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Predigt über Lukas 10, 38 - 42

am 6.3.2011
Sonntag Estomihi

Ort:
Staufen


Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Gemeinde!

Einleitung

Vor ein paar Wochen besuchte ich mit unserem Betriebsarzt und dem Sicherheitsingenieur unsere Außenstelle im Schloß Beuggen. Beide waren, zu meinem Erstaunen, noch nie in Beuggen gewesen. So gab es eine kurze Einführung in die Geschichte und einen Blick auf das Eingangsportal des Schlosses. Hoch hoben ist eine Uhr eingelassen und darüber prangt ein Satz in lateinischer Sprache: "Una horam ultima." - eine dieser Stunden ist (deine) Letzte. Eindrücklich - der Blick auf die Armband- oder Küchenuhr zeigt uns nicht nur die Stunde an, sondern erinnert uns auch daran, dass Zeit vergänglich und mithin ein kostbares, sehr kostbares Gut ist. Und gestehen sie mir den Einwand: vielleicht wird dies durch manch moderne "Zeitanzeiger", Uhren nicht mehr zum Ausdruck gebracht, dann, wenn die Zeit nur noch in Zahlen abgebildet wird und nicht mehr auf einem Ziffernblatt. Gänzlich anders war dies, als es nur Stundengläser gab und man sehen konnte, wie einem die Zeit förmlich durch die Finger rann.

Zeit ist kostbar und so stellt sich nahezu zwingend die Frage, wie gehen wir mit unserer Zeit um, wofür "geben wir sie aus"? Was machen wir damit? Wem oder was stellen wir sie zur Verfügung? Was sind die Prioritäten unseres, ihres und meines Lebens?

Dies waren die Fragen die mir durch den Kopf gingen, als ich anfing, mich mit dem heutigen Predigttext auseinander zu setzen.

- Text lesen: Lukas 10, 38-42 -

Als ich begann mir Gedanken über diese Verse zu machen, war ich für ein paar Tage auf dem Hohrodberg bei "den Schwestern". Diese haben es sich zur Aufgabe gemacht, den Menschen, die zu ihnen auf den Berg in die Stille kommen, zu dienen. Sie dienen ihnen am Tisch, sorgen für das leibliche Wohl, aber sie dienen ihnen auch an der Seele, an ihrem Mensch-sein in der Beziehung zu Gott. Sie geben sich ganz diesem Dienst hin und haben für ihren Weg der Nachfolge die Mutterhausdiakonie gewählt. Darin findet ihr Glaube seinen Ausdruck. Die Schwestern stehen ganz und gar im Dienst für Gott und den Menschen. So haben sie ihre Prioritäten gesetzt, dafür nutzen sie ihre Zeit, ihre Lebenszeit.

In unseren Versen begegnen wir zwei Frauen und erleben, wie sie ihren Glauben leben und ausdrücken. Auf ganz unterschiedliche Weise und ich finde es spannend, einmal einen Blick darauf zu werfen.

1. Marta und der Herd - eine vita aktiva

Jesus ist auf dem Weg nach Jerusalem (Kap 9,51). Und nun wird berichtet, dass Jesus in ein Dorf kam. Zunächst meint man, es handele sich um irgendein Dorf, so wie es viele auf dem Weg nach Jerusalem gab. Beim weiterlesen entdecken wir im Zusammenhang der Evangelien, dass es sich aber nicht um irgendein Dorf handelte, sondern um Betanien. Im Lukasevangelium erfahren wir nichts darüber, Johannes jedoch weiß in seinem Evangelium von einem ganz besonderen Ereignis in diesem Ort zu berichten: Jesus hat in diesem Dorf den Lazarus von den Toten auferweckt. Lazarus war der Bruder von Marta und Maria. Eine ergreifende Geschichte. Jesus machte deutlich, dass er die Grenzen unseres Lebens überwinden kann. Und dies wird einst an uns allen offenbar, daran gilt es im hier und heute unserer jetzigen Lebenssituationen festzuhalten, auch wenn diese uns anderes weis machen wollen.

Weil Marta in die Küche ging - oder bei Johannes Jesus bei Tisch diente - um ihren Gast zu bewirten wurde sie in der Kirchengeschichte auf Küche und Herd festgelegt, wurde sie die Patronin der Hausfrauen und Köche und später auch noch der Krankenpfleger. Für viele verkörpert sie das typische Frauenbild, nicht nur der Antike sondern auch unserer Tage.

