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Predigt über Lk 1,26 - 38

am 19.12.2021
4. Advent

Ort:
Seefelden

Corona Gottesdienst


Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Gemeinde!

Einleitung

Mitten in meine Predigtvorbereitung, eigentlich war ich schon fast am Ende hörte ich ein Interview bei dem es um das Thema „Die Bedeutung der Theologie heute“ ging. Letztlich wurde die Frage aufgeworfen, welche Bedeutung hat Theologie, Kirche und Gemeinde heute?“ In diesem Interview wurde folgende Aussage eines deutschen Theologen zitiert1: „Wir haben eine Theologie entwickelt die ein gravierendes Problem hat: Wir haben eine Fachtheologie, die nicht mehr ausgeht von einem lebendigen Gott. Könnte es sein, dass sich der lebendige Gott abwendet, wenn seine Lebendigkeit nicht mehr gesehen wird? Könnte es sein, dass Jesus sein Versprechen ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende nicht aufkündigt aber es an anderen Orten weiterführt, dort, wo man mit dem lebendigen Christus rechnet?“

Heute ist der vierte Advent und noch immer beschäftigt mich dieses Interview und die Frage: Wie bedeutungsvoll ist christlicher Glaube, christliche Theologie heute? Bin ich, sind wir hörfähig und damit auch sprechfähig für die Menschen und Themen unserer Zeit? Aber vor allem: rechne ich, rechnen wir mit einem lebendigen Gott und wenn ja, was verbinde ich damit, welche Auswirkungen hat das für mein Leben und Alltag?

Durch unserem heutigen Predigttext werden wir Zeugen und mit hineingenommen in eine Begegnung mit dem lebendigen Gott den die Bibel bezeugt. Einem Gott der sich mit seinem Leben hinein-gibt in diese Welt und in Beziehung tritt zu uns Menschen- ich lese:

- Text lesen: Lk 1, 26 – 38 -

Mit dieser Erzählung biegen wir heute am 4. Advent ein auf die Zielgerade von Weihnachten. Weihnachten – das Kind in der Krippe umgeben von Ochs und Esel, staunende Hirten und anbetende Weisen umrahmt von jubelnden Engelchören. Das ist das Bild von Weihnachten. Ein stolzer Vater und eine glückliche Mutter an der Krippe – wirklich? Eine Idylle – sicher? Das stellen wir uns so vor, das machen uns die Weihnachtsbilder und –geschichten glauben.

Was stimmt: Gott kommt! Aber wie kommt er und was passiert, wenn er kommt? Schauen wir dazu nochmals auf die Geschichte mit Maria und dem Engel. Es sind drei Beobachtungen die ich mache und die ich aus dieser Adventserzählung mitnehme:

1. Gott kommt - in (den letzten) Winkel

Gott, vielmehr ein von ihm gesandter Engel kommt, nein, vielmehr bricht hinein in die Lebenswirklichkeit einer jungen Frau. Wirklich, eine junge Frau? So dachte ich immer, geprägt von Bildern die dieses Geschehen versuchten darzustellen. Aber der Engel begegnet keiner jungen Frau sondern einem jungen Mädchen im Alter von 14, 15 Jahren. Und diese Begegnung ereignet sich an einem Ort, den keiner auf der Liste der Orte hatte, in denen Welt- und Menschheitsgeschichte geschrieben werden könnte. In einem Ort, von dem es später einmal heißen soll, was aus diesem Ort Nazareth schon Gutes kommen soll (Joh 1,46). Gott erscheint vielfach dort und dann, wo ihn keiner erwartet, in den Winkeln dieser Welt, unserer Städte, Kirchen und Gemeinden.

Es ist typisch für unseren Gott, dass er diesen Weg wählt, dass er ins verborgene, zum Unscheinbaren kommt. Er sucht nicht den Rummel und die großen Plätze. Unser Gott hat einen Blick und ein Auge für das Unscheinbare und Verborgene. Es bleibt sein Geheimnis, warum ausgerechnet dieser Ort und diese Frau.

Wie stellen sie sich das vor, wenn Gott, wenn ein Engel in unseren Lebensweg tritt? Das Jubel ausbricht, alles hell und strahlend wird, die Dinge in Ordnung geraten und endlich alles besser und gut wird?

