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Predigt über Johannes 4, 19-26

am 04.06.2001
Pfingstmontag

Ort: St. Ilgen


Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Gemeinde!

Einleitung

Wir alle sind eingebunden und mittel- und unmittelbar geprägt von Geschichte. Sei dies nun die Geschichte unseres Volkes oder Volksstammes, sei es die Familiengeschichte oder die eigene Lebensgeschichte. All dies , und da sollten wir uns nicht täuschen, all dies hat mehr oder weniger Einfluß auf unser Leben und unsere Persönlichkeit. Und auch die Geschichte unseres Kirche sollte an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben.

Im heutigen Predigttext begegnen sich zwei Menschen auf im wahrsten Sinne des Wortes geschichtsträchtigem Boden, und jeder bringt seine Lebensgeschichte mit. Geprägt von unterschiedlichen Traditionen führen sie ein auch für uns heute interessantes Gespräch.

- Text lesen: Johannes 4, 19 - 26 -

Die Begebenheit und die Situation um die es hier geht, ist den meisten von uns sicherlich bekannt. Es handelt sich um die Begegnung Jesu mit einer samaritischen Frau am Jakobsbrunnen. Und diese Begegnung beginnt mit zwei Ungeheuerlichkeiten: Jesus spricht mit einer Frau und dazu noch mit einer Samaritanerin! Jesus selbst hatte doch an anderer Stelle seinen Jüngern untersagt, die Städte der Samariter zu betreten (Mt 10, 5.6).

Das Gespräch mit dieser Frau nimmt ganz verschiedene Verläufe, bis zu der Stelle, die wir heute gehört haben, in der es um einen seit vielen Jahrhunderten schwelenden Konflikt zwischen Juden und Samaritanern geht: Wer betet wo an und welches ist der richtige Platz dafür? Wo ist Gott zu Hause?

Jesus verneint die Geschichte nicht, er sagt auch nicht, daß das, was in der Vergangenheit als Tradition gelebt wurde, falsch gewesen sei. Aber er bleibt nicht in der Geschichte stecken sondern weißt den Blich in die Zukunft, hin auf neue Maßstäbe und Ordnungen: Gott ist Geist und die IHN anbeten, müssen IHN im Geist und in der Wahrheit anbeten. Mit dieser Aussage sprengt Jesus die bisherigen Denkmuster und Traditionen, sowohl diejenigen der Samaritaner aber auch die seiner eigenen Glaubensgenossen, den Juden. Mit seinem Kommen, mit dem Kommen Jesu gelten andere, neue Maßstäbe, kann es nicht mehr darum gehen, jungen Wein in alte Schläuche zu füllen. All das mag uns noch einleuchten.

Aber was ist damit gemeint, Gott im "Geist" und in der "Wahrheit" anzubeten? Wir feiern an diesem Wochenende Pfingsten, das Fest an dem die ersten Jünger vor annähernd zweitausend Jahren den Heiligen Geist erhalten haben; sich dir Prophezeiung des Joel erfüllt hat: "... ich werde meinen Geist ausgießen über alles Fleisch; ..." (Joe 3,1). Wir können Pfingsten feiern als ein Fest im Lauf unseres Kirchenjahres, können es einreihen in die Gilde kirchlicher Feste und Feiertage - und das war es dann! Dann sind wir vielleicht so weit wie jene Frau mit der sich Jesus unterhalten hat. Wir bleiben stecken an äußeren Formen und religiösen Riten.

Worauf es Jesus in dem Gespräch mit der Samaritanerin ankommt ist aber genau das Gegenteil: nicht stecken bleiben in äußeren Formen und Formalitäten, nicht stecken bleiben in religiösen und christlichen Riten und Ritualen. Jesus geht es darum, daß dieser Geist sich Bahn schafft in unserem Leben. Daß er den Platz einnimmt, der ihm gebührt und wir ihm diesen Platz in unserem Leben einräumen.

Denn wir brauchen diesen Geist um unseren Vater anbeten zu können. Um unseren himmlischen Vater wirklich anzubeten, müssen wir ihn im Geist und in der Wahrheit anbeten - so sagt es Jesus!

