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Predigt über Lukas 16,19-31

am 22.06.2003
1. Sonntag n. Trinitatis

Ort: Sontheim-Brenz


Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Gemeinde!

Einleitung

Im Südschwarzwald gibt es eine Region die Hotzenwald genannt wird. Es ist eine landschaftlich sehr schöne aber zugleich auch sehr ländlich geprägte Gegend, die den südlichen Ausläufer des Schwarzwaldes hin zum Hochrhein bildet. Allerdings sagt man den Bewohnern dieses Landstriches nach, sie seien etwas verschroben, kautzig und nicht immer auf der Höhe der Dinge. Und wenn man dort unterwegs ist und frägt, wo denn der Hotzenwald beginnt, man zur Antwort bekommt: "Im nächsten Dorf!"

An diese Floskel mußte ich denken, als ich über den heutigen Predigttext nachgedacht habe. Denn das Thema, das darin zur Sprache kommt, verleitet nach meinem dafürhalten zu einer ähnlichen Reaktion wenn man danach gefragt wird: Reichtum. Ich habe persönlich noch niemanden getroffen, der von sich selbst behauptet hätte, er wäre reich, selbst wenn der Besitzstand zu einer solchen Einschätzung durchaus Anlaß gegeben hätte. Reich sind immer nur die anderen, nie ich selbst!

Früher gab es in unserer Gesellschaft drei Tabu-Themen. Nach dem Wegfall der Sexualität sind es noch zwei: Tod und Reichtum. Über Geld spricht man nicht und vielfach sind es die Besserverdiener, die sich daran halten und weniger die Geringverdiener. Darum gibt es in der Bundesrepublik zwar einen Armutsbericht, aber keinen "Reichenbericht". In der Bibel wird dieses Thema nicht tabuisiert. Da finden sich genügend Stellen, sowohl im Alten wie Neuen Testament, die sich damit auseinandersetzen und versuchen, Wegweisung und Hilfestellung zu geben. Zum Beispiel in den Versen aus dem 5. Mose die wir als Schriftlesung gehört haben (5.Mos 15,7ff). Oder in den Versen des heutigen Predigttextes:

- Text lesen: Lk 16, 19-31 -

Hilfestellung, Wegweisung? - zunächst erschrickt man, wenn man diese Verse und den Ausgang dieser Erzählung liest und hört. Man zuckt irgendwie innerlich zusammen und fühlt sich ertappt. Das kommt wohl daher, daß wir uns in unseren Lebensumständen, wenn auch nicht zwingend und im Detail, so doch eher mit dem Reichen vergleichen und weniger mit dem Lazarus. Keiner von uns liegt in der Gosse und muß um sein tägliches Brot betteln. Das ist, nur nebenbei bemerkt, in anderen Ländern anders. Aber alle würden wir wohl nach unserem Tod an den Ort kommen wollen, an dem sich Lazarus befindet - oder?

Gerade Jesus greift das Thema Reichtum immer wieder auf. So zum Beispiel in der Geschichte von der armen Witwe und dem Reichen (Lk 21,1ff) in der es darum geht, wie groß eine Opfergabe ist und woran sich diese bemißt. Oder bei der Frage, was ist zukunfts- bzw. ewigkeitstauglich wie in jenem Gleichnis vom reichen Kornbauern der seinen Besitz in Scheunen für die Zukunft lagert und der in der Nacht sterben wird. Für seine materielle Zukunft hat er vorgesorgt, aber hat er das auch für die Ewigkeit? Oder in den Mahnungen oder Weherufe an die Reichen, die den 10 Seligpreisungen bei Lukas folgen (Lk 6,24ff). Und es gäbe noch genügend andere anzuführen.

Über dieser Geschichte vom reichen Mann und dem armen Lazarus bin ich ins nachdenken gekommen. Ins nachdenken darüber, was Reichtum bedeutet, warum in der Bibel und gerade im Neuen Testament sehr kritische Töne angeschlagen werden und was daraus zu lernen ist.

1. Reichtum - was ist das?

Reichtum kann und ist sehr vielgestaltig und hat viele sprachliche Wurzeln und Bedeutungen. Und so werde ich auch im folgenden immer wieder verschiedene Begriffe benutzen, die ich aber letztlich immer synonym gebrauche. Sicherlich steht an erster Stelle Geld oder andere materielle Güter bei denen wir an Reichtum denken und bemessen. Aber Reichtum kann und hat durchaus auch eine immaterielle Komponente. Wir können reich sein an Fähigkeiten, Gaben, Zeit und anderem. So wird gerade auch geistliche Erkenntnis und eine Gottesbeziehung durchaus immer wieder als Schatz bezeichnet, der mich reich macht und nachdem ich sogar streben soll (Mt 6,20). Materieller Reichtum hingegen fällt mir eher zu, ist Segen (Spr 10,22), Antwort auf eine bestandene Prüfung (Hio 42,10) oder gilt als Ertrag meines Fleißes (Spr 12,27). Allerdings kann Reichtum auch das Ergebnis von Raffgier sein (Ps 73,12).