Von all dem ist in unserem Bericht nichts zu lesen. Zunächst regiert die Angst, überkommt das junge Mädchen Furcht. Maria ist erschrocken von der Erscheinung des Engels und seiner Botschaft. Er muss sie zunächst beruhigen „Fürchte dich nicht“. Denn was sie zu hören bekommt schafft zunächst einmal Verwirrung. Sie, die zwar verlobt jedoch von keinem Manne wusste soll schwanger werden. Das bringt ihr Leben nicht nur in Unordnung sondern auch noch in Gefahr. Wie würde Joseph, ihr Verlobter darauf reagieren? Würde er sie des Ehebruchs bezichtigen und sie verlassen? Was würde dann aus ihr werden? Im schlimmsten Fall wird sie des Ehebruchs angeklagt und gesteinigt. Für Maria bahnt sich ein menschliches Drama an. Was bitte in aller Welt, ist daran gnadenhaft? Wie viele Leben sind an solchen Schicksalen schon zerbrochen?

Aber Maria bleibt nicht in ihrer Furcht, in ihren Fragen stecken. Maria hört genau hin, wie sie das auch später immer wieder tut. Sie gibt sich ganz hinein in die Verheißung die sie bekommt und traut dem wirkmächtigen Wort Gottes.

2. Gott kommt - in seiner Gnade

„Sei gegrüßt, du Begnadete“ mit diesem Gruß tritt der Engel, er hat sogar einen Namen: Gabriel, Maria entgegen. In dem, was ihr widerfährt wird sie zum Urbild dessen, was später jedem Menschen widerfahren kann. Gewiss wird kein Mensch mehr den Heiland gebären aber was an und durch Maria geschieht, prägt das Handeln und die Beziehung unseres Gottes zu uns Menschen, zu ihnen und mir bis heute, ist Wesensmerkmal unseres Glaubens.

Denn Maria ist nicht die Begnadete auf Grund einer besonderen Leistung oder Frömmigkeit, nicht weil sie darum gebeten hätte. Der Grund, warum der Engel zu ihr kommt, warum Gott an ihr handelt liegt nicht bei ihr sondern allein bei Gott. Sie ist ganz die Empfangende. In dieser Gnade empfängt sie das Wort, die Verheißung und das Kind.

Was wurde und wird nicht alles darüber diskutiert, „wie so etwas gehen“ soll. Auch Maria stellt sich genau diese Frage (V. 34). Wir bewegen uns in einer Sackgasse, wenn wir hier lediglich nach biologischen Antworten und Erklärungen suchen. Und es hilft auch nicht wirklich weiter und trägt zur Klärung bei, wenn manche Exegeten aus der Jungfrau eine junge Frau machen.

Bei der Jungfrauengeburt geht es nicht so sehr und in erster Linie um ein biologisches Wunder, sondern allein darum, dass Gott der Handelnde ist. Die Kunde des Engels macht deutlich, was hier geschieht, geschieht durch SEIN Wort, durch die in ihm wohnende Kraft ereignet sich quasi ein „Schöpfungswunder“. Hier kommt die ganze „dynamis“, die Kraft zum Ausdruck, die in dem göttlichen Wort steckt.

Der ewige Sohn gibt sich hinein in das Leben dieses Kindes, das hier angekündigt wird. Hier scheitern alle menschlichen Erklärungs- und Deutungsversuche. Gott kommt zu uns, Gott wird Mensch, der Jenseitige kommt hinein in unsere Welt, der Ewige kommt hinein in unsere Zeit und Leben. Gott macht sich klein, wird zum Kind, liefert sich aus an Menschen in dem ER selbst, Gott Mensch wird um uns zu erlösen– das ist Gnade. Dazu hat er diese Frau bestimmt, hat Gott sie auserwählt und berufen, erfährt sie diese Gnade.

