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Predigt über Lukas 9, 57 - 62

am 15.3.2020
Sonntag Oculi

Ort:
Betberg-Seefelden


Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Gemeinde!

Einleitung

Wie in vielen Betrieben gibt es auch auf der Tüllinger Höhe eine Teeküche – Treffpunkt für allerlei genussreiches und manches Schwätzchen. Eines Tages kam ich in diese Teeküche und der Chefpsychologe war gerade dabei, die Spülmaschine aus- und das Geschirr einzuräumen und ich traute meinen Augen nicht, was ich zu sehen bekam:

Die meisten von uns würden die Tassen nach Variante 1 oder 2 einräumen. Er tat es aber nach Variante 3. Er meinte, das sei einfach seine zwanghafte Seite. Ich antwortete, dass das aber richtig Sinn macht, darauf er: das ist ja das schlimme1.

An diese Begebenheit musste ich denken, als ich begann, über den heutigen Predigttext nachzudenken. Wir alle sind unterschiedliche Charaktere und damit auch Persönlichkeiten, mit unseren Stärken und Schwächen, mit unseren mehr oder weniger ausgeprägten Eigenarten. Und unsere Charaktereigenschaften haben, davon bin ich überzeugt, auch wiederum mehr oder weniger Auswirkungen auf unser Glaubensleben, auf die Art und Weise wie wir geistlich unterwegs sind. Ich lese:

- Text lesen: Lk 9, 57-62 -

Drei Begegnungen mit drei unterschiedlichen Charakteren und ihre Reaktionen auf die Begegnung mit Jesus und seine Aufforderung, ihm nachzufolgen. Wie gesagt, das war einer der ersten Gedanken die mir in der Betrachtung dieser Verse durch den Kopf gegangen ist. Aber auch Parallelen zu anderen Gleichnissen sind mir sofort in den Sinn gekommen (vierfaches Ackerfeld Lk 8,5 – 15; Gleichnis vom großen Gastmahl Lk 14,16 – 20) und so habe ich mich gefragt, geht es hier wirklich darum, unterschiedliche Charakterzüge im Zusammenhang mit Nachfolge darzustellen? Nein! Es geht um Nachfolge, mehr noch, um den Ernst der Nachfolge – so zumindest die Überschrift in „konservativen“ Übersetzungen2. Moderne Übersetzungen titeln nur noch „Nachfolge duldet keinen Aufschub“3. Wir stehen doch alle in der Nachfolge – oder? Ich hoffe sie stehen nicht in der Nachfolge – sondern bewegen sich und folgen Jesus nach.

Radikale Forderungen, welche Jesus in diesen drei Begegnungen stellt, Forderungen die uns erschrecken. Erschreckend vor allem für diejenigen, welche gebunden sind – gebunden in Beruf – gebunden in Familie und gebunden in Verantwortung für andere Menschen. In der Radikalität der Forderung macht Jesus deutlich, wie herausfordernd Nachfolge ist. Nachfolge – ist das ein Thema, mit dem wir unsere Zeitgenossen locken können? Es gab Zeiten, da wurden über dieses Thema sogar Bücher und Liedtexte geschrieben4. Und wie sagte jemand: Heute haben wir Lobpreis- und (sogenannte) Anbetungslieder – alles gut – aber so: Aber wo sind heute die Nachfolgelieder?5

Das Wort „Nachfolge“ kommt im Neuen Testament so überhaupt nicht vor. In den Evangelien6 kommt nur das Verb, das Tätigkeitswort „nachfolgen“ vor. Dadurch wird schon deutlich, dass „Nachfolge“ nicht etwas statisches, sondern ein dynamischer Prozess ist. Der Nachfolgende ist in Bewegung, und das nicht nur räumlich. Und damit jemand zu einem Nachfolgenden wird, muss an ihn der Ruf in die Nachfolge ergehen, er kann sich nicht selbst in die Nachfolge rufen. Wenn er den Ruf annimmt, dann wird aus ihm ein mathetes, ein Jünger7. Wenn Jesus Menschen in seine Nachfolge ruft, beruft und ihnen damit auch einen Auftrag gibt, dann befähigt er sie gleichzeitig auch8. Fußnote: Bedauerlich, dass in der neuen Lutherübersetzung statt „macht zu Jüngern“ nur noch mit „lehrt sie“ übersetzt. Das hat eine ganz andere Qualität.

Drei Begegnungen – drei Konsequenzen die ich bei meiner Nachfolge immer wieder überdenken muss:

  • 1. die „Kosten“ überschlagen – Begeisterung alleine reicht nicht
  • 2. Prioritäten setzen – Ausreden gelten nicht
  • 3. das Ziel im Auge behalten – zurückschauen hilft nicht
  • 1. Die „Kosten“ überschlagen – Begeisterung alleine reicht nicht.

