatsächlich allein von der Frage getrieben, wer ist dieser Jesus.

Und die Antwort, die er zunächst von Jesus bekam, verwirrte ihn noch mehr: Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Wenn jemand nicht von neuem geboren wird, kann er das Reich Gottes nicht sehen. (V. 3) – Was? Wie? – ich sehe förmlich das Erstaunen, die Panik in seinen Augen. Nikodemus ahnt: Hier geht es ums Eingemachte, jetzt geht es um das Wesentliche und seine ursprüngliche Frage nach Autorität oder Methode tritt in den Hintergrund. Jetzt geht es nicht mehr um seine Fragen, jetzt geht es um ihn selbst, jetzt geht es um sie und mich. „Ja Nikodemus: Wenn jemand nicht aus Wasser und Geist geboren wird, kann er das Reich Gottes nicht sehen, kann er es nicht erkennen, hat keine Teilhabe daran.

Drei Fragen stellen sich mir:

  • 1. Geburt – was ist das?
  • 2. Geburt – wie geschieht sie?
  • 3. Geburt – was bewirkt sie?
  • 1. Geburt – was ist das?

    Freudig erwartungsvoll - spannend - aber auch aufregend - nervenaufreibend! So zumindest habe ich die Geburten unserer drei Töchter erlebt. Ich hatte zwar gedacht, das legt sich mit der Zeit, statt dessen wurde es für mich jedes mal intensiver, obwohl alle Geburten das waren, was man gemeinhin als Bilderbuchgeburten bezeichnen würde. Meine Frau war da deutlich entspannter. Aber ich konnte einfach nicht gelassen bleiben: Da kommt ein Mensch zur Welt, bisher im Schoß1 der Mutter geschützt und wohlbehütet herangewachsen wird auf einmal sichtbar, fühlbar, hörbar – dieser neue Mensch ist DA und ich habe Verantwortung!

    Das ist das wohl bestechendste und gleichzeitig faszinierendste einer Geburt: kein anderes Ereignis kennzeichnet den Beginn, den absoluten Neufanfang im Leben eines Menschen radikaler als die Geburt! Dieser Neuanfang gilt sowohl für die Eltern aber und vor allem für den neugeborenen Menschen. Und mit einem mal wird klar, das was jetzt geschehen ist, die Geburt, ist unumkehrbar, dieses Ereignis kann nicht mehr rückgängig gemacht werden. Geburt ist zeitlebens gesetzt, es gibt kein zurück in den Schoß der Mutter!

    Die oder der Neugeborene betritt unbescholten die Weltbühne, kommt nackt zur Welt, bringt nichts mit, außer sich selbst, begegnet allem und jedem vorbehaltlos und voller Vertrauen und Neugier. Und genau darum geht es, wenn davon gesprochen wird dass, wir werden sollen wie die Kinder (Mt 18,3) in unserem Beziehungsgeschehen gegenüber Jesus Christus und Gott. Diese völlige Gottes-Beziehungs-Neuwerdung ist bereits in den Propheten des Alten Testaments (z.B. Hes 36,22 – 28) verheißen.

    Es geht nicht darum, das alte zu kaschieren, mich durch was auch immer in ein vermeintlich besseres Licht zu rücken. Durch die Neu-Geburt durch den Geist wie sie Jesus gegenüber Nikodemus anspricht, wird eine neue Existenz begründet: Das Alte ist vergangen, Neues ist geworden (2Kor 5, 17) – im Leben – Leiden – Sterben und der Auferstehung Jesu ist dies für uns, für sie und mich heute, möglich geworden. Bei dieser Geburt geht es nicht um Fassadenerneuerung, um ein wenig Feintuning – es geht wie bei einer Geburt um eine grundsätzliche Neuwerdung2.

    2. Geburt – wie geschieht sie?

    Geburt kündigt sich durch die Schwangerschaft an und doch: letztlich ist sie nicht auf den Punkt planbar und für das Neugeborene kommt etwas entscheidendes hinzu: Eine Geburt ist nichts selbstbestimmtes, nicht ich gebäre mich, sondern ich werde von meiner Mutter(!) geboren. Das Leben - aus dem mein Leben werden muss(!) - wird mir geschenkt. Und diese Merkmale einer leiblichen Geburt können auch auf meine geistliche Geburt übertragen werden.

    Gerade im Blick auf meine geistliche Geburt ist das Merkmal, dass Geburt nichts selbst bestimmtes ist, sondern mir zuteil wird, sehr bedeutsam. Es wird immer viel über Bekehrung gesprochen, also jener Akt, an dem viele ihr Christ sein fest machen. Jener Akt den ich als mein aktives Handeln markiere. Aber Bekehrung ist nur die eine, die wahrnehmbare Seite meiner Neu-Geburt. Während das in damaliger Zeit die Erwachsenen-Taufe war, kann ich mich heute an meine Taufe erinnern lassen oder es in den Akt der Tauferneuerung kleiden. Wir Menschen brauchen solche Zeichen, an die wir uns erinnern können, an denen wir uns festmachen können.

