Home
Predigten
 
 

Predigt über Johannes 8, 21-30

am 04.03.2007
Sonntag Reminiscere

Ort:
Ev. Kirchengemeinde
Staufen / Münstertal


Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Gemeinde!

Einleitung

Drei gedankliche Schritte zum Einstieg:

(1) Wissen sie was Banalitäten sind? Überlegen sie einmal kurz, was sie als banal um- oder beschreiben würden? Würden sie mir zustimmen wenn ich sage, die Aufforderung sich mehr mit Namen anzusprechen, sei banal? Wann bezeichnen wir etwas als banal oder Banalität? Beobachten sie sich einmal: Wenn es um eine Aufforderung zu einer Handlung geht, die mir bekannt ist und die ich bereits anwende, dann bewerte ich diese Aufforderung das als "richtig". Wenn es jedoch um eine Aufforderung geht, die ich ebenfalls kenne, aber nicht anwende, nicht umsetze, dann bezeichnen wir diese als Banalität.

(2) Dieser Umstand ist mir kürzlich beim lesen eines Artikels wieder ein- und aufgefallen: ich markierte mir in der Regel diejenigen Stellen und Passagen, denen ich zustimme, die meinem Denk-Horizont entsprechen und/oder die ich verstanden hatte. Unmarkiert bleiben in der Regel diejenigen Aussagen, die ich nicht verstehe oder nicht meiner Denke entsprechen, obwohl es lohnend wäre, darüber nachzudenken (was ich meist erst beim mehrmaligen lesen erkenne).

(3) Und als mir das so durch den Kopf ging, kam mir ein vor einiger Zeit gelesenes Buch von Heinzpeter Hempelmann wieder in den Sinn. In seinem Büchlein (sehr empfehlenswert) "wortgetreu oder leserfreundlich" setzt er sich mit der Technik neuerer Bibelübertragungen auseinander. Und eine seiner Aussagen ist, dass durch diese Techniken bzw. der darin zugrunde liegenden Ansätze der Verstehenshorizont des Lesers zum letztgültigen Maßstab der Übersetzung erhoben wird. Das führt aber dann dazu, dass der Leser immer nur mit bereits Bekanntem konfrontiert wird und es in der Konsequenz bei ihm keine Horizonterweiterung erfolgt. Wenn wir uns immer nur mit dem auseinandersetzen, was wir schon kennen, wenn jede Hürde, und im Falle von Bibelübertragungen sprachliche oder begriffliche Hürden, einfach eingeebnet werden, wo und wie findet dann eine Auseinandersetzung mit dem gelesenen statt? Wenn ich das, was unbekannt ist, an das angleiche und auf das Niveau von Bekanntem bringe, wo erlebe ich da Erweiterung? Ein Sprichwort sagt: "Es ist schwierig ein Haus zu bauen, schwieriger es umzubauen, am schwierigsten aber ist es, einen neuen Gedanken zu denken."

Ähnlich geht es uns, mir zumindest, mit biblischen Texten, vor allem dann, wenn es darüber zu predigen gilt. Gewiss stellt jede Predigt eine Herausforderung dar, der ich mich stellen muss und auch will. Aber es gibt einfach Unterschiede: kürzlich galt es über die Heilung des Blinden vor den Toren Jerichos zu predigen. So etwas ist natürlich anschaulich und greifbar, wie die meisten erzählten Berichte. Schwieriger wird es meist bei Briefen, insbesondere solchen von Paulus, wenn er wieder einmal eine theologische Grundlegung hält und sich ein Satz über mehrere Verse hinzieht. Solche Passagen gehen in die Tiefe und bauen eine Grundlage, auf der wir noch heute bauen. Aber sie sind vielfach auch eine Herausforderung für den Leser und Prediger. Eine Herausforderung weil sie mich hinterfragen, mich oft mit grundlegend Neuem oder mit Aussagen konfrontieren, die irgendwie nicht mehr in unsere Tage zu passen scheinen und doch äußerst provokativ sind. Aber nicht nur bei Paulus stoße ich auf solche Aussagen. Auch die für diesen Sonntag vorgegebene Perikope stellt eine solche Herausforderung dar.