    „Klasse“, würden wir denken, „der hat es kapiert, der ist auf dem richtigen Weg“. Und vor meinem inneren Auge tauchen Gesichter und Namen von Menschen auf, die ähnlich wie dieser Mann reagiert haben aber heute ist von der anfänglichen Begeisterung wenig oder gar nichts mehr zu erleben. Dass Jesus beim Thema „nachfolgen“ andere Maßstäbe setzt als wir, zeigt sich für mich in der Art, wie er dem ersten „Bewerber“ begegnet. Wenn es ihm darum gegangen wäre, möglichst viele Jünger um sich zu scharen um damit seine Popularität zu unterstreichen, dann hätte er vermutlich eine andere Antwort gegeben.

    Was Jesus hier sagt würde jedem Marketingstrategen unserer Tage die Haare zu Berge stehen lassen. Diese wollen doch den Erfolg verkaufen, versprechen freie Wege und Glück, nicht jedoch Schwierigkeiten. Was Jesus an dieser Stelle und den folgenden Versen sagt, ist weniger eine Einladung als vielmehr Abschreckung – oder wie geht es Ihnen? Wie viel Enttäuschungen würden erspart bleiben, wenn wir diese Verse im Ohr hätten. Übrigens: Haben sie schon einmal über die Bedeutung des Wortes „Enttäuschung“ nachgedacht? Wenn wir ent-täuscht sind, dann hört die Täuschung auf.

    Dass Jesus diese Offenheit an den Tag legt, wo jeder denken würde, damit wird es nie Jünger geben, belegt für mich, dass es zum Jünger sein nicht auf menschliches Vermögen ankommt, sondern dass in dem Ruf zur Nachfolge auch die Bevollmächtigung zur Nachfolge liegt. Dem Jünger sagt Jesus nicht, dir, der du mir nachfolgst, wird es genau so ergehen wie mir, Jesus zeigt nur auf, wie es ihm ergehen wird. Aber derjenige, der dem Menschensohn nachfolgt, begibt sich in eine Lebens- und Leidensgemeinschaft mit Jesus und um Jesu willen. Und in dieser Gemeinschaft kann es durchaus sein, dass dies meinen Wünschen und Bedürfnissen widerspricht. Jesus ist auf dem Weg nach Jerusalem und am Ende dieses Weges steht sein Leiden und sein Tod am Kreuz.

    Die zweite Begegnung:

    2. Prioritäten setzen – Ausreden gelten nicht9

    Es kommt noch krasser. Was Jesus von dem Mann fordert war ein absolutes no go – das ging gar. Die Bestattung der Toten hatte Gesetzescharakter, und selbst denjenigen - Leviten und Priester, die absolut keinen Kontakt mit Toten haben durften, war erlaubt, diese zu bestatten10. Prioritäten setzen heißt festlegen, was vorrangig ist. Dabei geht es zunächst nicht nur um das, was zeitlich vorrangig ist, sondern vielmehr was inhaltlich an erster Stelle steht (das dann meist auch die zeitliche Reihenfolge bestimmt).

    Im erleben dieser zweiten Begegnung und der Aussage Jesu stellt sich mir die Frage, was sind die Prioritäten in meinem Leben? An was prüfe, messe ich meine Handlungen und Gedanken? Die Beantwortung dieser Frage hängt eng damit zusammen, welche(s) Lebensziel(e) ich mir gesetzt habe und verfolge. Ich denke, die meisten von uns haben und würden, wenn danach gefragt, mehrere Ziele nennen: Gesundheit, einen sicheren Arbeitsplatz, eine glückliche Ehe oder Beziehung und „wohlgeratene“ Kinder und vielleicht auch, dass ich in den Himmel komme. Jesus sagt: „Trachtet am ersten nach dem Reich Gottes, und das, was wir zum Leben und überleben brauchen wird euch zufallen11! Ich frage: Glauben Sie das? Leben wir auch danach? Für mich wird das konkret wenn ich darüber nachdenke, wie das wohl für mich werden wird, wenn ich mal in Rente bin. Wie werde ich da über die Runden kommen und was muss ich heute tun, dass mir das gelingt? Das hat dann Auswirkungen auf den Umgang mit meinen finanziellen Mitteln und Möglichkeiten und es stellt mich vor die Frage: Trage ich allein finanzielle Vorsorge für mich oder gibt es da auch Ausgaben in Zeit oder Geld für das Reich Gottes?