Ich möchte dem nachgehen und versuchen zu beantworten, was es mit dieser Aussage Jesu auf sich hat, den Vater im Geist und in der Wahrheit anzubeten. Ich möchte dies tun, in dem wir uns Gedanken über

  • die Wahrheit,
  • den Geist und
  • die Anbetung machen.
  • 1. die Wahrheit

    "Was ist Wahrheit?" Dieser Frage die von Pontius Pilatus am Ende dieses Evangeliums gestellt wird, können wir uns wahrscheinlich anschließen. Und vielleicht wird sie durch eigene Erfahrungen genährt, in denen uns nur schwer oder gar unmöglich war eindeutig festzulegen, was wahr ist. Was also meint Jesus in diesem Gespräch mit dieser Frau und auch später, im Gespräch mit Pilatus, mit dem Begriff Wahrheit?

    Meint er damit wahr als Gegenteil von falsch oder unwahr? Geht es darum, festzulegen wer recht hat im Gegensatz zu dem, der nicht recht hat? Dieser Begriff Wahrheit kommt in diesem Evangelium sehr oft vor, ist fast schon charakteristisch dafür. Schon in den ersten Versen wird von der Wahrheit gesprochen. Die Frage also, was ist Wahrheit? Die Antwort, die wir von Jesus erhalten ist zunächst wenig aufschlußreich. Er sagt, daß ER die Wahrheit ist. Das hört sich zwar gut an, aber bringt uns zunächst in unseren Überlegungen nur unwesentlich weiter. Zunächst jedenfalls, wenn wir nur diese Aussage betrachten. Das ist dann etwas für Philosophen und Denker, die sich in abstrakten Denkgebäuden bewegen und darin wohl fühlen. Für mich liegt die Antwort darin, wenn ich dieses "ich bin" auf das ganze Leben Jesu beziehe, sein Leben und Lebenswerk betrachte.

    Mit Jesus ist Gottes neue Welt angebrochen, hat er sich in der Wirklichkeit dieser Welt seine Wirklichkeit geschaffen. Und Gottes Wirklichkeit besteht im Lebens- und Leidensweg seines Sohnes. Sie wird erkennbar zwischen den Ereignissen von Weihnachten und Ostern, von Himmelfahrt und Pfingsten. Zwischen dem Kommen des Gottessohnes an Weihnachten und seinem Tod und seiner Auferstehung an Ostern ist Gottes Reich angebrochen. Gewiß, vieles ist noch verborgen, entzieht sich unserer Wahrnehmung bzw. wird von der Wirklichkeit unserer Tage überdeckt und verdrängt. Wir sind, solange diese Erde besteht und wir auf ihr leben, Glaubende und nicht Schauende und das bedeutet, daß vieles noch im verborgenen bleibt. Und dennoch ist im und durch das Leben Jesu immer wieder das Reich Gottes zeichenhaft erkennbar geworden und wird es auch heute immer wieder zeichenhaft erkennbar. Dann wenn Kranke von Jesus geheilt werden oder Tote auferweckt werden. Dann, wenn Menschen Vergebung und Versöhnung mit Gott aber auch untereinander efahren und erleben.

    So können wir auf die Frage des Pilatus "Was ist Wahrheit?" antworten: Wahrheit, das ist die neue Wirklichkeit Gottes, die in seinem Sohn Jesus auf diese Welt und zu uns gekommen ist, auch zu uns hier nach St. Ilgen!

    2. der Geist

    Kommen wir zum dem Punkt, der uns zu den Ereignissen von Pfingsten führt. Die wahren Anbeter werden Gott im Geist anbeten. Ich denke es ist unstrittig, daß Jesus hier von dem Geist spricht, den der Prophet Joel in seiner Prophezeiung erwähnt hat und der am Pfingstfest auf die versammelten Jünger in Jerusalem gekommen ist. Pfingsten als das Fest, an dem Gott seine Verheißung wahr macht, seinen Geist über alles Fleisch auszugießen. Damit ist jedoch nicht gemeint, daß damals alle Menschen den heiligen Geist bekommen haben, sondern daß jeder Mensch potentiell die Möglichkeit hat, den heiligen Geist zu empfangen. Daß es nicht mehr so ist, daß dies ein Vorrecht nur einer ganz bestimmten Personengruppe ist, so wie dies z.B. im Alten Testament der Fall war. Wir können heute sagen, daß der Heilige Geist allen Menschen verheißen, aber damit nicht automatisch jedem gegeben ist. Hier stellt sich nun die Frage, wann und wie ich diesen Geist empfangen und wie er sich in meinem Leben auswirkt bzw. wie ich ihn erkennen.

