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Predigt über Lukas 9, 57-62

am 15.03.2009
Oculi

Ort:
Ötlingen


Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Gemeinde!

Einleitung

Zwei Begebenheiten zu Beginn: Dieser Tage habe ich ein Buch zu Ende gelesen, in dem der Berliner Arzt Bernd Sprenger ein gesellschaftliches Phänomen beschreibt und analysiert, das ihm in seiner ärztlichen Praxis immer wieder begegnet: Die Zerstörung des Selbstwertgefühles und die daraus resultierende "Entwertung" und "Entwürdigung" des Menschen.

Ich finde das einen ganz bemerkenswerten Ausdruck, den ich so in diesem Zusammenhang noch nie gehört oder gelesen habe. Durch ganz unterschiedliche gesellschaftliche Entwicklungen verliert der Mensch nicht nur seinen Wert, sondern auch seine Würde!

Eine Beobachtung die Bernd Sprenger in seinem Buch beschreibt ist, dass unser christlich-abendländisches Wertesystem zunehmend aufgegeben und dabei durch kein anderes wird. Daraus resultiert eine Orientierungslosigkeit die vielfach als individuelle Freiheit wird und vielfach in dieser Entwürdigung endet.

Ein Zweites: Vor einigen Wochen sprach ich mit einem malayischen Bekannten, der in London als Wirtschafts- und Aktienberater arbeitet und fragte ihn, wie er die gegenwärtige Finanzkrise bewertet und worin er die Gründe sieht. Zur Antwort bekam ich: "Peoples lost authority." Die Menschen haben ihre Autorität verloren." Damit meinte er, dass sie sich keiner Autorität mehr verpflichtet fühlen. Das hängt für mich eng mit den Aussagen Sprengers in seinem Buch zusammen und zwar derart, dass mit dem Verlust von Werten auch Autoritäten verloren gehen. Maßstäbe, die mich in meinem Leben, Denken und Handeln prägen und mir die Spur weisen.

Beides, die Aussage aus Sprengers Buch und diejenige des malayischen Bekannten stehen für mich in einem Zusammenhang. Und ich habe mich gefragt, wie sieht es bei mir, wie sieht es bei uns Christen aus? An all das wurde ich erinnert, als ich den Predigttext für diesen Sonntag gelesen habe:

- Text lesen: Lk 9, 57-62 -

Während in der Lutherbibel diese Verse mit "Vom Ernst der Nachfolge" überschrieben sind titeln moderne Übertragungen nur noch "Nachfolge duldet keinen Aufschub". Nachfolge, was ist das eigentlich? Ist das ein Thema, mit dem wir unsere Zeitgenossen locken können? Es gab Zeiten, da wurden über dieses Thema sogar Bücher geschrieben. Haben wir uns in der Gemeinde intensiv darüber unterhalten wie "Nachfolge" für uns aussehen könnte.

Zur Zeit Jesu war es nichts ungewöhnliches, dass ein Lehrer Schüler um sich sammelte und mit diesen durch das Land zog. Diese Schüler bewarben sich regelrecht bei einem Lehrer um von ihm zu lernen um dann selbst einmal ein Meister, ein Lehrer zu werden.

Nachfolge im neutestamentlichen Sinn hat eine andere Dimension. Das wird bereits durch den Umstand unterstrichen, dass das Wort "Nachfolge" im Neuen Testament so gar nicht vorkommt. Allein in den Evangelien (mit einer Ausnahme in der Offenbarung) kommt nur das Verb, das Tätigkeitswort "nachfolgen" vor. Dadurch wird schon deutlich, dass "Nachfolge" nicht etwas statisches, sondern ein dynamischer Prozess ist. Der Nachfolgende ist in Bewegung, und das nicht nur räumlich. Und damit jemand zu einem Nachfolgenden wird, muss an ihn der Ruf in die Nachfolge ergehen, er kann sich nicht selbst in die Nachfolge rufen. Wenn er den Ruf annimmt, dann wird aus ihm ein maqhth,j, ein Jünger. Wenn Jesus Menschen in seine Nachfolge ruft, beruft und ihnen damit auch einen Auftrag gibt, dann befähigt er sie gleichzeitig auch. Das heißt letztendlich, dass mit der Aufgabe auch die Begabung erfolgt, entsprechend dem Grundsatz: erst die Aufgabe, dann die Gabe!