- Text lesen: Joh 8, 21 - 29.(30) -

Haben sie noch alles im Ohr, was ich ihnen gerade vorgelesen habe, einige von ihnen haben ja mitgelesen - haben sie auf Anhieb alles verstanden? Als ich diese Verse für die Vorbereitung zum ersten mal gelesen hatte, habe ich meine Bibel erst mal wieder auf die Seite gelegt um diese Verse etwas wirken zu lassen und darüber nachzudenken. Wenn man die ersten Verse liest oder hört könnte man sich fragen:

1. Ist Jesus ein Außerirdischer?

"Ihr seid von dem was unten ist, ich bin von dem was oben ist; ihr seid von dieser Welt, ich bin nicht von dieser Welt." Mit dieser Aussage konfrontiert Jesus seine Zuhörer, die von Johannes als "die Juden" bezeichnet werden. "Die Juden", dieser Ausdruck löst vermutlich unangenehme Assoziationen aus und so ist es nicht weiter verwunderlich, dass man in der Theologie immer wieder dazu kam, diese Formulierung als antijüdisch oder gar antisemitisch zu bezeichnen und zu verwerfen. Für Johannes hatte diese Formulierung jedoch überhaupt nichts diskriminierendes. "Die Juden" sind für ihn einfach die Menschen, und so wie sie sich verhalten, so verhalten sich die Menschen. Sie verstehen nicht, was Jesus ihnen sagt, sind ungläubig und verschlossen und manche trachten ihm sogar nach dem Leben. Wir sind meist schnell dabei, diese Menschen zu verurteilen und uns auf der sicheren Seite zu wähnen. Aber Vorsicht - hätten wir uns an ihrer Stelle anders verhalten? Bedenken wir: wir sind in einem christlichen Land aufgewachsen, von einer christlichen Kultur geprägt und den meisten von uns hat man schon früh gesagt wer Jesus war. Wir begegnen diesen biblischen Berichten im Rückblick. Und trotzdem frage ich mich, ob wir wirklich verstehen, wer Jesus war und seine Aussagen verstanden haben.

Unser Abschnitt beginnt damit, dass Jesus mit seinen Äußerungen ein Missverständnis hervorruft. Während er auf seine Himmelfahrt hinweist vermuten die Umstehenden einen Selbstmord. Sie verstehen Jesus nicht, kommen nicht dahinter, was er meint, wie schon so oft in der Vergangenheit (z.B. Lk 18,34; Mk 9,32; Joh 10,6). Nein sagt Jesus, darum geht es nicht. Tatsache ist, ihr seid von dem was unten ist, ich bin von dem was oben ist und ich gehe dahin zurück, woher ich gekommen bin und dahin könnt ihr mir nicht folgen. Das klingt beängstigend, auch in unseren Ohren. Da spüren wir etwas von einer Trennung die nicht überwunden werden kann. Da hat sich etwas zwischen Gott und mir geschoben, das unüberwindbar ist und der Mensch diesen Zustand von sich aus nicht überwinden kann. Die Kirchenväter nannten das in ihrer Sprache "non posse non pecare", der Mensch hat nicht mehr die Möglichkeit, nicht zu sündigen, er ist aus der Gemeinschaft mit Gott herausgefallen und in der Sünde gefangen.

Jesus nimmt in diesen Versen eine Positionsbestimmung vor und grenzt sich damit ab, macht deutlich, er ist der ganz andere. Er ist der "ich bin", das erinnert uns an Mose und den brennenden Dornbusch wo sich Gott als der "Ich bin der ich bin." dem Mose zu erkennen gibt. Jesus ist der "von oben ist", das "fleischgewordene Wort", "Brot des Lebens", Weg, Wahrheit, Leben und Licht der Welt, der, den sie ans Kreuz nageln werden. Jesus ist der ganz andere, der nicht verstanden wird, nicht von den jüdischen Theologen und Zeitgenossen und auch nicht von seinen Jüngern. Sie hielten fest an ihren Vorstellungen, wollten sich nicht daraus lösen und sich Neuem öffnen. Aber auch wir verstehen Jesus nicht immer, machen wir uns da nichts vor. Denn wenn wir ihn wirklich in allem verstanden hätten, müssten wir dann nicht deutlichere Konsequenzen daraus ziehen, und diese sehe ich vielfach nicht, zumindest nicht in meinem Leben. Jesus macht deutlich: an ihm hängt alles, er ist Dreh- und Angelpunkt, an ihm kommt keiner vorbei!