    Ich komme zurück zu den eben angesprochenen Lebenszielen. Haben wir als Lebensziel definiert, in den „Himmel zu kommen“, dann sind wir wieder bei unserem Abschnitt. „Wenn du mir nachfolgen willst, wenn du dich bereit erklärst, in eine Lebens- und (möglicherweise auch) Leidensgemeinschaft mit mir einzutreten, dann müssen deine Prioritäten klar sein! Und, das wissen wir aus der ersten Begegnung, dann weißt Du, auf was du dich möglicherweise einlässt.“ So die klare aber auch harte und scheinbar unbarmherzige Aussage Jesu. Es sollte uns bewusst sein: Wenn wir uns Ziele setzen, dann setzen wir uns automatisch auch Frustrationen aus. Denn in aller Regel kann ich meist nicht zwei Ziele gleichzeitig erreichen. Ich kann entweder sparen oder konsumieren. Ich kann nicht Gott dienen wollen und gleichzeitig dem Mammon nachlaufen. Es gilt: entweder das eine oder das andere.

    Ich weiß nicht, wie es ihnen damit geht, ich jedenfalls muss zuerst einmal schlucken und ertappe mich dabei, mich herauszuwinden, diesen Anspruch zu relativieren. Das kann Jesus doch nicht so gemeint haben, er kann doch einen Trauernden nicht so vor den Kopf stoßen. Er muss doch Zeit haben, seine Trauer zu leben, zu verarbeiten und in guter Weise Abschied zu nehmen. Ich halte dafür, dass Jesus auch gar nichts dagegen hat. Aber, es ist dieses „aber“, das in diesen Versen 8 mal vorkommt, davon allein von Jesus 4 mal als „göttliches aber“ gebraucht, das den so angesprochenen zurückholt auf die göttlichen Tatsachen. Dann wenn es um die endgültigen Dinge geht, dann müssen unsere, ihre und meine Prioritäten klar sein. Es geht um die Antwort auf die Frage, wie würde ich mich entscheiden und verhalten, wenn Jesus diese Konsequenzen von mir fordern würde? Ginge es mir auch dann noch ums Himmelreich oder wäre anderes wichtiger? Dann, und nur dann gilt es: Hand aus Herz!

    3. Das Ziel im Auge behalten – zurück schauen geht nicht.

    Und dann gibt es noch einen Dritten: Auch er kommt zu Jesus und bietet ihm, so wie der Erste an, in die Nachfolge zu treten. Aber anders als seine Vorgänger hat er scheinbar erkannt, Nachfolge kostet etwas, Nachfolge ist nicht umsonst, da muss ich vermutlich alte Beziehungen verlassen. Und so hat er schon noch ein „aber“. Er möchte sich von seinen Lieben zu Hause verabschieden. Nicht gerade ein ungewöhnlicher Wunsch, sondern durchaus verständlich.

    Damals ging der Bauer hinter dem Pflug her. Um gerade Furchen ziehen zu können, musste er sowohl das Zugtier als auch den Pflug im Blick behalten. Was will Jesus mit seinem Hinweis auf den Pflug sagen? Was ist das Ziel beim Pflügen – nur gerade Furchen zu ziehen? Sicherlich sind gerade Furchen für die Bestellung des Feldes wichtig, aber das dahinterliegende Ziel ist ein anderes. Und da kommt mir eine anderes Bild in den Sinn:

    Während meines Studiums habe ich im Wald gearbeitet und dadurch mein Studium finanziert. Eines Tages nahm mich der Förster mit und zeigte mir ein herrliches Waldbild. So, wie man, wie ein Förster es sich vorstellt. Dann sagte er zu mir: Dieses Bild musst du immer vor Augen haben. Bei allem was du tust, bei jedem Eingriff den du planst, musst du dich von diesem Bild leiten lassen, davon, wie der Bestand am Schluss aussehen soll. Da darfst du dich auch nicht abbringen lassen, wenn einmal etwas unvorhergesehenes geschieht (Sturm, Käfer etc.). Und was kann im Laufe von 150 oder mehr Jahren nicht alles geschehen. Diese Begebenheit begleitet mich bis heute und hat mich entscheidend geprägt.12

    Was ist die Aussage: Mein Leben als Christ, als ein Jünger Jesu hat ein Ziel, das mir von Jesus vorgegeben ist: einst bei Jesus im Himmel zu sein. Dieses Ziel muss meine Handlungsmaxime, mein Handlungs- bzw. Lebensmuster bestimmen. Ein Ziel hilft mir, langfristiger zu denken in meinen Planungen langfristiger und auch verlässlicher zu werden. Es beugt ferner dem vor, dass ich mich heute so und übermorgen wieder ganz anders verhalte. Da kann auch ein unvorhergesehenes Ereignis eintreten, ohne dass ich mich von meinem Weg abbringen lasse. Vielmehr bin ich in einem solchen Fall herausgefordert, am Ziel festzuhalten und Wege aus der Krise zu finden. Es geht darum, das Ziel im Blick zu behalten, nicht darum, auf dem Weg dahin keine Fehler zu machen! Es geht nicht um Sündlosigkeit sondern um die Frage der Zielverfehlung.

