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Predigten

Predigt über Lukasevangelium 12,35-40

am 31.12.1996
Altjahrsabend

Ort: Staufen/Münstertal


Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.

Liebe Schwestern und Brüder

Einleitung

Kennen sie das kalendarische Niemandsland? Mit dem heutigen Tag geht es zu Ende, die sogenannte Zeit zwischen den Jahren. Und irgendwie hat sie etwas für sich, diese Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr. Weihnachten hat noch seine Spuren und Eindrücke hinterlassen - und das nicht nur der Kalorien wegen, die wir in reichlicher Zahl zu uns genommen haben. Sondern vielleicht vielmehr wegen einer geistlichen Erfahrung, die wir in den zurückliegenden Tagen gemacht haben, und wir für uns persönlich Weihnachten neu entdeckt haben.

Eine besondere Zeit aber auch wegen des vor uns liegenden neuen Jahres, von dem wir noch kaum etwas wissen. Diese Tage sind davon geprägt, Rück- und Ausblicke zu halten. In Rundfunk und Fernsehen, in den Zeitungen, überall lesen und hören wir davon. Vielleicht halten sie es auch so, daß sie an diesem Abend ihre Erwartungen für das kommende Jahr betrachten. Was wird mich im kommenden Jahr erwarten, was wird es bringen, das Jahr 1997 - für mich persönlich, für unser Land und diese Welt? Da vermischen sich möglicherweise die Sorge um den Arbeitsplatz mit der Vorfreude auf die Erfüllung eines langgehegten Wunsches. Oder sie nutzen die Zeit und halten Rückblick - schauen, was sich im vergangenen Jahr von dem erfüllt hat, was sie sich vorgestellt und erwartet haben.

So eine Zeit finde ich ausgesprochen lohnend. Denn es ist immer wieder wichtig, sich Zeit zu nehmen um eine Positionsbestimmung vorzunehmen - und wann sonst im Jahreslauf tun wir das? Wir erkennen und betrachten einerseits die Dinge, die wir abhaken und beiseite legen können. Andererseits rückt das wieder vor Augen und wird uns neu wichtig, an dem wir weiter dran bleiben müssen. Für eine solche Positionsbestimmung brauchen wir brauchen manchmal Erinnerungshilfen, Merkzeichen, die uns daran erinnern, Dinge nicht aus den Augen zu verlieren und sie nicht frühzeitig beiseite zu legen.

Der Predigttext an diesem Silvesterabend ist für mich so ein Merkzeichen, durch das ich daran erinnert werde, ein wichtiges Thema nicht aus den Augen zu verlieren.

- Text lesen: Lk 12,35-40

Ich weiß nun nicht, was sie beim hören oder mitlesen dieser Verse empfunden haben. Vielleicht haben sie für diesen Gottesdienst einen ganz anderen Predigttext erwartet. Etwas mehr besinnlicheres, etwas, bei dem man sich zurücklehnen und das Jahr getrost ausklingen lassen kann. Aber da sind wir ja genau in der Situation und beim Thema dieser Verse. Genau darum geht es. Die Wiederkunft Jesu ist so eine Sache, die wir leicht aus den Augen verlieren und als erledigt abhaken möchten. Das kann doch uns nicht betreffen, warum soll Er ausgerechnet jetzt kommen. Jesus betont in seiner Rede an die Jünger, daß er zu einer Stunde kommen wird, da wir es nicht für möglich halten. Das heißt, er wird genau dann kommen, wenn es keiner erwartet. Haben sie das gehört? Können sie dann noch ruhig auf ihren Stühlen sitzen bleiben? Denn wer sagt ihnen und mir, daß es nicht heute soweit ist?

Ich halte es für wichtig und angebracht, daß wir uns darüber Gedanken machen und es als Anstoß mit in das neue Jahr nehmen, daß Jesus wiederkommen wird. Es geht darum, daß wir bereit sind, auf den wiederkommenden Herrn zu warten. Zwei Ausrufezeichen sind es, die uns an diesem Jahresende durch diese Verse gesetzt werden. Ausrufezeichen die uns einladen, inne zu halten und eine Positionsbestimmung vorzunehmen:

1. Nur nichts überstürzen,
2. aber trotzdem immer bereit sein, Jesus zu begegnen.

Zum ersten

1. Nur nichts überstürzen

Die Wiederkunft Jesu beschäftigt die Christenheit in Wellenbewegungen. Da gab und gibt es Zeiten, da lassen wir dieses Thema ganz außen vor und zu anderen Zeiten steht es, oft bedingt duch äußere Umstände, im Brennpunkt unseres Interesses. So haben in der Geschichte Menschen immer wieder die Wiederkunft Jesu vorausgesagt. Da wurde plötzlich klar, daß dies ja eine Sache ist, die noch vor uns liegt und die möglicherweise uns treffen kann. So auch vor einigen Jahren in Südkorea. Von einer kleinen christlichen Kirche in Seoul ging es aus: die Gewißheit, Jesus würde am 28.10 1992 wiederkommen und die Welt wird untergehen. Andere Kirchen wurden von dieser Botschaft erreicht und Anfang Oktober 1992 zählte die Bewegung bereits über 100.000 Anhänger. In der Öffentlichkeit wurde immer wieder auf die Zeichen des nahen Weltendes hingewiesen: Erdbeben, Aids, Hungersnöte, Kriege und andere Katastrophen. Eine Frau nahm sich das Leben, weil sie keine Perspektive mehr für sich sah. Man erwartete weitere Selbstmorde und eine Massenhysterie.

