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Predigt über Lukas 19, 1 - 10

am 13.9.2020
14. Sonntag nach Trinitatis

Ort:
Tüllingen


Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Gemeinde!

Einleitung

Wann sind sie das letzte mal auf einen Baum geklettert? Wann sind sie das letzte mal auf einen Baum geklettert, um Jesus zu sehen? Können sie sich noch daran erinnern, wann sie das Gefühl, die Sehnsucht gepackt hat und es war ihnen klar: ich muss diesen Jesus sehen?

In der Bibel wird von einem Menschen berichtet, den diese Sehnsucht gepackt hat. Er wollte unbedingt Jesus sehen. Ich lese

- Text lesen: Lk 19, 1 – 10 -

Der Bericht von Zachäus gehört sicherlich zu den Top-Ten der bekanntesten biblischen Erzählungen. Wer auch nur annähernd christlich sozialisiert wurde und vermutlich selbst darüber hinaus, kennt diese Geschichte.

Diese Erzählung besticht durch ihre Schnörkellosigkeit, wegen ihrer Klarheit und Eindeutigkeit - und dennoch oder vielleicht gerade deswegen haben sich für mich drei Fragen ergeben:

  • Wann bin ich zum letzten mal auf einen Baum geklettert – um Jesus zu sehen?
  • Wann bin ich das letzte mal Jesus begegnet?
  • Was ist aus dieser Begegnung geworden?
  • 1. Wann bin ich – wann seid ihr – das letzte mal auf einen Baum geklettert?

    Ich meine jetzt nicht für die Obsternte, wobei man dazu ja in der Regel technische Hilfsmittel wie Leitern nutzt. Sondern wann hat es mich das letzte „auf einen Baum getrieben, um Jesus zu sehen“. Wann hat mich das letzte mal eine Frage, ein Thema, eine Begebenheit oder eine Lebenssituation so umgetrieben, dass ich unbedingt zu Jesus wollte? Und das könnte vieles sein: große Lebensentscheidungen oder –ereignisse, eine Frage, eine Begebenheit oder Begegnung im Alltag oder wir halten es kaum für möglich, eine Bibelstelle bei der ich gemerkt habe, ich muss jetzt zu Jesus.

    Momente in meinem Leben die mich dazu veranlasst haben, mich aufzumachen und dem Gott zu begegnen, der mir in seinem Sohn entgegenkommt. Mich auf den Weg zu machen hin zu dem, der als Kind in einer Krippe geboren wurde und der gekommen ist um zu suchen und zu finden was verloren ist.

    Zachäus hat diese Sehnsucht gepackt und gibt ihr jetzt freien Lauf. Ich denke, diese Frage hat ihn schon lange umgetrieben, diese Sehnsucht hat schon lange in ihm geschlummert und es hat ihn die Frage beschäftigt, wie bekomme ich Frieden für mein Leben. Einem Leben in dem bisher immer alles nach Plan lief. Die Karriereleiter immer nach oben zeigte, in dem ich geschäftlich und gesellschaftlich zu den Erfolgreichen gehöre und bei dem auch privat mit einer Vorzeigefamilie alles zum Besten bestellt war. Aber vielleicht war es bei ihm auch gerade umgekehrt: mit welchen Mitteln und um welchen Preis war der berufliche Erfolgt zustande gekommen? Von den Menschen gefürchtet und gleichzeitig verachtet und aus der religiösen Gemeinschaft ausgeschlossen. Und möglicherweise trübte dies auch sein Privatleben erheblich ein. So konnte es nicht mehr weitergehen.

    Oft denken wir, dass es etwas neues, unbekanntes, spektakuläres sein muss, das diesen Reiz auslöst und die Sehnsucht weckt. Aber muss das wirklich immer so sein? Kann es nicht auch sein, dass etwas alt bekanntes plötzlich einen ganz neuen Reiz entfaltet und mich in die Gegenwart Gottes und seines Sohnes treibt. Kürzlich berichtet mir jemand, dass er ganz neu das Bibellesen entdeckt hat weil, man höre und staune, er sich Zeit dafür nimmt.

