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Predigt über Lukas 10, 25-37

am 5./.6.9.2009
13. Sonntag nach Trinitatis

Ort:
Münstertal/Staufen


Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Gemeinde!

Einleitung

"Wer fragt, kommt weiter." und "Wer nicht fragt bleibt dumm." und darum gibt es auch "keine dummen Fragen". Aber, und das scheint mir doch bedeutsam, es kommt auch darauf an, welche Fragen gestellt werden, wir, sie und ich uns stellen. Welche Frage stellen wir uns heute? - die Zeitungsberichte in der vorrangehenden Woche beobachten -

Wie wird die Bundestagswahl am 27. September ausgehen - oder genauer: Wer wird die Bundestagswahl gewinnen? Wird sich unsere Wirtschaft wieder erholen? Wie sieht es mit meiner Rente, meinem Leben im Alter aus? Ist mein Arbeitsplatz sicher? Wie fällt die Diagnose bei meinem nächsten Arztbesuch aus? Wie wird das neue Schuljahr?

Fragen von unterschiedlicher Tragweite und gesellschaftlicher oder persönlicher Dimension. Manche davon berühren uns existenziell. All diesen Fragen gemeinsam ist, dass sie sich auf das Diesseits beziehen, auf unser Leben hier auf dieser Erde. Das ist richtig und wichtig, tragen sie doch so dazu bei, dass wir Verantwortung übernehmen.

Dietrich Bonhoeffer hat in seiner Ethik die Unterscheidung von den letzten und vorletzten Dingen getroffen. Die oben gestellten Fragen beschäftigen sich mit dem Vorletzten. Spannend ist, dass Bonhoeffer den scheinbar weniger wichtigen Dingen, eben dem Vorletzten eine Bedeutung bemisst, dann, wenn er davon spricht, dass um des Letzten willen auch vom Vorletzten die Rede sein muss.

Vom Vorletzten haben wir nun gehört, zumindest in Ansätzen. Was aber ist die Frage nach den Letzten?

- Text lesen: Lukas 10, 25-28 -

Unser Leben und diese Welt hat noch eine andere Dimension als alleine das, was uns sichtbar vor Augen steht. Ich denke das Wissen darum hängt eng mit unserem Weltbild zusammen und ob dieses Platz für diese "letzte" Dimension vorsieht und lässt. Es geht darum, wo und inwieweit Gott in unserem Leben, in unserer Gesellschaft seinen Platz hat.

In den Tagen unserer kleinen Geschichte war das Leben, auch das alltägliche Leben stark von dieser Gottesfurcht geprägt. In jenen Tagen war diese Frage nichts ungewöhnliches, befremdete es nicht, dass sich da einer um sein "Seelenheil" Gedanken machte und sich die Frage öffentlich stellte: "Wie erlange ich ewiges Leben? Wie komme ich in den Himmel?"

Aber einen Haken hat die Frage jenes Schriftgelehrten: er stellt sie nicht aufrichtig sondern verfolgt einen Hintergedanken: Er will Jesus aufs Glatteis führen, will ihn herausfordern und in ein akademisches Streitgespräch verwickeln. Mich erstaunt, dass Jesus sich darauf einlässt. Aber indem sich Jesus darauf einlässt, dreht er den Spieß gleichzeitig um, nimmt sie ernst und gibt ihr damit ihren eigentlichen Stellenwert wieder.

Wo suchen wir die Antwort auf diese Frage? Im Internet, in den politischen Talkshows unserer Tage oder den Medien? Und auch jetzt überrascht Jesus mit seiner Antwort: "Was steht in dem Gesetz geschrieben? Wie liest du?"

Der Schriftgelehrte gibt die richtige Antwort, denn er ist ja ein Gesetzeskundiger. Es ist dieselbe Antwort, die Jesus an anderer Stelle selbst einmal gibt (Mt 22,37). Wenn in der Bibel von "lieben" als Aufforderung, Gebot oder Befehl gesprochen wird, dann scheint es mir immer angebracht, etwas genauer hinzuschauen.

Wenn wir uns mit dem Liebegebot auseinandersetzen, dann sollten wir uns bewusst machen, dass der biblische Liebesbegriff ein wesentlich differenzierterer ist, als wir in gemeinhin gebrauchen und verstehen. Woran denken sie, wenn sie "lieben" hören? Gehe ich richtig in der Annahme, dass ihnen zunächst die erotische Liebe einfällt und dann vielleicht noch die Liebe der Mutter zum Kind oder die geschwisterliche Liebe?

