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Predigt über Johannes 4, 46-54

am 15.1.2017
2. Sonntag nach Epiphanias

Ort:
Seefelden


Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Gemeinde!

Einleitung

Der Albtraum aller Eltern: Die Diagnose ist so eindeutig wie niederschmetternd – nichts mehr zu machen! Ratlos zucken die Ärzte mit den Schultern, sie sind mit ihrem Latein am Ende. Die Mutter kühlt dem Kind die Stirn, während es vom Fieber geschüttelt wird. In diesen Tagen und Stunden geht es um Leben oder Tod. Wer das Krankenzimmer betritt, redet leise. Die Geschwister, die Großeltern, die Freunde, alle wissen um den Ernst der Stunde. Alle sind sie da. Um zu hoffen, zu bangen, zu beten, zu trösten. Und sich, wenn es denn sein muss, zu verabschieden. Nur einer fehlt: der Vater. Wie groß muss seine Not gewesen sein. In dieser Schicksalsstunde hat er sich aufgemacht, ist das Risiko eingegangen, dass das Kind während seiner Abwesenheit stirbt und ist hinaus in die 30 Kilometer entfernte Stadt gegangen. Wäre das Kind in dieser Zeit gestorben – das hätte er sich nie verziehen. Aber hätte er sich anders entschieden, wäre er nicht losgelaufen, hätte er sich dann nicht genauso Vorwürfe gemacht. Darum folgt er seiner Intuition, seinem Herzen, seinem Verstand. Er setzt alles auf eine Karte und macht sich auf den Weg.1

Ähnliches hatten wir als Familie letztes Jahr am Ende der Sommerferien mit einer unserer Töchter erlebt. Ärzten gegenüber zu stehen die eingestehen, dass sie weder wissen woher die Entzündung kommt noch wie sie zu behandeln ist, treibt einem als Vater und Mutter das blanke Entsetzen ins Herzen.

So ist mir der heutige Predigttext von besonderer Bedeutung und eine Begegnung aus und mit der eigenen Erfahrung:

Text lesen: Johannes 4, 46 – 54

Ein königlicher Beamter, das ist nicht einer aus dem Fußvolk, das ist nicht der Pförtner am königlichen Palast. Das ist einer, der hat es zu etwas gebracht: guter, einflussreicher Job, gutes Gehalt, Villa in vorzüglicher Wohnlage am See, eine umfangreiche Dienerschaft. Das ist einer, der hat etwas zu sagen, der hat Einfluss. Alles da um für ein sorgenfreies Leben gerüstet zu sein. Und nun das: das Kind ist krank, dramatischer noch, es liegt im Sterben!

In der Begegnung mit diesen Versen, im nachspüren dieser Erzählung ist mir zweierlei bedeutsam geworden:

  • Aus Glauben zu Jesus gehen.
  • Aus Glauben bei Jesus bleiben.
  • 1. Aus Glauben zu Jesus gehen

    Es hat sich herumgesprochen,und auch im 30 Kilometer entfernten Kapernaum hat man bereits von dem Wunder gehört, das sich bei einer Hochzeit in Kana ereignet hat. Dort soll einer Wasser in Wein, und nicht nur das, sondern sogar in guten Wein verwandelt haben und hat so dem Bräutigam aus der Misere geholfen. Wenn einer so etwas kann, dann ist es ihm vielleicht auch möglich, dass er meinen Sohn vor dem Tod errettet?! Ich könnte mir vorstellen, dass dies die Gedanken waren, die dem königlichen Beamten durch den Kopf gegangen sind. Der Mann steht vor der Entscheidung weiter zu kämpfen oder aufzugeben und sich auf den Abschied von seinem Sohn vorzubereiten. Beides birgt Risiken.2

    Er muss sich entscheiden und er entscheidet sich: So macht er sich auf den Weg die 30 Kilometer hinauf nach Kana. Was muss ihm da wiederum alles durch den Kopf gegangen sein. Ein auf und ab zwischen hoffen und doch wieder aufgeben und lieber umkehren um am Krankenbett des Sohnes zu stehen. Wurde er dort nicht viel eher gebraucht? Aber nein, er zieht das jetzt durch. Setzt alles auf diese eine Karte.