Reichtum bestimmt sich immer an der Verhältnismäßigkeit, damit meine ich, daß sich die Frage ob jemand reich ist meist nur im Vergleich mit anderen beantworten läßt. Zu wem gegenüber bin ich arm oder reich? Im Verhältnis zu einem einfachen Arbeiter wird sich der Abteilungsleiter sicherlich reich oder besitzend wähnen, nicht aber, wenn er sich mit einem Vorstandsvorsitzenden eines großen Konzerns vergleicht. Diese Verhältnismäßigkeit von Reichtum gilt nicht nur im privaten und persönlichen Vergleich, sondern vor allem auch im Vergleich einzelner Länder zueinander.

Wenn wir nochmals zu unserer Geschichte zurückkehren und sie uns vor Augen führen, so stellt sich möglicherweise sehr schnell der Eindruck ein, daß der Reiche wegen seines Reichtums an den Pranger gestellt wird bzw. in der Hölle schmoren muß. Aber dem ist nicht so! Denn Reichtum wird in der Bibel nicht grundsätzlich als etwas verwerfliches und von vornherein schlechtes angesehen. Reichtum ist auch kein Maßstab für Frömmigkeit und Armut kein Zeichen für eine besondere Verschuldung vor Gott (Spr 28,6). Aber das biblische Zeugnis ist auch eindeutig, daß Reichtum eine Gefahr darstellt (Spr 30,8.9). Jesus kritisiert nicht den Reichtum an und für sich, sondern das Verhalten des Reichen wofür er sein Geld ausgibt (teures Leinen) bzw. sein Nicht-Verhalten, sein Nicht-Tun! Denn dieser ignoriert den Lazarus der an seiner Tür sitzt, nimmt ihn gar nicht wahr. Und genau hier setzt die Kritik bzw. die Mahnung gegenüber den Reichen und denen, die es werden wollen, an.

2. Die Kritik am Reichtum

Reichtum, Geld, Besitz oder wie immer sie es nennen wollen nimmt Einfluß auf uns und verändert und prägt unser Leben. Es macht das Herz träge und hindert uns an der Nachfolge (Mt 19,23ff: Geschichte vom reichen Jüngling; vor die Wahl gestellt, sein Besitz oder Nachfolge, entscheidet er sich für den Besitz). Und so mahnt Jesus eindringlich und immer wieder, daß wir nicht zwei Herren dienen können, nicht Gott und dem Mammon (Mt 6,24). Denn da, wo unser Schatz ist, da wird auch unser Herz sein, daran hängen wir und das wird uns auch prägen. Diesem Umstand, oder sollte ich besser sagen dieser Wahrheit, sollten wir ins Auge sehen und nicht leichtfertig darüber hinweggehen und uns außen vor sehen.

Die Kritik an Besitz macht sich nicht daran fest, wieviel jemand besitzt, wie reich er ist sondern daran, welchen Einfluß sein Besitz auf das Christ sein und die Nachfolge nimmt. Die Freiheit eines Christenmenschen läßt sich auch daran erkennen, wie frei er von seinem Besitz ist. Wenn Jesus zum Verzicht von Reichtum auffordert, dann geht es ihm nicht in erster Linie darum, daß jemand alles hergibt was er hat, sondern er hinterfragt dessen Verhältnis zum Besitz. Wie sehr hängt sein Herz daran und welchen Stellenwert hat der Besitz in seinem Leben. Eine nahezu klassische Geschichte ist hierfür diejenige des Zöllners Zachäus. In der Begegnung mit Jesus verändert sich sein Leben und auch sein Verhältnis zu seinem Besitz. An keiner Stelle kommt dies darin zur Sprache oder wird Zachäus gar aufgefordert etwas abzugeben. Dies wächst bei ihm von selbst und er verzichtet freiwillig auf die Hälfte seines Vermögens. Oder denken sie im umgekehrten Fall an das Beispiel von der armen Witwe und dem Reichen: hier gibt der Reiche zwar viel, aber scheinbar hängt sein Herz immer noch zu sehr an seinem Reichtum.

Ich möchte an dieser Stelle noch auf ein anderes Problem hinweisen: es gibt, gerade in unserer Zeit und Gesellschaft auch einen "negativen Besitz", Schulden. Ein Großteil der privaten Haushalte in unserem Land sind verschuldet. Gewiß muß man da hinterfragen wie diese Verschuldung zustande kommt und begründet ist. Aber die Auswirkungen sind für mich vergleichbar. Auch Schulden binden mich, machen mich unfrei und beeinflußen meine Verhältnis zu Jesus und meine Nachfolge.