Im biblischen Sprachgebrauch gibt es noch eine dritte Form der Liebe: die agape, die göttliche Liebe. Was ist nun diese agape, was zeichnet sie aus? Die Definition finden wir bei Paulus im 1. Brief an die Gemeinde in Korinth Kap. 13: "Die Liebe Gottes ist langmütig und freundlich, sie eifert nicht, trägt das Böse nicht nach, ... ". agape ist nicht die selbstbezogene narzistische Liebe, wo sich der Einzelne zum Dreh- und Angelpunkt macht. Es geht um die Liebe, die den anderen mit seinen Bedürfnissen und in seiner Bedürftigkeit wahrnimmt und sich für ihn hingibt1. Diese Liebe wird uns geschenkt, ist Teil der Frucht, die Gottes Geist in unserem Leben wirkt und reifen lässt (Gal 5,22). Und je mehr sich Gottes Geist in meinem Leben entfalten kann, wird diese Liebe im selben Maße zur Geltung kommen. Damit ist klar, dass es bei dieser Liebe nicht um's machen geht, sondern ums beschenkt werden und weiterverschenken. Ich versuche ein Bespiel:

"Liebst du mich?" - diese Frage stellt Jesus nach seiner Auferstehung dem Petrus. Eine ungewöhnliche Frage zwischen zwei Männern. Ungewöhnlich vermutlich deswegen, weil wir wieder diese erotische Liebe vermuten. Jesus fragt den Petrus agapas me, "Liebst du mich?", spricht ihn also auf die besondere Liebe an, die insbesondere das Verhältnis von Gott zu uns Menschen beschreibt. Diese ungewöhnliche Frage bringt zum Ausdruck, worum es Jesus im Kern geht: um die innerste Beziehung zwischen diesen beiden Männern. Und diese Beziehung gilt es wieder in Ordnung zu bringen, Jesus will die Tür wieder öffnen die in jener Nacht zugeschlagen ist.

Jesus will eine Standortbestimmung vornehmen, will klären, wo Petrus steht, wie es jetzt bei und in ihm aussieht, nach allem was vorgefallen ist und sie erlebt haben. Dieses "Liebst du mich" macht deutlich, dass es Jesus um mehr geht, als schnell mal auf einem Berg drei Hütten zu bauen weil man gerade gut drauf ist und ein tolles Erlebnis hatte. Jesus will dem Tatenmensch Petrus verdeutlichen was Nachfolge bedeutet. Petrus, der in seinem Eifer und Tatendrang kaum zu bremsen war, und dabei die schmerzlich Erfahrung machen musste, dass er seinen eigenen Ansprüchen nicht gerecht werden konnte muss lernen, dass es nicht auf seinen Aktionismus ankommt, sondern auf seine Beziehung zu Jesus, darauf dass er ganz eingebunden ist in die Gemeinschaft mit ihm. In der Nachfolge Jesu geht es nicht ums machen, ums leisten, das müssen auch wir lernen!

Nachfolge heißt zuerst, sich hineinnehmen zu lassen in die Gemeinschaft mit Jesus, sich von seiner Liebe, von seiner agape füllen und von ihm prägen zu lassen. Greifbar, spürbar wird dies für mich insbesondere dann, wenn wir Abendmahl feiern, also auch nachher in diesem Gottesdienst. Dann kommt Gott in seiner Liebe zu uns, ganz persönlich hinein in unser, in ihr und mein Leben.

Bei dieser Liebe geht es auch nicht in erster Linie um ein Gefühl sondern um Hinwendung und Hingabe. Dies wird dadurch ausgedrückt, dass wir mit all dem was uns als Menschen ausmacht lieben sollen: mit unserem Herzen, dem Beziehungsorgan zu Gott, mit unserer Seele, dem, was ich als Mensch bin (1Mos 2,7) und unserem Verstand, Denkvermögen. Das Gefühl, die splagna, Eingeweide, wird nicht erwähnt. Beim Liebesgebot geht es um dieses Wechselspiel des sich hinwendens und gefüllt werden und von dieser "Fülle" dann wieder weiterzugeben.