    Aber das andere gehört ebenso dazu und unterstreicht, dass ich nicht aus mir selbst Christ werden, nicht aus mir selbst heraus geistlich neu geboren werden kann: Ich muss aus Wasser und Geist (Joh 3, 5) geboren werden, damit ich ins Reich Gottes komme. Dieses „aus dem Geist geboren werden“ ist nicht in unserer Verfügungsgewalt, können wir nicht herbeiführen und schon gar nicht machen. Es wird mir geschenkt, ist ein Anreden Gottes an mich auf das ich antworten kann. Dieses Anreden Gottes kann auf ganz unterschiedliche Weise erfolgen – erwartet oder unerwartet, … was gemeinsam ist: wir können dieses Anreden erleben und darauf reagieren3.

    Es kommt darauf an, dass wir auf diese Anrede Gottes antworten – auch wenn wir diese zunächst nicht immer als solche wahrnehmen. Bei mir war es zum Beispiel das Buch von Erich Fromm „Haben oder sein“ und ein Buch des Freiburger Religionsphilosophen Bernhard Welte über die Schriften von Meister Eckhart, also nicht unbedingt spezifisch biblische Texte, wo man dieses Reden erwarten könnte.

    Dieser Geist, welcher unsere neue-Geburt bewirkt wohnt seit her in uns und setzt uns in Bewegung, führt, treibt uns immer wieder in die Gegenwart des lebendigen Gottes und seines Sohnes Jesus Christus. Und hier sind wir beim dritten – was bewirkt diese neue Geburt?

    3. Geburt – was bewirkt sie?

    Wie gesagt, Geburt setzt einen Neuanfang, ist der Beginn eines neuen Lebens von dem keiner weiß, wie es sich gestalten, wann und wie es enden wird. Mit meiner Geburt werden meine Wurzeln gelegt, beginnen die Festlegungen4. Mit meiner Geburt beginnen meine direkten Beziehungen, werde ich hineingestellt in eine Gemeinschaft in der ich wachse und mich entwickle. Geburt bewirkt sozusagen den Anfang all meines Beziehungsgeschehens, angefangen bei meinen Eltern, den Geschwistern und zieht im Laufe der Zeit in immer weitere Kreise.

    So ist es auch bei der geistlichen Geburt. Hier wird ein neuer Bezugspunkt geschaffen, ein neuer Fixpunkt entsteht, der allen anderen vorgelagert ist. Ich erlebe: da gehöre ich hin, da ist meine geistliche Heimat, da ist meine eigentliche Familie (vgl. Mt 12, 49ff). Immer wieder spricht Jesus von dieser geistlichen Familie. Von diesem Fixpunkt aus ordne und gestalte ich mein Leben, kann dahin zurückkehren wenn ich Trost oder Neuorientierung brauche. Hier bei Jesus bin ich festgemacht, hier finde ich den Boden unter meinen Füßen und die Perspektive für mein Leben und meine natürlichen Beziehungen.

    Durch die Neugeburt wird die existentielle Frage des Menschen, woher komme ich und wohin gehen ich, und die letztlich auch die Frage des Nikodemus „wie gelange ich ins Reich Gottes“ beantwortet. Sind diese Fragen geklärt kann ich mich ganz anders den Fragen stellen, die mir das Leben und die Gesellschaft stellt. Mit meinen Antworten im Gepäck, kann ich mich auf meine weitere Lebensreise begeben.

    Schluss

    Leider erfahren wir nicht wirklich, was Nikodemus mit der Antwort anfängt die er bekommen hat. Ob er beruhigt nach Hause gegangen ist und sich wieder schlafen legen konnte? Noch zweimal wird er bei Johannes erwähnt: einmal bei einem Gespräch mit dem Hohen Rat (Joh 7,50) und dann ganz am Ende bei der Grablegung (Joh 19,39) war er derjenige, welcher die Harze zur Einbalsamierung Jesu brachte. Hätte er das getan, wenn die Begegnung bei ihm nichts bewirkt hätte?

    Und wie geht es uns nach dieser Begegnung der wir quasi als Zuhörer teilhaben konnten? Was löst Jesu Antwort bei uns, bei ihnen und mir aus? Eines ist sicher: Gott will den neuen Menschen und ER ermöglicht uns diese neue Geburt durch seinen Sohn Jesus Christus und befähigt uns durch seinen Geist zu einem Leben als seine Kinder. Diese Verankerung bedeutet dass wir wissen, woher wir kommen und wohin wir gehen, wir wissen wo letztlich unser Fixpunkt ist. Das ist auch die Botschaft von Trinitatis: Gott ermöglicht neues Leben durch seinen Sohn und schafft eine neue Beziehung zu uns durch seinen heiligen Geist der uns in diesem neuen Leben erhält.

    Amen.

    - Es gilt das gesprochene Wort! -

    Diese Predigt wurde verfasst von:
    Karl-Heinz Rudishauser
    Obertüllingen 107
    79539 Lörrach-Tüllingen
    07621/9153229
    eMail: karl-heinz.rudishauser(a)t-online.de

    1 Ich meine irgendwo einmal gelesen zu haben, dass mit diesem Wort der Ort gemeint ist, in dem das Neu-geborene heranwächst.
    2 Diesen Aspekt könnte man noch ausbauen. In Anbetracht der begrenzten Zeit in einem Corona-Gottesdienst, habe ich aber darauf verzichtet.
    3 Hier könnte noch folgender Passus folgen: In der Folge werden wir mit dieser Kraft Gottes (1Kor 3, 16; Eph 1, 13) versiegelt, wird uns geschenkt und wohnt gleichsam in uns.
    4 HILLE Rolf Dr.; in: Zuversicht und Stärke. Juni-Juli 2009. 1. Reihe - Heft 4. Seite 10

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