Aus den drei Begegnungen entnehme ich drei Ratschläge, Grundregeln die Jesus denen ans Herz legt, die ihm nachfolgen wollen:

  • die "Kosten" überschlagen
  • Prioritäten setzen
  • am Ziel festhalten
  • 1. Die "Kosten" überschlagen

    Dass Jesus beim Thema "nachfolgen" andere Maßstäbe setzt als damals üblich zeigt sich für mich in der Art, wie er dem ersten "Bewerber" begegnet. Wenn es ihm darum gegangen wäre, möglichst viele Jünger um sich zu scharen um damit seine Popularität zu unterstreichen, dann hätte er vermutlich alles dafür getan, dass er diesen Bewerbern für sich gewinnt. Aber genau das Gegenteil geschieht.

    Was Jesus hier sagt würde jedem Marketingstrategen unserer Tage die Haare zu Berge stehen lassen. Diese wollen doch den Erfolg verkaufen, versprechen freie Wege und Glück, nicht jedoch Schwierigkeiten. Was Jesus an dieser Stelle und den folgenden Versen sagt, ist weniger eine Einladung als vielmehr Abschreckung - oder wie geht es Ihnen? Aber erinnern sie sich noch an die Predigt vor 3 Wochen (Mk 8,31-38) wo wir darüber nachgedacht haben, dass Jesus eine absolute, ja teilweise erschreckende Offenheit praktiziert. Wie viel Enttäuschungen würden erspart bleiben, wenn wir diese Verse im Ohr hätten. Übrigens: Haben sie schon einmal über die Bedeutung des Wortes "Enttäuschung" nachgedacht? Wenn wir enttäuscht sind, dann hört die Täuschung auf.

    Ist diese Offenheit also wirklich nur negativ? Sind wir nicht denen dankbar, die uns auf mögliche Gefahren aufmerksam machen? Was wäre wohl aus der Finanzkrise geworden, hätte man frühzeitig auf diejenigen gehört, die auf die Risiken aufmerksam gemacht hatten? Offenheit ist das eine, was wir daraus machen, das andere. Es gehört leider zu unseren Tagen, dass wir eher denen nachlaufen, die uns den "Broadway" versprechen und weniger denen Gehör schenken, die uns den schmalen Weg weisen, diesen aber auch mit uns mitgehen werden!

    Dass Jesus diese Offenheit an den Tag legt, wo jeder denken würde, damit wird es nie Jünger geben, belegt für mich, dass es zum Jünger sein nicht auf menschliches Vermögen ankommt, sondern dass in dem Ruf zur Nachfolge auch die Bevollmächtigung zur Nachfolge liegt. Dem Jünger sagt Jesus nicht, dir, der du mir nachfolgst, wird es genau so ergehen wie mir. Aber derjenige, der dem Menschensohn nachfolgt, begibt sich in eine Lebens- und Leidensgemeinschaft mit Jesus und um Jesu willen.

    Die zweite Grundregel die Jesus denen mitgibt, die ihm in oben definierten Sinn nachfolgen lautet:

    2. Prioritäten setzen

    Prioritäten setzen heißt festlegen, was vorrangig ist. Dabei geht es zunächst nicht um das, was zeitlich vorrangig ist, sondern vielmehr was inhaltlich an erster Stelle steht (das dann meist auch die zeitliche Reihenfolge bestimmt).