3. Was können wir aus dem lernen?

Aus dem bisher gesagten möchte ich nochmals festhalten: Reichtum ist nicht von vorneherein verwerflich oder abzulehnen. Reichtum ist auch nicht von vorneherein ein Zeichen besonderer Frömmigkeit wie auch Armut nicht als Indiz für Sünde gewertet werden kann. Derjenige, der etwas hat steht in besonderer Verantwortung, wie er mit seinem Besitz umgeht. Diesen Ansatz, den wir in der Bibel, gerade im Alten Testament finden, haben auch die Väter unseres Grundgesetzes übernommen (Art. 14). So bemißt sich die Bewertung von Reichtum zunächst nicht an der Menge sondern an meinem Verhältnis zu diesem und das bedeutet zu klären, welchen Einfluß Reichtum auf mich, meine Person und mein Leben, mein Denken und Handeln nimmt. Die Mahnung aus den heutigen Versen ist diejenige, mich zu überprüfen, ob ich noch den Blick habe für den, der nichts hat, der bedürftig ist und dem ich helfen könnte und so meine Verantwortung für ihn wahrnehme.

Gewiß gibt es genügend Stellen im Alten wie Neuen Testament in denen gefordert wird, seinen Besitz zu teilen. Aber ebenso wird in der Regel dem Besitzenden überlassen wieviel er von seinem Besitz abgibt und wohin. Auch wenn sich in christlichen Kreisen der sogenannte "Zehnte" eingebürgert hat, würde ich daraus nicht zwingend eine Richtschnur sehen und daraus auf keinen Fall ein Gesetz machen wollen. Für hilfreicher halte ich den Hinweis des Paulus, den er den Christen in der Gemeinde in Korinth gibt: "Einer jeder gebe was er vermag" (1. Kor 16,2). Paulus bringt damit zum Ausdruck, daß der Geber selbst bestimmen und festlegen soll was er geben kann und will, denn nur so werden wir ohne Verdruß gerne und fröhlich geben (s. 2. Kor 9,7).

Letztlich geht es beim Thema Reichtum und Umgang mit meinem Besitz immer wieder darum, meine Einstellung dazu zu überprüfen und zu hinterfragen, Konsequenzen zu ziehen und Verantwortung zu übernehmen. Gerade dann, wenn ich für meine und die Zukunft meiner Kinder Vorsorge treffe, was in der heutigen Zeit durchaus sinnvoll und wichtig ist. Hier gilt: wir sollen das eine durchaus tun - materielle Vorsorge treffen, das andere - was ist meine Hoffnung - jedoch nicht außen vor lassen. Darum geht es in dem bereits erwähnten Gleichnis vom Reichen Kornbauern ebenso wie in der Aufforderung, die Paulus seinem Freund und Mitarbeiter Timotheus gibt: "Den Reichen in dem gegenwärtigen Zeitlauf gebiete, nicht hochmütig zu sein, noch auf die Ungewißheit des Reichtums Hoffnung zu setzen - sondern auf Gott, der uns alles reichlich darreicht zum Genuß." (1.Tim 6,17).

Schluß

Die Frage nach Reichtum ist eine vielschichtige und komplexe Angelegenheit und so werden wir in der Bibel auch keine Spendentabellen und kein Regelwerk finden in dem detailliert geregelt ist, wie ich mit meinem Besitz umgehen soll. Vielmehr gibt sie Orientierungspunkte und setzt Grenzpfähle. Mir wird die Entscheidung und damit auch meine Verantwortung nicht abgenommen, sondern ich bin gefordert, mich dieser zu stellen. Ich bin überzeugt, daß ich nicht durch Aufforderungen oder Appelle lerne mit meinen Besitz umzugehen, sondern entscheidend dafür ist meine Gottesbeziehung. In dem Maße, wie ich mich an Jesus binde und mich von seinem Geist durchdringen und prägen lasse, wird sich auch mein Verhältnis zum Geld, Besitz und Reichtum ändern.

Und noch etwas scheint mir geboten zu sein: daß wir gemeinsam teilen und so das Tabu des Reichtums brechen. Als Gemeinde oder als Kreis oder Gruppe gemeinsam lernen, Geld, Zeit und anderes zu teilen und damit für andere nutzbar zu machen! So sind wir, sind sie und ich gefordert, auch in diesem Bereich unseres Lebens geistlich erwachsen und mündig zu werden und für mein Tun - oder auch nicht Tun - Verantwortung zu übernehmen.

Amen.

- Es gilt das gesprochene Wort! -

Diese Predigt wurde verfasst von:
Karl-Heinz Rudishauser
Altenheimstraße 23
89522 Heidenheim/Brenz
07321/910915
eMail: karl-heinz.rudishauser@t-online.de
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