Für Lukas passte sie jedoch eher in das Bild der hellenistischen reichen Frau von gehobener gesellschaftlicher Stellung, die aus ihrem Privatbesitz auch soziale Projekte förderte. Das wird an mehreren Stellen deutlich.

Schon zu Beginn unserer Erzählung ist es Marta, die die Initiative ergreift und Jesus bei sich aufnimmt. Eine Ungeheuerlichkeit in jenen Tagen. Es schickte sich nicht, dass eine Frau einfach Männer einlädt. Marta lässt sich nicht so einfach auf Küche und Herd reduzieren. Sie ist eine vermögende Frau, Herrin des Hauses und frei genug, dass sie einen fremden Mann nach eigenem Belieben bei sich aufnehmen kann. Trotzdem weiß sie sich der orientalischen Sitte verpflichtet den Gast fürsorglich und nobel zu bewirten. Marta möchte dieser Verantwortung gerecht werden und ihre Aufgabe gut, vielleicht auch perfekt, erfüllen.

Auch in der von Johannes überlieferten Bericht von Lazarus war es Marta, die, als sie vom Kommen Jesu hörte das Haus verließ und ihm entgegeneilte. Für sie war klar: Wäre Jesus hier gewesen, ihr Bruder wäre nicht gestorben. Und in jener Situation war sie es, die Jesus als den Christus bekannte: " Du bist Christus, der Sohn Gottes, der in die Welt gekommen ist." (Joh 11,27).

Halten wir fest: Marta war alles andere als das Heimchen am Herd und vor allem lebte sie ihren Glauben an Jesus und bekannte sich zu ihm. Dafür brach sie auch mit den damals geltenden Regeln. Sie lebt ihren Glauben und drückt ihn auf ihre ganz eigene Weise aus indem sie den Gästen diente.

2. Maria und das "bessere Teil" - eine vita contemplativa

Auf den ersten Blick kommt Maria besser weg. Sie wird als diejenige beschrieben, die das "bessere Teil" erwählt hat, wohingegen Marta um vieles besorgt und beunruhigt ist. Marta setzt alle Hebel in Bewegung um die vermutlich große Zahl an Gästen gut zu bewirten und ihnen das nötige nach einer langen Reise angedeihen zu lassen. Während Marta im Dunst der Küchendämpfe steht wendet sich Maria ganz Jesus zu und setzt sich zu seinen Füßen. Ein typisches Verhalten für einen Jünger der damaligen Zeit, nicht aber für eine Frau. Und schon gar nicht wurden Frauen unterrichtet.

In Joh 12, 1-8 wird berichtet, wie Jesus nach der Auferweckung des Lazarus im Haus der beiden Schwestern war. Auch hier war es Maria die sich anders als Marta verhielt. Während letztere sich den praktischen Tätigkeiten widmete und "diente" nahm Maria ein Fläschchen mit Öl (vermutlich 325 g) und "goss es Jesu über die Füße" - oder etwas vornehmer "salbte Jesus damit die Füße". Die Beweggründe werden uns nicht genannt, gehen uns vermutlich auch nichts an und doch spekuliere ich: Vielleicht bringt sie wie auch in unserer heutigen Geschichte ihre Dankbarkeit zum Ausdruck, dass Jesus Lazarus aus den Toten auferweckt hat.

Während sich in unserem heutigen Bericht Marta über ihre Schwester beschwert, ist es in jenem Bericht von Johannes ein Jünger der sich beschwert: "Warum wurde dieses Öl nicht für 300 Silberstücke verkauft und das Geld den Armen gegeben?" Auch da wird der Hingabe der Maria eine soziale Tat gegenübergestellt.

Auch in dem Bericht von Johannes betont Jesus, dass es in dieser speziellen Situation auf IHN ankommt und es "Arme immer geben wird". Eine ähnliche Antwort wie gegenüber Marta. Prüft, was jetzt dran ist. Wir können sicherlich davon ausgehen, dass Maria unter "normalen" Umständen ihrer Schwester zur Hand gegangen ist. Unter normalen Umständen, aber nicht dann, als Jesus im Haus war. Sie hat die Stunde des Heils erkannt und sich zu Jesu Füssen gesetzt und sich ganz dem hören und vielleicht auch Fragen gewidmet. Es ist nur zu erahnen, dass Maria irgendwie spürt, dass etwas besonderes in der Luft liegt - das berührt.

