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Predigt über Lukas 18, 1-8

am 10.11.2013
Drittletzter Sonntag

Ort:
Tüllingen


Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Gemeinde!

Einleitung

Ein kleines Experiment zu Beginn: Diejenigen unter ihnen, die eine Armbanduhr tragen möchte ich bitten, diese mit der anderen Hand zuzuhalten. Nun überlegen sie kurz, wie das Ziffernblatt ihrer Uhr gestaltet ist: sind da Punkte oder Striche drauf, arabische oder römische Ziffern, eine helles oder dunkles Ziffernblatt. Wenn sie fertig sind, sagen sie ihr Ergebnis ihrem Nachbarn, ihrer Nachbarin, die Uhr aber bitte noch zuhalten.

So hat es gestimmt? Schauen sie kurz nach und halten dann die Uhr wieder zu. Und, wussten sie wie das Ziffernblatt aussieht? Aber wer von ihnen hat, als er auf das Ziffernblatt geschaut hat auch die Uhrzeit gesehen und kann sie mir sagen?

Dieses kleine Experiment verdeutlicht uns eine Erkenntnis aus der Lernpsychologie: Erwartungen oder auch Interesse sind wichtige Filter unserer Wahrnehmung. Was uns interessiert oder was wir zu erwarten glauben, werden wir auch wahrnehmen. Und was unser Interesse nicht weckt, fällt durch das Raster, wie eben die Uhrzeit. Für die Konfirmandinnen und Konfirmanden ist dies im Blick auf die Schule und das Lernen bedeutsam. Nur was mich interessiert werde ich wahrnehmen und folglich auch gut lernen. Wenn mich Mathe oder Französisch nicht interessieren, werde ich mich mit dem Lernen schwer tun.

Unsere Gottesbeziehung(en) sind stark von unseren Erwartungen geprägt, von dem was wir von Gott gehört haben und was uns berichtet wurde, wie Gott ist. Diese Erwartungen nehmen Einfluss auf all das was wir mit und wie wir Gott erleben und zu erleben meinen.

Ein Teil dieser Gottesbeziehung ist das Gebet, ist unser Gebetsleben. Und dass es beim Beten um mehr als unsere liturgischen Gebete im Gottesdienst geht wird in folgenden Versen deutlich:

- Text lesen: Lukas 18, 1 - 8 -

Schon zu Beginn dieser Verse macht Jesus deutlich und stellt klar, worum es im Folgenden gehen wird: ums beten, genauer, ums anhaltende beten und darin nicht nachzulassen1. Als Anschauungsunterricht dient eine Witwe die mit ihrem Anliegen zu einem Richter kam. Um die Situation der Frau zu verstehen müssen wir uns vor Augen führen, dass Witwen in damaliger Zeit, ähnlich wie Waisen, recht- und damit weitestgehend auch schutzlos waren. Eine Frau bedurfte, um ihre Rechtsansprüche durchzusetzen die Fürsprache eines Mannes. Dass es aber auch anders gehen konnte, zeigt Jesus in diesem Gleichnis.

Die Frau scherte sich nicht um gesellschaftliche Konventionen sondern sah ihre Situation und nahm sich vor, ihren Rechtsanspruch durchzusetzen. Und dies tat sie beharrlich. Eine Zeit lang ging der Richter nicht darauf ein. Dieser Richter, der als ungerechter Richter (was für eine Widerspruch in sich) beschrieben wird, zeigt sich eine „Zeitlang“ von der Witwe und ihrer Bitte unbeeindruckt und ignoriert sie, macht so seinem Ruf alle Ehre. Dann aber gibt er nach. Aber nicht, weil er der Witwe Recht schaffen wollte, sondern weil er sich fürchtete dass sie ihm gegenüber handgreiflich wird. Die Pointe in diesem Gleichnis ist nicht wie üblich, die Parallele sondern die Differenz.2 Unser Gott und Vater ist so ganz anders als dieser Richter in unserem Gleichnis. Darum sollen wir uns in unserer Nachfolge, in unserer Beziehung zu Gott umso mehr an der Witwe orientieren, indem wir