    Und er findet Jesus und erzählt ihm alles was sich ereignet hat. Bringt sein ganzes Leid hinauf zu dem Mann aus Nazareth. Er bittet ihn, hinab nach Kapaernaum zu kommen, hinab in das Elend dieses Mannes und seiner ganzen Familie, hinab in jenen Ort in dem sein Sohn leidet und im Sterben liegt. Und als er mit seinem Bericht fertig ist, blickt er erwartungs- und hoffnungsvoll in die Augen von Jesus. Aber die Antwort die er bekommt, sie erschüttert mich. Statt eines Zuspruchs bekommt er einen Vorwurf zu hören: „Wenn ihr nicht Zeichen und Wunder seht, so werdet ihr nicht glauben.“ Welch schroffe Antwort auf die Bitte des Mannes? Wie kann Jesus das nur so sagen? Sieht er denn nicht, wie der Mann leidet, in welcher Not er ist und was auf dem Spiel steht? Mit dieser harten Antwort macht Jesus deutlich, dass er kein „Automaten-Gott“ ist bei dem man oben seine Bitte einwerfen kann und unten kommt das Wunder raus. Jesus geht es nicht um Zeichen und Wunder sondern um Glauben, um unseren Glauben, um unsere Beziehung zu ihm. Das mag schon richtig sein, aber muss ER das ausgerechnet jetzt so deutlich machen und sagen?

    Und jetzt? Alles vorbei, umsonst. War dies das Todesurteil für den Jungen? Der Vater reagiert und erstaunt mich in seiner Reaktion zum zweiten mal. Er bleibt konsequent, sich und seiner Entscheidung treu. Er bleibt damit an Jesus dran und wiederholt seine Bitte: „Jesus, bitte, komm doch herab nach Kapernaum ehe mein Kind stirbt.“ Er lässt nicht locker, lässt sich nicht durch den Vorwurf Jesu beirren sondern er hält an seinem Vorhaben fest, so schnell gibt er nicht auf. Er bleibt bei dem, was er Jesus zutraut, woran er glaubt: Dass Jesus sein Kind heilen und retten kann. Und mir scheint, es ist diese Konsequenz die Jesus erkennen lässt, diesem Mann ist es ernst und so lässt sich Jesus umstimmen. „Geh hinab nach Kapernaum, dein Sohn lebt.“

    Und ein weiteres mal überrascht mich der Mann in seiner Reaktion. Keine Nachfrage, kein weiterer Zusatz oder ein „ja, aber“ sondern schlicht und unspektakulär glaubte der Mann dem Wort das Jesus zu ihm sagte und er ging hin. Er tat das nächstliegende, das was Jesus ihm sagte und machte sich auf den Weg nach Hause zu seinem Sohn und seiner Familie.

    2. Aus Glauben bei Jesus bleiben.

    An diesem unspektakulären bin ich hängen geblieben. Ist das nicht auch immer wieder unsere Situation bzw. ist das nicht unser aller Glaubensalltag? Das Unspektakuläre, das Unscheinbare, das tägliche klein – klein? Der Mann wird von Jesus auf SEIN Wort verwiesen. Der Mann muss sich auf das Wort Jesus „Geh hin, dein Sohn lebt.“ verlassen. Er wird nichts anderes von Jesus bekommen und auch wir, haben letztlich nichts anders verbindliches in Händen, als das Wort Jesu, als das Wort Gottes. Von Menschen niedergeschrieben und festgehalten in der Bibel.

    Was muss dem Mann alles durch den Kopf und das Herz gegangen sein, als er sich wieder auf den Heimweg gemacht hat. In dem Wirrwarr seiner Gedanken und Gefühle wägt er immer wieder aufs neue ab, was das Wort Jesu zu bedeuten hat und ob es sich wirklich so erfüllen wird. Kann, soll er diesem unspektakulären Wort einfach so vertrauen und darauf setzen?Und ich stelle mir vor, wie der Mann auf seinem Heimweg mit diesem Wort zwischen glauben und zweifeln gerungen hat. Lebt mein Junge noch? Oder ist er schon gestorben? War der ganze Einsatz umsonst und wäre er nicht doch lieber daheim geblieben? Aber nein, Jesus hat es ja gesagt: „Dein Sohn lebt.“. Die Schritte des Mannes werden unmerklich schneller.