"Du hast recht geredet." so das Resümee Jesu. Jetzt wäre eigentlich alles "gschwätzt", die Frage beantwortet und die Handlungsanweisung gegeben. Der Schriftgelehrte und alle die das Gespräch mitbekommen haben, also auch wir, wissen, woran sie sind. Jetzt wäre alles klar und wir könnten zur Tat schreiten, ja wenn da nicht ...

die Geschichte noch nicht zu Ende zu Ende wäre. Wissen Sie wie es weiter geht?

- Text lesen: Lukas 10, 29-37 -

Der Frager in unserem Bericht ist wohl ge- und vor allem betroffen. Er erkennt, dass Jesus in Durchschaut hat und auf das eigentliche Problem gestoßen ist. Und typisch, nicht nur für ihn sondern auch für uns, zumindest für mich: Getroffene Hunde bellen, und da Menschen nicht bellen reagieren sie anders: sie problematisieren und diskutieren. Und wenn wir das erst mal richtig getan haben, dann ist eh alles viel komplizierter als man denkt. Er, wir wollen lieber stehen bleiben wo wir schon sind. Wir diskutieren viel um wenig zu tun. Aber nicht mit Jesus. Jesus will nicht, dass wir stehen bleiben, ER will mit uns weitergehen und weiterkommen.

So einfach will unser Schriftgelehrter nicht klein bei geben. Das wäre doch zu banal und banal ist all das, was ich, wir kennen aber nicht anwenden und umsetzten.2

In dem Versuch, seine Haut zu retten stellt er Jesu eine Gegenfrage: Wer ist denn mein Nächster, derjenige, dem meine Liebe gelten soll? Aber diese Frage bleibt unbeantwortet, statt dessen erzählt Jesus eine Geschichte. Eine Geschichte die vom kommen, sehen und gehen erzählt. Dreimal kommen Menschen und sehen einen, der Hilfe braucht. Zweimal wird vorübergegangen, obwohl wir erwartet hätten, dass diese zwei hingehen, so wie sie uns beschrieben werden - ein Pfarrer und ein kirchlicher Angestellter. Aber ein Dritter geht auch - nicht vorbei sondern hin, einer von dem es nicht zu erwarten war. Trotzdem wird die Frage, wer denn mein Nächster ist, nicht beantwortet! Statt dessen mündet diese Geschichte in der Frage Jesu: Wer ist den dem, der unter die Räuber fiel, der Hilfe braucht, zum Nächsten geworden? Es geht nicht darum, wen ich als meinen Nächsten definiere, zu meinem Nächsten mache, sondern wem ich zum Nächsten werde. Dem, dem ich mich zuwende, von dieser mir geschenkten Liebe weitergebe. Der Nächste ist "irgendein Mensch", so heißt es wörtlich in unserer Geschichte, dem ich zuhören kann, dem ich helfen kann im Großen wie im Kleinen, für den ich da bin.

Jesus fordert unseren Schriftgelehrten einfach auf, das zu tun, was er erkannt und bekannt hat. Bezeichnend ist für mich noch, dass die Nächstenliebe nicht an die Gottesliebe gebunden ist, sondern an die Selbstliebe. Das erinnert mich an die sogenannte "goldene Regel": "Alles nun, was ihr wollt, dass euch die Menschen tun sollen, das tut ihr ihnen auch!" (Mt, 7,12; Lk 6,31). Damit wird es greifbarer und praktischer und wird nicht abgehoben in theoretische Überlegungen. Ich denke es ist uns allgemein hin klar, was wir für uns wünschen und für uns wollen.

Schluss

Welche Fragen stellen wir uns und sind es die richtigen Fragen? Bleiben wir bei den vorletzten Dingen stehen oder dringen wir durch zum Letzten. Ist die Frage nach dem Himmelreich und dem ewigen Leben noch eine für uns zentrale oder wird sie vom Vorletzten überlagert?

Heute haben wir gehört was zu tun ist, wenn uns dies wichtig ist: Wir sollen Gott lieben und unseren Nächsten. Das heißt dass wir, sie und ich, uns hineinnehmen lassen in die Liebe Jesu und uns von IHM mitnehmen und füllen lassen und wir dann von dem, was er uns gegeben hat, auch heute in diesem Gottesdienst, anderen weitergeben.

Amen.

- Es gilt das gesprochene Wort! -

Diese Predigt wurde verfasst von:
Karl-Heinz Rudishauser
Obertüllingen 107
79539 Lörrach-Tüllingen
07621/9153229
eMail: karl-heinz.rudishauser(a)t-online.de
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