* vertrauensvoll,

* erwartungsvoll,

* anhaltend beten

1. vertrauensvoll beten

Wie gesagt ist in diesem Gleichnis nicht die Parallele sondern die Differenz der Vergleichspunkt. Dieser Richter glich in seiner Amtsführung eher einem Despoten bei dem man nicht wissen konnte, ob er wirklich Recht sprechen würde. Aber es geht um den, der ganz anders ist als dieser Richter. Es geht um den, der nicht despotisch handelt, es geht um den lebendigen Gott, unseren Vater im Himmel. Zu diesem Gott, der so ganz anders ist als der Richter sollen und können wir uns vertrauensvoll wenden, weil wir ihm wichtig sind. Worin gründet sich diese Gewissheit? Die Antwort finden wir in Vers 7 unseres Gleichnisses: „ … sollte er das Recht seiner Auserwählten nicht ausführen.“ Wir kommen nicht als Fremde, als Recht- und Schutzlose, sondern als Gottes Auserwählte oder in der Sprache des Neuen Testaments als Gottes Kinder. Seinen Kindern wird Gott Recht schaffen oder anders ausgedrückt, Gott wird dafür sorgen dass unser Leben in seinem Sinne gelingen wird.

Darum kann unser Gebet vertrauensvoll sein. Darum können wir ihn in unserer Not anrufen (Ps 50,15), um nichts besorgt sein sondern in allem durch Gebet und Flehen mit Danksagung unsere Anliegen vor Gott kundtun (Phil 4,6). Das Vertrauen ist dabei nicht davon abhängig, ob immer all meine Bitten erfüllt werden. Beispiel meine Töchter: Mich erstaunt ein ums andere Mal, dass sie immer wieder mit denselben Wünschen auf ihren Geburtstagswunschlisten kommen. Sie lassen sich nicht davon beeindrucken, dass mancher Wunsch nicht erfüllt wurde. Sie tun dies, weil sie vertrauen haben, vertrauen darin, dass es ihre Eltern gut mit ihnen meinen, sie lieben und ihre Anliegen ernst nehmen, auch dann wenn sie sich nicht in jedem Fall erfüllen.

Paulus hat das einmal so ausgedrückt: „Wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Guten mitwirken, denen, die nach seinem Vorsatz berufen sind.“ (Rö 8,28). Dieses Bekenntnis ist ebenso tröstlich wie heikel, denn die Frage ist natürlich, was das Gute ist? Das Gute, damit verbinden wir meist unsere Vorstellungen von dem was uns wohltut, dass wir von Sorgen und Leidvollen verschont bleiben, wir sozusagen den Himmel auf Erden erleben. Unsere Vorstellungen von Gut sind davon geprägt, was wir als ungut, als Unheil empfinden3.

Im biblischen Sinn ist das Gute aber das, was uns mit Gott verbindet, letztlich Gott selbst. Er ist unser Heil, unsere Freude, unser Friede (Phil 4,7) in dem wir geborgen werden wenn wir uns an ihn wenden. Dieser Friede wird uns erfüllen, unabhängig davon, wie sich unsere äußeren oder inneren Gegebenheiten. Diesem Frieden und dieser Gottesliebe können wir immer wieder erfahren. In Gott haben wir das Heil.

Dass wir gehalten und getragen sind von der Liebe und Treue Gottes in allen, wirklich in allen Lebenslagen gehalten ist eine der zentralen Aussagen der Bibel. Paulus hat dies einmal so umschrieben: “Denn ich bin überzeugt, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, noch Mächte, weder Höhe noch Tiefe, noch irgendein anderes Geschöpf uns wird scheiden können von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn.“ (Rö 8,38f).

Darin gründet sich unser Vertrauen und ist eine Grundvoraussetzung für das Zweite: erwartungsvoll zu beten oder mit Gottes handeln rechnen.

2. erwartungsvoll beten oder mit Gottes Handeln rechnen

Anders als bei dem Richter in unserem Gleichnis können wir sicher sein, dass Gott uns und unsere Anliegen ernst nimmt und sich nicht verschließt. Warum? Weil wir Gottes Auserwählte, weil wir seine Kinder sind.