3. Gott kommt - mit seiner Verheißung

Die Begegnung mit dem Engel versetzt Maria in Unruhe, löst Ängste aus. Sie kann sich nicht vorstellen was auf sie zukommen wird und das erfüllt sie mit Furcht. Sie findet sich in dem Spannungsfeld zwischen irdischen Gegebenheiten und göttlichen Möglichkeiten – kennen sie das? Noch einmal erklärt der Engel, was geschehen wird. Und vielleicht erinnert sich Maria nun, bedingt durch die Wortwahl, an die Ereignisse ihres Volkes im Alten Testament. Als das Volk durch die Wüste zog, da wurde es auch von der Gegenwart Gottes überschattet, des tags in einer Wolken und des Nachts in einer Feuersäule.

Sie erkennt, das wird nun auch ihr verheißen. Gott nimmt sich ihrer an, sie steht unter seinem Schutz, ganz gleich was auch kommen mag. Und nun hängt sie – „siehe ich bin die Magd des Herrn“ - ihr Leben in den Haken ein, den Gott für sie fest gemacht hat. Sie lässt sich hineinnehmen in seine Verheißungen und ist gesichert durch Gottes Wort und Gnade.

Und obwohl ihr weiterer Lebensweg mit diesem Kind alles andere als glatt und sorglos verläuft, erinnert sie sich wohl immer wieder an diese Begegnung mit dem Engel und gewinnt daraus Zuversicht und Kraft. Sie hat diese Worte in ihrem Herzen bewahrt, wie sie das in der Folge immer wieder getan hat (Kap 2,19). Und dieses erinnern und erinnert werden hilft ihr dann, auch durch die schwierigen Lebensphasen zu gehen und Gott zu vertrauen.

Schluss

Zu Beginn dieser Predigt stand die Aussage des Theologen Günther Thomas und die Abkehr der Theologie vom lebendigen Gott. Ich lasse das mal so stehen aber ich frage mich, wie ist das bei mir? Wie halte ich es mit dem Gott, der den Menschen, mich durch seine Gnade und seine Versöhnung in meiner Gottlosigkeit nicht loslässt2? Ist Gott nur noch Objekt meines Glaubens und ich reihe IHN ein in die wundersamen Geschichten rund um Weihnachten und freuen uns daran und das wars dann? Oder ist ER weiterhin Subjekt, DU zu mir, mir gegenüber, erreicht ER mich noch mit seiner Botschaft, seiner Liebe und Gnade und dringt ein in mein und unser Leben? Was machen wir nun mit dieser Erzählung? Packt mich die Sehnsucht nach diesem lebendigen Gott und die Botschaft vom Kommen seines Sohnes und seines ewigen Königreiches?

Von Dietrich Bonhoeffer ist die Aussage überliefert: „Wir müssen bereit werden, uns von Gott unterbrechen zu lassen.“ Maria wurde radikal von Gott unterbrochen, ihr Leben wurde auf den Kopf gestellt, ihr blieb quasi nichts anderes übrig. Meine, unsere Herausforderung besteht darin, uns in unserem Alltag und Leben, mit diesem lebendigen Gott zu rechnen und mich von IHM unterbrechen zu lassen. Mich unterbrechen zu lassen von seinen Verheißungen die meine Blickrichtung und Haltung ändern, aus seiner Gnade zu leben und so anderen diese Gnade erfahrbar zu machen und nicht zuletzt immer und in jeder Situation, im letzten Winkel mit Gott zu rechnen und mich von IHM überraschen zu lassen.

Amen.

Diese Predigt wurde verfasst von:
Karl-Heinz Rudishauser
Obertüllingen 107
79539 Lörrach-Tüllingen
07621/9153229
eMail: karl-heinz.rudishauser(a)t-online.de

1 THOMAS, Günther, Im Weltabenteuer Gottes leben. Impulse zur Verantwortung für die Kirche, zitiert in: https://wort-und-fleisch.de/das-relevanzproblem-der-theologie/ ab 1:12:31; zuletzt aufgerufen am 21.12.2021; die abgebildete Person zeigt Dr. Miroslav Volf, siehe kommentiertes Literaturverzeichnis
2 nach Karl Barth „Es gibt zwar eine Gottlosigkeit des Menschen, es gibt aber laut des Wortes von der Versöhnung keine Menschenlosigkeit Gottes“, in Kirchliche Dogmatik IV/3), erste Hälfte, Zollikon-Zürich 1959, S. 133

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