    Darüber, wie und wann ich den Heiligen Geist empfange, gibt es innerhalb der christlichen, und hier insbesondere innerhalb der evangelischen Kirchen und Freikirchen recht verschiedene Auffassungen. Vielen ist die Sache mit dem Heiligen Geist auch grundsätzlich suspekt, da die Auffassung vorherrscht, daß dieses Thema ausschließlich mit übernatürlichen und spektakulären Ereignissen verbunden sei. Die Antwort darauf, wie und wann wir, sie und ich den Heiligen Geist empfangen haben oder ihn empfangen können gibt das Neue Testament selbst. Paulus schreibt den Christen in Ephesus auf diese Frage, daß sie den Heiligen Geist dann empfangen haben, als sie an Jesus Christus glaubten (Eph 1,13). Das heißt, ab dem Zeitpunkt, da sie darauf vertrauten, daß in Jesus Christus Gottes Wirklichkeit in dieser Welt angebrochen und erschienen ist, zu dem Zeitpunkt, da sie für wahr hielten, daß das Leben, Leiden, Tod und Auferstehung für sie ganz persönlich eine Bedeutung hat, sie dadurch gewissermaßen hineingenommen wurden in Gottes neue Welt, zu diesem Zeitpunkt haben sie den Heiligen Geist erhalten.

    Und so wie dies Paulus jenen Menschen damals in Ephesus schrieb, genauso schreibt er uns das heute. Er sagt, der Empfang des Heiligen Geistes ist nicht an übernatürliche Ereignisse gebunden oder an einen "besonderen Glauben" (wenn es so etwas überhaupt gibt), sondern einfach an das Bekenntnis zu Jesus und zu dem, was er für mich getan hat.

    Und die Auswirkungen des Heiligen Geistes, sie zeigen sich daran, daß wir zu wahren Anbetern werden.

    3. Gott anbeten im Geist und in der Wahrheit

    Gott sucht solche wahre Anbeter - doch was heißt das? Was heißt Anbetung überhaupt? Wie äußert sich das? Indem wir mit Inbrunst ganz bestimmte, getragene und gefühlvolle Lieder singen und dabei vielleicht noch unsere Hände erheben? Gewiß, das kann zu Anbetung gehören bzw. dadurch können wir unsere Anbetung unterstützen oder ausdrücken.

    In der Anbetung fließen die Wahrheit und der Geist zusammen, kommt es zu einem Zusammenspiel beider. Anbetung heißt für mich, in der Wirklichkeit dieser Welt, in der Wirklichkeit meines Lebens und meines Alltages mir immer wieder Gottes Wirklichkeit vor Augen führen. Zu sehen und zu sagen, daß es auf Gottes Wirklichkeit ankommt und diese der Wirklichkeit entgegenhalten. Es geht dabei nicht darum, diese Welt zu verdrängen, sondern mir vor Augen zu führen, daß es noch etwas anderes gibt, auf das es ankommt und das letztlich die Oberhand behalten wird.

    Und damit mir das immer wieder gelingt, daß ich in den Turbulenzen dieser Welt nicht untergehe sondern immer wieder Gottes Wirklichkeit sehen kann, das wirkt der Heilige Geist in mir. Er verhilft mir immer wieder zu dieser Einstellung und wenn ich nicht mehr beten kann, dann ist es dieser Geist, der für mich in die Presche tritt (Rö 8,26) und dieser Geist bezeugt uns immer wieder, daß wir Kinder Gottes sind (Rö 8,16).

    Schluß

    Pfingsten heute - eine Fest in der Tradition unserer Kirche? Oder ist es mehr? Gott sucht wahre Anbeter - auch heute, auch hier in St. Ilgen. Solche, die nicht in ihren Traditionen stecken bleiben sondern IHN im Geist und in der Wahrheit anbeten. Er sucht Menschen, die sich immer wieder dazu ermutigen lassen, die Wirklichkeit Gottes zu sehen und diese dieser Welt entgegenzustellen. Er sucht Menschen, die sich von seinem Geist treiben lassen und sich als Kinder Gottes wissen.

    Lassen wir uns von IHM finden!

    Amen.

    - Es gilt das gesprochene Wort! -

    Diese Predigt wurde verfasst von:
    Karl-Heinz Rudishauser
    Belchenring 20
    D-79219 Staufen
    07633/500781
    eMail: karl-heinz.rudishauser@t-online.de
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