So sind mir auch hier meine Kinder immer wieder Vorbild. Sie beten ebenso vertrauens- wie auch erwartungsvoll. Sie sind überzeugt davon dass Gott ihr beten hört und sind offen wie Gott das tut. Wenn unsere Anliegen vor Gott kundwerden (Phil 4,6) dann geschieht nach Paulus folgendes „...der Friede Gottes, der allen Verstand übersteigt, wird eure Herzen und eure Gedanken bewahren in Christus Jesus.“(Phil 4,7). Zu diesem Bekenntnis steht Pauls obwohl auch er erfahren hat, dass, obwohl er inständig um Heilung gebeten hat, er von seinem Leiden aber nicht erlöst wurde. Er musste dieses Leiden weiter ertragen4. Aber er hat diesen Frieden erfahren. Wenn ich natürlich nur auf meine Interessen und Vorstellungen fixiert bin und nur das erwarte versperre ich mir den Blick auf Gottes Reden und Handeln. Dann nehme ich die Welt und mein Leben nur noch so wahr, als blickte ich durch ein enges Rohr. In mein Blickfeld rückt dann nur noch das, was unmittelbar vor der Öffnung am anderen Ende des Rohres zu sehen ist.

Gewiss erleben wir uns vielfach in dieser Welt als Bedrängte, haben die gleichen Nöte und Leiden wie diejenigen Zeitgenossen, die sich nicht um Gott kümmern und nichts nach ihm fragen. Und dennoch: Wir, sie und ich sind Gottes auserwählte Kinder und ich bin davon überzeugt, dass sich dies in unserem Leben zeigt. Ähnlich wie Paulus werden wir Frieden in unseren Herzen erlangen (Phil 4,7). Das bedrückende, das quälende an mancher schwierigen und leidvollen Situation verliert seinen Schrecken. Hier bin ich wieder bei meinem kleinen Experiment zu Beginn der Predigt. Es kommt darauf an, was wir von Gott erwarten, wie unsere Vorstellungen vom Glück sind.

Trotz aller Erfahrung gilt: Gott nimmt uns und unsere Anliegen ernst. Er lässt uns nicht hängen. In unserem Leben bewegen wir uns auf einem Zeitstrahl an dessen Ende unsere Vollendung steht, dann wenn kein Leid, kein Schmerz und kein Geschrei mehr sein wird sondern Löwe und Lamm beieinander wohnen werden, das Heil Gottes.5 Manches von diesem allen erfüllt sich quasi zeichenhaft schon auf diesem irdischen Zeitstrahl, vieles aber erst und damit durchaus auch leidvoll erst in der Vollendung.

3. anhaltend beten oder „Fallen ist keine Schande, aber liegenbleiben.“

Wie las ich in der Vorbereitung zu dieser Predigt: Nichts schläft so schnell ein wie ein Gebetskreis. Da fielen mir doch sofort die Jünger im Garten Gethsemane ein als Jesus betet und auch seine Jünger aufforderte zu beten, damit sie nicht in Versuchung fallen. Sie kenne den Ausgang: Als Jesus zurück kam waren die Jünger eingeschlafen. Da erinnere ich mich an unseren morgendlichen Gebetskreis um 6 Uhr in der Früh. Da gab es manchen Morgen an dem nicht nur ich mit dem Schlaf zu kämpfen hatte und manches tiefe Atmen Zeugnis davon gab, dass einmal mehr jemand eingeschlafen war.

Das hat etwas tröstliches weil es uns menschlich erscheint. Aber es sollte uns nicht beruhigen oder uns in Sicherheit wiegen und es sollte uns schon gar nicht mutlos machen und zu dem Schluss verleiten, es lohne sich nicht. Die gegenteilige Reaktion sollte die Folge sein: Jetzt erst recht! So wie die Witwe. Nein ich gebe nicht auf, ich lasse mich weder von einem ungerechten Richter abwimmeln noch von meiner Müdigkeit noch von meinen Erfahrungen abhalten. Und selbst meine Wortlosigkeit falls einmal der Gesprächsfaden zu Gotte abgerissen sein, ist kein Argument. Denn dann, so schreibt Paulus, ist es Gottes Geist der für uns eintritt und mit unaussprechlichem Seufzen betet (Rö 8,26).