"Ihr werdet mich suchen und werdet in eurer Sünde (Sing. !) sterben", "denn wenn ihr nicht glauben werdet, dass ich es bin, so werdet ihr in euren Sünden sterben" Ups, das ist schon starker Tobak. Das stößt selbst uns auf, die wir weitestgehend christlich sozialisiert, geprägt sind. Kann man so etwas überhaupt sagen, stößt man da nicht die Menschen vor den Kopf und verärgert sie? Kann man so etwas in unserer vielgepriesenen "multikulti" Gesellschaft überhaupt noch äußern, wo nahezu alles in die Beliebigkeit des einzelnen gestellt ist und jeder doch glauben und denken darf, was er will?

Mit dieser Aussage rüttelt Jesus seine Zuhörer damals und heute auf. Nein, das will keiner von uns, das schon gar nicht. Sterben werden wir, davon ist keiner von uns ausgenommen, das war auch der Jüngling von Nain nicht, den Jesus vom Tod auferweckt hatte. Auch er musste wieder sterben und wartet nun auf das "jüngste Gericht". Wir werden sterben, daran kommt keiner vorbei, auch Christen nicht. Sterben, das ist der Übergang vom Leben in den Tod und viele haben davor auch Angst.

Aber nach biblischen Verständnis ist das eigentlich Erschreckende nicht das Sterben, sondern das sterben in "eurer Sünde" und der daraus folgende Tod. Und der trifft jeden, der nicht an Jesus glaubt. Der Sünde Sold oder etwas moderner formuliert, der Sünde Lohn ist der Tod, so schreibt es Paulus in seinem Brief an die Gemeinde in Rom (Röm 6,23). In diesem Zusammenhang ist die Aussage Jesu zu verstehen "dass ihr in euren Sünden sterben werdet; denn wenn ihr es nicht glauben werdet das ich es bin, so werdet in euren Sünden sterben." Und dieses Sterben kann schon weit vor dem eigentlichen Todestag beginnen. Das ist gewiss eine steile Aussage, auch für Ohren des 21. Jahrhunderts aber darin steckt zugleich auch ein Angebot. Denn wenn ich verstehe, wer Jesus ist, ich zum Glauben an ihn komme, dann werde ich diesem Sterben in meiner Sünde entgehen. So geht es um die Frage, wer Jesus ist! Wer ist der, an den es zu glauben gilt?

2. Jesus der vom Vater Gesandte!

Manche sagen, an Jesus scheiden sich die Geister. Ich würde es so ausdrücken: an Jesus "ent-scheiden" sich die Geister. Jesus ist die Messlatte an der ich gemessen werde und ermessen kann, wo ich stehe. Wenn Jesus hier und Paulus an anderen Stellen, von Sünde spricht, dann geht es ihnen nicht darum, moralische Verfehlungen anzuprangern. Nicht an ihn glauben, nicht darauf vertrauen dass er Gottes Sohn ist, gesandt um uns zu erlösen, das ist die Sünde (Joh 16,9).

Jesus unterstreicht in unserem Abschnitt, dass er der vom Vater Gesandte ist und dass er gekommen ist, um die Trennung zwischen unten und oben zu überwinden. Er ist gekommen, um das auszuführen, wozu ihn der Vater gesandt hat, das zu verkündigen, was er vom Vater gehört hat (Joh 5,19; 10,30), Jesus handelt nicht in eigenem Auftrag. In seiner Beziehung zum Vater im Himmel legt er das Vorbild zu unserer Gemeinschaft mit diesem himmlischen Vater (Joh 17,11ff). Aber das konnte damals noch niemand hören geschweige den verstehen. Denn das würde ja bedeuten, die bisherigen Vorstellungen, das über Jahrhunderte geformte und vertraute Weltbild über Bord zu werfen und sich diesem Neuen stellen. Und auch in unseren Tagen ist es vielfach nicht anders. Eingelullt in kirchliche Traditionen versperren wir uns den Blick auf das Neue und werden (nicht) mehr gewahr, worauf es ankommt. Aber das Kernproblem dabei ist und bleibt:

Der Mensch ist verhaftet in seiner Sünde, in der Trennung von Gott, in der Unmöglichkeit von sich aus zu glauben und zu erkennen. Aber Gott lässt uns nicht darin stecken, überlässt uns nicht einfach unserer Sünde sondern er sendet seinen Sohn. Jesus kommt im Zustand des "posse non pecare", in der Freiheit, Gottes Gebote zu erfüllen, der Sünde abzusagen. Und Jesus hat das durchgehalten und ist auch nicht vom Kreuz herabgestiegen, als sie ihn dort noch verspottet hatten. Jesus hat für uns, für sie und mich durchgehalten bis zum bitteren Ende.