    Wie auch immer, für Zachäus, für diesen Mann aus Jericho der von Jesus gehört hatte war klar: ich muss diesen Jesus sehen!

    2. Wann bin ich das letzte mal Jesus begegnet?

    Zachäus wollte Jesus sehen, das war sein Ziel, nicht mehr und nicht weniger. Und um dieses Ziel zu erreichen ist er auf diesen Baum geklettert. Jetzt stellen wir uns das mal vor – ein Mann in seiner Stellung klettert auf einen Baum. Was müssen die Leute gedacht haben? Vielleicht haben sie ihn auch absichtlich nicht nach vorne gelassen um ihm all das heimzuzahlen, womit er sie mit seinen Steuern und Zöllnern zeitlebens geplagt und gedemütigt hat. Nun konnten sie den Spieß umdrehen und es ihm in kleiner Münze heimzahlen. Verständlich – oder?

    Aber Zachäus war das in diesem Moment völlig egal, das kümmerte ihn jetzt nicht. Er wollte Jesus sehen, darum allein ging es ihm. Und er lief zu einer Stelle an der Jesus vorbeikommen sollte. Dort angekommen kletterte er auf einen Baum um einen guten Blick zu haben. Und nun hat er es sich einigermaßen bequem gemacht, so bequem man es sich eben auf einem Maulbeerfeigenbaum machen kann. Zachäus hatte es geschafft, er war am Ziel, mehr wollte er nicht, nur Jesus sehen und das konnte er von da oben nahezu perfekt. Was muss das für ein Anblick gewesen sein! Der Chef der Zollbehörde von Jericho, vielleicht noch in Uniform hockt da wie ein Junge auf einem Baum. Die Reaktion und den Spott der Leute war ihm sicher.

    Alles läuft nach Plan, Jesus kommt die Straße entlang und dann kommt es doch anders als Zachäus sich das vorgestellt hat: Jesus kommt nicht nur entlang und geht an dem Baum vorbei, Jesus geht direkt auf diesen Baum zu. Da treibt nicht nur die Sonne die Schweißperlen auf seine Stirn. Als Jesus unten am Baum angekommen ist blickt er hinauf, blickt Zachäus an und sagt: Zachäus, steig eilends herab! Denn heute muss ich in deinem Haus bleiben. Wow – was muss Zachäus da durch den Kopf gegangen sein? Unvorstellbar! Ein wirklicher kairos-Moment.

    Schnell klettert Zachäus von seinem Aussichtsplatz runter und machte sich mit Jesus auf in Richtung seines Hauses. Und zu Hause angekommen, nahm er ihn – Jesus –mit Freuden auf, ein Hinweis für das offene Haus und die Tischgemeinschaft. Dahin folgen ihnen auch andere, sicherlich die Jünger, vielleicht die paar Freunde des Zachäus und auch die geistlichen Würdenträger Jerichos. Auch wenn sie murrten, wollten sie sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen, Jesus ganz nah zu kommen, und wenn es im Haus eines Zöllners wäre.

    Tischgemeinschaft das bedeutet damals, wir sind uns gut, da steht nichts zwischen uns. Diese Begegnung, dieses Beziehungsgeschehen ist letztlich Kern von christlicher Nachfolge und Christsein. Denn Christsein ist weit mehr als eine Lehre und das befolgen irgendwelcher moralischer Normen oder ethische Checklisten abzuarbeiten. Nachfolge Jesu, Christsein das ist Beziehung zu und mit dem lebendigen Gott!