Anhaltend meint nicht ununterbrochen sondern ausdauernd. Vor allem nach Niederlagen oder Rückschlägen oder Zweifeln den Faden besser gesagt den Kontakt zu Gott wieder aufnehmen. Machen wir uns nichts vor: Solche Momente werden kommen, wir leben noch nicht in der Vollkommenheit und es gibt ausreichend biblische Zeugnisse die uns dies belegen. Dort werden uns keine fehlerlosen und perfekte Nachfolger, sondern Menschen wie sie und ich vorgestellt. Eines war ihnen eigen: Sie gaben nie auf, hängten sich immer wieder an Jesus.

Schluss

Wenn wir übers Gebet und beten und damit letztlich über unser Leben als Christen nachdenken dann sind wir schnell bei dem Gedanken, ob unser Gebet erhört wird. Da prallen vielfach Gottes Verheißungen und unsere alltägliche Erfahrungen scheinbar frontal aufeinander. Wir erleben uns in einer Zerreißprobe, sind gefordert uns zu entscheiden ob dem wirklich so ist, dass uns alles zum Guten dient und mich nichts aus Gottes Hand reißen kann.

Ich stelle mich zu diesem Bekenntnis obwohl ich weiß und es wie die meisten von ihnen auch schon erlebt habe, dass ich in meinem Leben vielfach anders empfinde. Dass Gott doch nicht hört, er mich nicht wahrnimmt, mir leidvolles nicht erspart bleibt, Gottes Zusagen sich auf meinem Lebenszeitstrahl bisher nicht erfüllt haben, mich Zweifel plagen. Diese Gottverlassenheit hat ein Paulus (2Kor 12,7ff) ebenso erfahren wie Jesus als er am Kreuz geschrien hat: Mein Gott, mein Gott, warum hast mich verlassen. Es bleibt uns nicht erspart dass wir uns entscheiden wem wir mehr Bedeutung zumessen: unseren Lebenserfahrungen oder Gottes Zusagen im biblischen Zeugnis.

Stärk in mir den schwachen Glauben, so werden wir im Anschluss an diese Predigt singen. Das brauchen wir mehr als alles andere, dass Gott unseren Glauben, unser Vertrauen stärkt. damit wir weiterhin vertrauensvoll, erwartungsvoll und anhaltend beten und glauben bis er kommt.

Amen. - Es gilt das gesprochene Wort! -

Diese Predigt wurde verfasst von:
Karl-Heinz Rudishauser
Obertüllingen 107
79539 Lörrach-Tüllingen
07621/9153229
eMail: karl-heinz.rudishauser(a)t-online.de
1 Dass Jesus seinen Jüngern dieses Gleichnis erzählt macht deutlich, dass er um die „Schwachstelle“ bezüglich des betens wusste. Das ist zwar tröstlich weil es somit nichts ungewöhnliches ist wenn wir im Gebet ermatten, aber es sollte uns nicht beruhigen.
2 FIGEL, Matthias in: Zuversicht und Stärke. 5. Reihe Heft 6; Okt-Nov 2007; S. 58
3 Diesen Gedanken habe ich bei dem Vortrag von A. Loos in der Triologie „Heil – Heilung – Heiligung“ der Vortragsreihe der Stadtmission Lörrach am 24.10.2013 mitgenommen. Da sind es um die Frage nach dem Heil und was wir unter Heil verstehen.
4 Gedanke: Sagt die Vorsilbe „er“ nicht aus, dass ich mir etwas zu Eigen machen in dem ich mich der Herausforderung stelle? So erklimme ich einen Berg oder erarbeite mir etwas.
5 A. LOOS; Treffpunkt Bibel Stadtmission Lörrach, Vortrag „Heil“ am 24.10.2013 in der Triologie „Heil - Heilung – Heiligung“

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