    Im erleben dieser zweiten Begegnung und der Aussage Jesu stellt sich mir die Frage, was sind die Prioritäten in meinem Leben? Die Beantwortung dieser Frage hängt eng damit zusammen, welche Lebensziel(e) ich mir gesetzt habe und verfolge. Ich denke, die meisten von uns haben und würden, wenn danach gefragt, mehrere Ziele nennen: Gesundheit, einen sicheren Arbeitsplatz, eine glückliche Ehe oder Beziehung und "wohlgeratene" Kinder und vielleicht auch, dass ich in den Himmel komme. Jesus sagt: "Trachtet am ersten nach dem Reich Gottes, und das, was wir zum Leben und überleben brauchen wird euch zufallen!" Ich frage: Glauben Sie das? Leben wir auch danach? Für mich wird das konkret wenn ich darüber nachdenke, wie das wohl für mich werden wird, wenn ich mal in Rente bin. Wie werde ich da über die Runden kommen und was muss ich heute tun, dass mir das gelingt? Das hat dann Auswirkungen auf den Umgang mit meinen finanziellen Mitteln und Möglichkeiten und es stellt mich vor die Frage: Trage ich allein finanzielle Vorsorge fürs Alter oder gebe ich mein Geld für die Arbeit im Reich Gottes?

    Ich komme zurück zu den eben angesprochenen Lebenszielen. Haben wir als Lebensziel definiert, in den "Himmel zu kommen", dann sind wir wieder bei unserem Abschnitt. "Wenn du mir nachfolgen willst, wenn du dich bereit erklärst, in eine Lebens- und (möglicherweise auch) Leidensgemeinschaft mit mir einzutreten, dann müssen deine Prioritäten klar sein!" So die klare aber auch harte und scheinbar unbarmherzige Aussage Jesu. Es sollte uns bewusst sein: Wenn wir uns Ziele setzen, dann setzen wir uns automatisch auch Frustrationen aus. Denn in aller Regel kann ich meist nicht zwei Ziele gleichzeitig erreichen. Ich kann entweder sparen oder konsumieren. Ich kann nicht Gott dienen wollen und gleichzeitig dem Mammon nachlaufen. Es gilt: entweder das eine oder das andere.

    Ich weiß nicht, wie es ihnen damit geht, ich jedenfalls muss zuerst einmal schlucken und ertappe mich dabei, mich herauszuwinden, diesen Anspruch zu relativieren. Das kann Jesus doch nicht so gemeint haben, er kann doch einen Trauernden nicht so vor den Kopf stoßen. Er muss doch Zeit haben, seine Trauer zu leben, zu verarbeiten und in guter Weise Abschied zu nehmen. Ich halte dafür, dass Jesus auch gar nichts dagegen hat. Aber, es ist dieses "aber", das in diesen Versen 8 mal vorkommt, davon allein von Jesus 4 mal als "göttliches aber" gebraucht, das den so angesprochenen zurückholt auf die göttlichen Tatsachen. Dann wenn es um die endgültigen Dinge geht, dann müssen unsere, ihre und meine Prioritäten klar sein. Wenn nicht, gleiten wir ab! Es geht um die Antwort auf die Frage, wie würde ich mich entscheiden und verhalten, wenn Jesus diese Konsequenzen von mir fordern würde? Ginge es mir auch dann noch ums Himmelreich oder wäre anderes wichtiger?

    Wenn Jesus fordert, dass wir uns selbst verleugnen sollen dann meint er damit nicht, dass wir unsere Persönlichkeit aufgeben sollen, sondern, dass ich mich, mit meinen selbst gesteckten Zielen hinterfragen lasse. Bin ich noch auf dem richtigen Weg, halte ich noch die Bahn oder bin ich schon lange ausgebrochen und auf einem anderen Weg unterwegs?