    3. Was ist aus dieser Jesusbegegnung geworden?

    Was genau im Haus des Zachäus geschieht, was es zu essen und zu trinken gab, erfahren wir leider nicht. Aber wir erfahren dass Begegnung stattgefunden hat, angefangen vom Blick in den Baum bis zur Tischgemeinschaft im Haus. Jesus und Zachäus haben die Chance für diese Begegnung wahrgenommen. Jesus hat den Zachäus auf dem Baum hocken sehen, ER hat ihn wahrgenommen und Jesus hat die Sehnsucht des Zachäus erkannt, wie es der Gottessohn und vom Geist Gottes geführte Menschen erkennen können. Und Jesus hat die Begegnung an- und wahrgenommen. Er ist nicht am Baum vorüber gegangen und hat den Zachäus oben hocken lassen. Dem Zachäus hätte das vollkommen gereicht. Aber Jesus nicht! Jetzt, heute war der Zeitpunkt für die Begegnung dieser beiden Männer. Aber auch Zachäus hat sich darauf eingelassen. Er ist nicht auf dem Baum hocken geblieben und hat an seinem ursprünglichen Ziel festgehalten. Er ist wieder von seinem Baum runtergekommen und hat Jesus mitgenommen in sein Haus. Und so kam es für Zachäus und sein Haus zu einer lebensverändernden Begegnung.

    Und noch etwas erfahren wir: was aus der Begegnung dieser beiden Männer geworden ist. Plötzlich, mit einem Ruck, vielleicht ist dabei noch der Tisch ins Wanken geraten, steht Zachäus plötzlich auf. Er wendet sich zu Jesus und erklärt, was er nun vor hat: dass er die Hälfte seines Vermögens den Armen geben wird und dass er jeden, den er betrogen hatte in dem er ihm zu viel Steuern abgeknöpft hat, es vierfach erstatten wird. Ein nochmaliges wow. Das war bedeutend mehr als das, was jüdisches Recht damals gefordert hatte. Nun verstummen auch diejenigen, die anfangs noch murrten.

    Und die Antwort Jesu? Gut macht Zachäus, genauso habe ich mir das vorgestellt. Dann wären wir doch wieder bei unserer moralischen Normen und unserer Checkliste. „Heute ist diesem Haus1 Heil wiederfahren.“, heute ist Zachäus Heil wiederfahren. Das ist weit mehr, als dass er den Rechtsvorschriften Folge geleistet hat. Hier ist ein Mensch durch Gottes Gnade wieder zu Recht gebracht worden, und das vollumfänglich. Das wird deutlich, indem Jesus ihn zu den Söhnen Abrahams zählt. Er reiht ihn wieder ein in die Gemeinschaft des Gottesvolkes.

    Zachäus handelt aus freien Stücken, wir lesen nichts davon, dass Jesus irgendetwas von ihm gefordert hätte. Was er tut ist Folge seiner Umkehr, seiner Jesus-Beziehung. Er ist im biblischen Sinne ein neuer Mensch geworden und daraus handelt er.

    An Zachäus macht Jesus einmal mehr klar, warum er in diese Welt gekommen ist: Zu suchen und zu retten, was verloren ist. Das heißt Jesus ist gekommen um uns zu begegnen, um Begegnung wahrzunehmen und uns hineinzurufen in eine Lebens-Beziehung mit IHM. Und aus dieser Lebensbeziehung heraus, ergibt sich dann alles andere – in einem lebenslangen Nachfolgeprozess.

    Schluss

    Wann sind sie das letzte mal auf einen Baum geklettert – weil sie Jesus begegnen wollten? Und was ist aus dieser Begegnung geworden? Zachäus wird zeitlebens davon berichtet haben denn er hat diese Begegnung wahrgenommen und angenommen. Und das hat sein Leben verändert – grundlegend – und es hat ihn sicherlich dankbar gemacht, zeitlebens. Wenn wir Jesus begegnen, wenn in uns diese Sehnsucht nach einer Beziehung zum lebendigen Gottessohn einen festen Platz hat, dann braucht es keine weiteren Apelle mehr, dann wirkt Gottes Geist in uns. Er verändert unser Leben und treibt uns immer wieder auf Bäume der Begegnung mit Jesus.

    Amen.

    - Es gilt das gesprochene Wort! -

    Diese Predigt wurde verfasst von:
    Karl-Heinz Rudishauser
    Obertüllingen 107
    79539 Lörrach-Tüllingen
    07621/9153229
    eMail: karl-heinz.rudishauser(a)t-online.de

    1 bedenke Oikos-Begriff im NT, insbesondere bei Lukas – vgl. SCHNEIDER, Theo; in: Zuversicht und Stärke. August-September 2020, 2.Reihe - Heft 5 S. 63

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