Ein Jahr später: die befürchtete Selbstmordwelle blieb aus, ebenso die Massenhysterie. Jesus ist nicht wiedergekommen, sonst hätten wir das hier in Deutschland auch mitbekommen. Auch wenn die Zeichen der Zeit auf Sturm stehen, sich vieles von dem bereits zugetragen hat oder zuträgt, worauf Jesus hingewiesen hat, ist es uns doch verwehrt, dadurch Rückschlüsse derart zu ziehen, daß wir Tag und Stunde seiner Wiederkunft bestimmen können. Diese Spekulationen stoßen meist ins Lehre und haben sich noch nie erfüllt.

In seiner Rede warnt Jesus uns vor einer drängerischen und ungeduldigen Naherwartung. Vielmehr erhalten wir in den Hinweis, daß sich die Zeit seiner Wiederkunft hinziehen kann. Wir sollen uns auf eine längere Wartezeit einrichten.

Zurück nach Seoul. Wie gesagt, die Prophezeihung hat sich nicht erfüllt und bei vielen war die Enttäuschung groß. Aber etwas anderes hat die Prophezeihung ausgelöst: Seither wagte niemand mehr von der Wiederkunft Jesu zu reden. Dieses Thema wurde der Lächerlichkeit preisgegeben und es wird nicht mehr ernst genommen. Statt dessen lebt man/frau wieder seiner Tage fröhlich und unbesorgt. Das ist dann das andere Extrem zu meinen, die Wiederkunft Jesu betrifft uns nicht, wir brauchen uns dafür nicht bereit zu halten. Dagegen stellt Jesus sein zweites Ausrufezeichen:

2. Aber trotzdem bereit sein, Jesus zu begegnen

Dazu, bereit zu sein Jesus zu begegnen und seine Wiederkunft zu erwarten, werden wir im zweiten Teil dieses Gleichnisse aufgefordert. Das ist es, was Jesus seinen Jüngern und uns am Ende dieses Jahres mit auf den Weg gibt. Leute, sagt er, haltet euch bereit. Achtet auf das, was um euch herum vorgeht. Nehmt die Zeichen der Zeit wahr aber seit vor allem darauf vorbereitet, daß ich wiederkomme.

Und wenn Jesus wiederkommt, dann wird das überraschend sein. Das wird dann nicht in den Medien angekündigt und im Internet abrufbar sein. Wenn Jesus kommt, dann ist das überraschend. Und trotzdem können und sollen wir uns darauf einstellen.

Wie das aussehen kann, möchte ich an einem Beispiel verdeutlichen. Vielleicht kennen auch sie Menschen, deren Beruf es erfordert, daß sie hin und wieder Bereitschaftsdienst leisten müssen. Man erkennt sie meist daran, daß sie einem Piepser, den sie bei sich tragen und über den sie im Ernstfall erreichbar sind und alarmiert werden können. Nun ist es nicht so, daß diese Menschen ständig zu Hause neben dem Telefon sitzen und warten bis sie gerufen werden. Sie können weiter ihren Beschäftigungen nachgehen, einkaufen, Hobbies, sich mit Freunden treffen und anderes. Aber mit der Einschränkung, daß sie erreichbar sind und all diese Dinge sie nicht davon abhalten, jederzeit und schnell zum Dienst zu kommen. So sind auch Christen Menschen, die im Bereitschaftsdienst leben sollen. Das bedeutet nun nicht, daß sie dasitzen und warten und nichts tun, oder nur in der Kirche sitzen und sich ausschließlich in frommer Gesellschaft bewegen. Vielmehr drückt sich diese Bereitschaft in unserem alltäglichen Leben aus, daß wir immer wieder die Gegenwart unseres Gottes und die Gemeinschaft seines Sohnes suchen. Daß es uns ein Bedürfnis ist nach dem zu fragen, was Gott für uns bereit hält.

Wer Nachtwachen kennt der weiß auch, daß es da immer wieder Krisenpunkte gibt, Situationen, in denen die Gefahr besteht, einzuschlafen. Aber da gibt es Hilfsmitel, mit denen man solche Durchhänger überbrücken kann: Kaffee, Bewegung und ähnliches. Auch als Christen stehen wir in der Gefahr müde zu werden, aber auch hier gibt es Hilfsmittel: die Gemeinschaft mit anderen Christen und der Austausch mit ihnen, die Bibellese und das Gebet oder einfach ein gutes Buch, durch das wir zu neuen geistlichen Impulsen kommen.

Auf die Wiederkunft Jesu zu warten heißt letztlich auch, sich auf die Begegnung mit Jesus vorzubereiten. Das bedeutet, mein Leben so zu gestalten, sich die Ziele so zu stecken - auch für das kommende Jahr -, daß diese Begegnung stattfinden kann.

Wenn wir so vorbereitet sind, werden wir zwar trotzdem noch überrascht sein, wenn wir Jesus begegnen. Aber es wird dennoch ein Moment sein, wo wir uns freuen, weil sich das erfüllt, worauf wir letztlich ein Leben lang gewartet haben. Warten sie eigentlich noch auf Jesus?

Schluß

Habe ich sie jetzt aus ihrer besinnlichen Silvesterstimmung aufgeweckt? Wenn ja, dann haben sich meine Erwartungen für diesen Gottesdienst erfüllt. Dann wünsche ich denen, die jetzt hellwach geworden sind, den Mut und die Kraft, im kommenden Jahr Schritte zu tun, um für die Wiederkunft Jesu bereit zu sein. Allen anderen wünsche ich, daß sie nicht verpassen, wenn der Piepser runtergeht! Amen.

- Es gilt das gesprochene Wort! -

Diese Predigt wurde verfasst von:
Karl-Heinz Rudishauser
Belchenring 20
D-79219 Staufen
07633/500781
eMail: karl-heinz.rudishauser@t-online.de
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