    3. Das Ziel im Auge behalten

    Während meines Studiums habe ich mein Geld damit finanziert, dass ich im Wald gearbeitet habe. Eines Tages nahm mich der Förster mit und zeigte mir eine herrliches Waldbild. So, wie man, wie ein Förster es sich vorstellt. Dann sagte er zu mir: Dieses Bild musst du immer vor Augen haben. Bei allem was du tust, bei jedem Eingriff den du planst, musst du dich von diesem Bild leiten lassen, davon, wie der Bestand am Schluss aussehen soll. Da darfst du dich auch nicht abbringen lassen, wenn einmal etwas unvorhergesehenes geschieht (Sturm, Käfer etc.). Und was kann im Laufe von 150 oder mehr Jahren nicht alles geschehen. Diese Begebenheit begleitet mich bis heute und hat mich entscheidend geprägt.

    Was ist die Aussage: Das Ziel muss meine Handlungsmaxime, mein Handlungs- bzw. Lebensmuster bestimmen. Ein Ziel hilft mir, langfristiger zu denken in meinen Planungen langfristiger und auch verlässlicher zu werden. Es beugt ferner dem vor, dass ich mich heute so und übermorgen wieder ganz anders verhalte. Da kann auch ein Sturm, ein unvorhergesehenes Ereignis eintreten, ohne dass ich mich von meinem Weg abbringen lasse. Vielmehr bin ich in einem solchen Fall herausgefordert, am ziel festzuhalten und Wege aus der Krise zu finden.

    Ich denke, dass diese Haltung in unseren Tagen nicht sehr populär ist, aber wer sagt denn, dass alles was populär ist, auch richtig ist? Da lerne ich lieber von Jesus, der seinem Auftrag und seinem Weg treu blieb auch dann, als er spürbar alles andere als einfach und bequem wurde. Jesus ging den Weg weiter, auch nach Palmsonntag und Gethsemane.

    Vielfach erlebe ich uns Christen wie Leichtathleten, die an den Start gegangen sind, aber nicht aus den Startlöchern herauskommen sondern darin verharren. Christ sein und nachfolgen bedeutet in Bewegung sein. Paulus hat das einmal so ausgedrückt (Phil 3,12): "Nicht, dass ich es schon ergriffen habe oder schon vollendet bin, ich jage ihm aber nach." Dabei stand ihm das Bild des Läufers in der Arena vor Augen. Und um dieses nachjagen geht es. Jeden Tag in dem Bemühen, in der Spur, auf dem Weg zu bleiben, den Jesus vorgegeben hat. Dies geschieht durch das lesen der Heiligen Schrift, durch Gottesdienst und Predigt und durch die Gemeinschaft und Austausch den Christen pflegen.

    Schluss

    Diese drei Männer waren bereits mit Jesus unterwegs, zogen mit ihm durch die Lande und Dörfer, hatten schon viel gesehen und gehört. Sie waren Mitgeher vielleicht auch Mitläufer, aber noch lange keine Nachfolger. Erst in der Begegnung mit Jesus, indem sie seinen Ruf ihm nachzufolgen hören und ihn annehmen, werden sie zu Jüngern Jesu.

    Wir hören nicht, wie es mit diesen drei Männer weitergegangen ist, hören nicht, ob sie Jesus nachgefolgt oder weggegangen sind. Christen sind Menschen, an die der Ruf Jesu ergangen ist und ihm nachfolgen. Und da wir gehört haben, dass Nachfolge etwas dynamisches ist, etwas, bei dem wir in Bewegung sind, dann sollten auch wir die drei Ratschläge die Jesus gegeben hat, immer wieder neu beherzigen und daran denken:

    - die "Kosten" überschlagen

    - Prioritäten setzen

    - am Ziel festhalten

    Amen.

    - Es gilt das gesprochene Wort! -

    Diese Predigt wurde verfasst von:
    Karl-Heinz Rudishauser
    Obertüllingen 107
    79539 Lörrach-Tüllingen
    07621/9153229
    eMail: karl-heinz.rudishauser(a)t-online.de
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