    Paulus hat das einmal so ausgedrückt (Phil 3,12): „Nicht, dass ich es schon ergriffen habe oder schon vollendet bin, ich jage ihm aber nach.“ Um dieses nachjagen geht es. Jeden Tag in dem Bemühen, in der Spur, auf dem Weg zu bleiben, den Jesus vorgegeben hat um ans Ziel zu kommen.

    Besonders in Zeiten wie diesen, wo das normale Leben aus dem Gleichgewicht geraten ist, halte ich das für wichtig. Es ist weder die Zeit in Weltuntergangsstimmung zu verfallen, noch Verschwörungstheoretikern auf den Leim zu gehen, noch die Endzeit herbeizureden. In der Endzeit befinden wir uns schon lange. Jesus wird kommen, das brauchen wir nicht herbeizureden, und wenn es soweit ist, werden wir es erkennen. Jetzt gilt es, aufs Ziel zu blicken und Jesus getreu und in Ruhe nachzufolgen.

    Schluss

    Wir hören nicht, wie es mit diesen drei Männer weitergegangen ist, hören nicht, ob sie Jesus nachgefolgt oder weggegangen sind. Christen sind Menschen, an die der Ruf Jesu ergangen ist und ihm nachfolgen. Und da wir gehört haben, dass Nachfolge etwas dynamisches ist, etwas, bei dem wir in Bewegung sind, dann sollten auch wir die Konsequenzen beherzigen, die Jesus in den drei Begegnungen herausgestellt hat:

    - die „Kosten“ überschlagen – Begeisterung alleine reicht nicht

    - Prioritäten setzen – Ausreden gelten nicht

    - das Ziel im Auge behalten – zurückschauen hilft nicht

    Amen.13

    - Es gilt das gesprochene Wort! -

    Diese Predigt wurde verfasst von:
    Karl-Heinz Rudishauser
    Obertüllingen 107
    79539 Lörrach-Tüllingen
    07621/9153229
    eMail: karl-heinz.rudishauser(a)t-online.de

    1 siehe Skizze in der PDF Datei am Ende
    2 z.B. Elberfelder, Luther, Züricher
    3 Hoffnung für Alle
    4 FORSTER, Richard: Nachfolge feiern. Oncken Verlag Wuppertal und Kassel. 1982; BONHOEFFER, Dietrich: Nachfolge. Gütersloher Taschenbücher. 2002. (Nicht mehr lieferbar); SWOBODA, Jörg u. LEHMAN Theo: Wer Gott folgt riskiert seine Träume; Lass mir das Ziel vor Augenbleiben
    5 Den Gedanken fand ich in irgendeiner Ausgabe Zuversicht und Stärke, aber ich finde sie nicht mehr.
    6 mit einer Ausnahme: Offb 14,4
    7 BLENDINGER, Ch. in "Theologisches Begriffslexikon zum NT"; Brockhaus Verlag Wuppertal 1986; Seite 945
    8 Mt 4,19b: Jesus wir die Jünger zu Menschenfischern machen, sie sollen es nicht werden.
    9 Für mich steht in diesem Zusammenhang das Wollen gleichbedeutend mit wirklichem umsetzen, auch wenn das in der Wirklichkeit durchaus anders aussehen kann. Aber ohne das „Wollen“ wird es auch nicht das „Vollbringen“ geben. Es sollte auch der gute Vorsatz gewürdigt werden und nicht nur dem Perfektionismus, den es eh nicht geben wird, das Wort geredet werden.
    10 GEIGER, Tobias; in: Zuversicht und Stärke. Februar-März 2020, 2.Reihe - Heft 2 S.63; FIEGEL, Matthias; in: Zuversicht und Stärke. Februar-März 2003, 1.Reihe - Heft 2 S.83
    11 Mt 6,33
    12 Beispiel Waldbild von Hanspeter Stoll – da gab es mal eine Predigt in Staufen in der ich das auch gebracht habe.
    13 Grundlage für die Predigt war eine Bibelarbeit zum Thema „Nachfolge“ vom 13.1.1993

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