3. Marta und Maria - vita "contemaktiva" oder die zwei Seiten einer Medaille

Es liegt nahe, aus der Vielzahl der Typenlehren hier eine "Lehre" von Glaubenstypen abzuleiten. Ich bin davon überzeugt, dass unser Charakter, unser Typ und damit auch unsere Prägung wesentlichen Anteil darauf nehmen, wie wir unseren Glaube leben, wie wir ihn entfalten. Irgendwie erinnern mich und vielleicht auch sie diese zwei Frauen an die evangelische bzw. katholische Ausprägung christlichen Glaubens und Theologie. Und ist es nicht "typisch Frau", sich eher auf die inneren Werte zu konzentrieren und diese einzubringen, auch in das Leben der Gemeinde. Sind uns - Männern - nicht jene Frauen äußerst suspekt, die zu aktiv und selbstbewusst auftreten, zu Hause, im Beruf und auch in der Gemeinde?

Wenn man diesen Bericht hört oder ihn liest und unreflektiert lässt, dann zwingt sich schier der Eindruck auf: Punktsieg für Maria. Und seien wir mal ehrlich und Hand aufs Herz: Geht es ihnen nicht wie mir, dass wir als evangelische davon geprägt sind, dass die "contemplativen", die nach innen gekehrten, die hörenden und bibellesenden die besseren Christen sind? Und blicken wir nicht mit einer gewissen "Selbstgefälligkeit" auf katholische Christen, die sich ihr Seelenheil erst noch im Fegefeuer wirklich verdienen müssen? Aber so einfach ist es nicht, wie meistens im Leben.

Der Bericht von Marta und Maria folgt unmittelbar auf eine andere, uns wohlbekannten Erzählung: In den Versen 25 bis 37 hören wir die Geschichte vom barmherzigen Samariter. Und sind die Sympathien da nicht ganz anders verteilt? Wird da nicht deutlich, dass es in unserem Umgang mit dem Nächsten auf die Tat ankommt, dem geholfen wird, der in Not geraten ist. Werden nicht gerade diejenigen an ihre Verantwortung gegenüber dem Nächsten erinnert, die gerade vom "hören", möglicherweise gerade aus dem Gottesdienst kommen, der Levit und der Priester? Auch die Aussage Jesu in Mt 25,40 "Was ihr einem dieser meinen geringsten Brüdern getan habt, das habt ihr mir getan." unterstreicht, dass Jesus in keiner Weise die Tat geringschätzt. Auf die Ausführungen im Jakobusbrief zu diesem Thema sei an dieser Stelle nur hingewiesen.

Schluss

Was bleibt? Wir müssen diese Aussage im Zusammenhang des gesamten Neuen Testaments sehen und dabei wird deutlich: Es geht nicht darum das eine gegen das andere auszuspielen, Maria gegen Marta, denjenigen der zupackt gegen den, der in die Stille geht und auf Gottes Reden hört. In KEINER Weise findet eine Wertung der Ausdrucksformen des Glaubens statt. Vielmehr werden wir daran erinnert zu prüfen, unsere Zeit, ihre und meine, für das richtige zu nutzen, die Stunde des Heils zu erkennen.

In und durch diese beiden Frauen und ihre je eigene Art wie sie ihre Beziehung und Glauben zu Jesus leben und ausdrücken, wird deutlich: Es gibt kein festes Schema, wie sich unser Glaube ausdrücken sollte oder muss. Jesu hatte beide Frauen lieb. Wie wir unseren Glauben leben hängt von vielem ab und manchmal ist es an uns, über den eigene Schatten zu springen und voneinander zu lernen. Das ist das große Plus von Gemeinde: wir ergänzen uns und erst in der Vielfalt ergeben wir ein Ganzes!

Vermutlich vielen bekannte Aussage von dem Friedrich Christoph Öttinger: "Gott gebe mir die Gelassenheit, die Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann. Er gebe mir den Mut, die Dinge zu ändern, die ich ändern kann. Und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden." Es geht darum, die Stunde unseres Heils zu erkennen.

Das gilt auch für Marta und Maria und für uns, sie und mich.

Amen.

- Es gilt das gesprochene Wort! -

Diese Predigt wurde verfasst von:
Karl-Heinz Rudishauser
Obertüllingen 107
79539 Lörrach-Tüllingen
07621/9153229
eMail: karl-heinz.rudishauser(a)t-online.de
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