Am Ende des Gesprächs macht Jesus deutlich, dass der Zeitpunkt kommen wird, da sie ihn erkennen werden. Dann, wenn sie ihn am Kreuz erhöht haben werden. Schon erstaunlich, wie konsequent Johannes seinen Formulierungen und Bildern treu bleibt. Selbst in der Schmach des Kreuzestodes ist Jesus der Erhöhte. Dann wird es ihnen so ergehen wie jenem römischen Hauptmann unterm Kreuz: "Wahrlich, dieser war Gottes Sohn."

Das gilt es auch für uns zu erfassen, zu erkennen wie Johannes es formuliert. Dazu muss ich jedoch ausbrechen aus meinen Denkstrukturen und mich diesem Jesus und seiner Botschaft öffnen. Denn das macht uns Johannes in seinen heutigen Versen deutlich, Jesus ist der ganz andere. Jesus ist das Urbild des Menschen, das Bild, in das wir wieder umgestaltet werden sollen in der Vollendung wo es dann heißen wird: "non posse pecare".

Wenn Johannes von erkennen spricht, dann meint er nicht nur ein bloßes wahrnehmen und mehr als nur verstehen. In dem Begriff erkennen spiegelt sich der Aspekt des sich aneignen und vertraut werden. Solches erkennen ist daran geknüpft, dass sich Gott zu erkennen gibt, er sich offenbart. Jesus ist der, in dem sich Gott offenbart, in dem er Mensch wird, von oben herab zu uns herunter kommt und mit uns Menschen lebt. "Wer mich sieht, der sieht den Vater.", so hat es Jesus an andere Stelle formuliert (Joh 14,9). Gott kommt zu uns, wird fassbar und hörbar, aber auch verspottbar. Gott kümmert sich um seine Ebenbilder, überlässt sie nicht einfach einem unabänderlichem Schicksal sondern geht ihnen nach. Und dieses erkennen mündet in Anerkennung, das heißt, ich trete in eine persönliches Verhältnis zu diesem Gott. Da kommt mir dieser Gott ganz nah, kommt hinein in mein Leben und ich richte mein Leben auf diesen Gott aus. Die Tiefe und Tragweite dieses Begriffes wird uns vermutlich dann deutlich, wenn wir sehen, dass erkennen durchaus auch für das intimste persönliche Verhältnis gebraucht werden kann (z.B. 1Mos 4,1; 19,8).

Für Johannes sind "glauben" und "erkennen" gleichbedeutend und stehen in einer wechselseitigen Beziehung. So hat erkennen nichts mit statischem "wissen" zu tun, mit dem sich immer wieder zurückziehen auf alte, vertraute Positionen und Argumente. Erkenntnis erfolgt dann, wenn ich mich diesem Gott und seinem Gesandten, Jesus, an-vertraue, mich auf ihn einlasse, mich in seine Gemeinschaft begebe und so mein Vertrauen als auch meine Erkenntnis wächst und erweitert wird.

Schluss

"Und als er dies redete, glaubten viele an ihn." Jesus als den erkennen, der von Gott gesandt ist, der mit göttlicher Vollmacht und Autorität redet und handelt. Diese Botschaft lässt uns nur die Wahl, sich entweder diesem Anspruch zu beugen oder aber ihn zu entschärfen, einzuebnen und dem gleich zu machen, was dem Menschen genehm ist. Jesus formuliert Anspruch und Angebot und darin liegt unsere Chance! Wir müssen nicht in unserer Sünde sterben. Jesus eröffnet jedem die Möglichkeit zu einem Leben in der Bestimmung Gottes. Und er hat den Weg frei gemacht und aufgezeigt wohin diejenigen, die an ihn glauben, gehen werden: hinauf und heim zum Vater!

Amen.

- Es gilt das gesprochene Wort! -

Diese Predigt wurde verfasst von:
Karl-Heinz Rudishauser
Altenheimstraße 23
89522 Heidenheim/Brenz
07321/910915
eMail: karl-heinz.rudishauser@t-online.de
nach oben Home Predigten eMail Predigt als PDF zum herunterladen Site Meter