    Auf seinem Weg sehe ich ihn in einem Wechselspiel von glauben und zweifeln und sich immer wieder hinterfragen. Aber genau das ist für mich „glauben“. In der wörtlichen Übersetzung bedeutet glauben vertrauen. Allerdings verstehen wir das meist sehr statisch und fix, als ein Zusammenspiel von Ursache und Wirkung und weniger dynamisch und lebendig. Im letzten Jahr hat dieses „glauben“ für mich persönlich wieder eine ganz neue Facette erhalten: „in Beziehung bleiben“. Wenn ich jemandem vertrauen möchte, dann muss ich mit diesem in Beziehung stehen treten und in Beziehung bleiben, dann muss ich mich ihm öffnen, ihm mitteilen was mich bewegt und umtreibt. Als Christ bedeutet dies dann, bei Jesus zu bleiben eben auch mit meinen Zweifeln, meinem Unverständnis, meinem Bangen und meinen Fragen und ihm nicht nur einfach den Rücken kehren, wenn die Dinge zunächst nicht so kommen, wie ich mir sie erhoffe. Und: vielleicht auch nie so kommen werden! Und wenn ich darunter leide, wenn es mich schmerzt und mir die Seele zerreißt, dass sich scheinbar nichts bewegt oder es gar anders kommt, dann lebt meine Beziehung zu Jesus davon, dass ich auch mit diesen Gedanken und Gefühlen zu Jesus komme und sie IHM sage.

    Schluss

    In der Begegnung mit dem Bericht vom königlichen Beamten habe ich erneut erkannt, dass glauben für mich auch bedeutet, dran bleiben an Jesus – mit dem was mich bewegt, mit meinen Zweifeln, meinem Hoffen und meinen Sorgen immer wieder zu Jesus kommen. Dann bin ich mit meinem Erleben, meinem Denken und Fühlen nicht allein und es bleibt nicht absolut stehen, sondern ich stelle Jesus daneben und bekomme auch ihn in den Blick. Ich denke, dass es ihnen, zumindest den meisten von ihnen so geht wie mir, dass mir in den meisten Fällen die Sorgen und die Probleme nicht einfach weg genommen werden und verschwunden sind. Da bete ich zu Jesus und – scheinbar – nichts geschieht. Was mache ich dann mit meinem Vertrauen? Gebe ich auf und sage mir Jesus hat versagt, hat nicht geholfen, meine Erwartungen waren falsch? Will, kann er nicht helfen? Was wird aus meinem Vertrauen, meinem Vertrauen? Was aus meinen Gefühlen? Kann ich es dann nicht gleich bleiben lassen? Nein! Dann geht es darum, meinen, unseren enttäuschten Gefühlen Jesus beiseite zu stellen und so bei Jesus zu und mir selbst treu bleiben.

    Der königliche Beamte blieb sich und dem was er glaubte treu. Selbst durch die schroffe Antwort von Jesus ließ er sich nicht beirren, ja er scheute den Konflikt mit Jesus nicht sondern bat IHN erneut um Hilfe. Dieser Mut, dieses sich und seinem Glauben treu und konsequent bleiben brachte die Wende.

    Der Glaube, der gegen alle Erfahrungen vertraut und uns bei Jesus hält, macht Erfahrungen. Vielleicht andere als wir uns erhoffen und erwarten. Aber wenn wir bei Jesus bleiben, wird sich etwas in unserem Leben ereignen.3

    Amen.

    - Es gilt das gesprochene Wort! -

    Diese Predigt wurde verfasst von:
    Karl-Heinz Rudishauser
    Obertüllingen 107
    79539 Lörrach-Tüllingen
    07621/9153229
    eMail: karl-heinz.rudishauser(a)t-online.de

    1 Figel, Matthias; in: Zuversicht und Stärke; 3. Reihe - Heft 1; Dezember 2010 - Januar 2011; S. 130
    2 derselbe a.a.O.; S. 137
    3 Kuttler, Cornelius; in: Zuversicht und Stärke; 3. Reihe - Heft 1; Dezember 2016 - Januar 2017; S. 133

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