Home
Predigten
 
 

Predigt über Markus 10,35-45

am 05./06.04.2003
Sonntag Judica

Ort: Staufen und Münstertal


Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Gemeinde!

Einleitung

Sitzordnungen sind von ganz besonderer Bedeutung. Da will wohl überlegt werden, wen man wohin setzt, wer seine Nachbarn und gegenüber sind. Da gilt es zu bedenken wer wohl gemeinsame Interessen hat um möglichst eine Basis für Gesprächsstoff zu bieten. Denn nichts langweiligeres als den Abend neben jemandem zu sitzen, mit dem man sich nicht unterhalten kann. Und schließlich ist der mir zugewiesene Platz auch Ausdruck für die Beziehung zum Gastgeber und damit des "who is who" einer geladenen Gesellschaft.

Das letzte Wort über die Sitzordnung hat der Gastgeber. Gewiß wird er sich in aller Regel an gewisse Konventionen halten, aber es ist ihm auch durchaus freigestellt, diese Konventionen zu durchbrechen. Er wird es vermutlich dann tun, wenn er einen Gast in besonderer Weise hervorheben oder ehren will. Manchmal sorgen solche Extratouren dann durchaus für Aufregung oder gar Mißmut.

Nichts desto Trotz würden wir wahrscheinlich, wenn auch mit murren, dem Gastgeber ein solches Verhalten zugestehen. Schwieriger wird es eher dann, wenn sich Gäste auf die Ehrenplätze drängen und Anspruch darauf erheben. Das würde wohl für erheblichen Unmut sorgen, vor allem dann, wenn nicht klar ist, ob die Ansprüche überhaupt gerechtfertigt sind. Eine solche Begebenheit wird in unserem heutigen Abschnitt berichtet.

- Text lesen: Markus 10, 35 - 45 -

Jemand sagte einmal, ihm würde es genügen im Himmel den Hof zu fegen. Ich denke jeder von uns trägt ein oder sein Bild von der Herrlichkeit Gottes in sich und macht sich seine ganz eigenen Vorstellungen. So zeichnet beispielsweise Hans-Dieter Hüsch in seinem Buch "Wir sehen uns wieder" seine Vorstellungen vom Himmelreich, wie es dort zugeht und wen man wo trifft. Und auch die beiden Söhne des Zebedäus, Jakobus und Johannes, tragen ihr Bild und ihre Vorstellung vom Reich Gottes in sich. Was uns vermutlich seltsam und befremdend anmutet ist Ihre Bitte.

Wie kommen Jakobus und Johannes überhaupt auf so einen Wunsch? Einige Verse zuvor berichtet Markus, wie Jesus denen, die ihm nachfolgen, 100-fachen "Lohn" verspricht bzw. seinen Jüngern (in Mt 19, 28f) verheißt, mit ihm auf zwölf Thronen zu sitzen. Ich kann mir gut vorstellen, daß diese Aussage Jesu bei den Jüngern die Phantasie angeregt hat. Und wenn man schon einen Platz angeboten bekommt, warum dann nicht gleich fragen wo man sitzen kann, fragen kostet ja nichts.

In einer nahezu kindlichen Art kommen die beiden Brüder zu Jesus und verlangen von ihm, ihnen eine Bitte zur erfüllen. Dabei sagen sie nicht, um was es konkret geht und so überrascht es nicht, daß Jesus nachfragt, was er ihnen den erfüllen soll, um was es bei ihrer Bitte geht. Jesus verlangt die ganz konkrete Bitte, zwingt sie zur eigenen und zur genauen Formulierung, was sie von ihm wollen. Und so rücken sie mit der Sprache heraus. Dieses Gespräch hat mich herausgefordert einmal darüber nachzudenken, wie ich mit meinen Anliegen zu Jesus komme. Gewiß gibt es Situationen, in denen ich nicht weiß wie und was ich bitten soll (vgl. Rö 8,26), ich sprachlos vor Gott stehe. Dann soll und darf ich getrost darauf vertrauen, daß Gottes Geist für mich einsteht. Aber genauso gibt es Situationen in denen Jesus mich herausfordert ganz konkret mein Anliegen zu sagen (vgl. z.B. Mt 20, 30-33; Mk 10,46). Denn Vielfach ist es doch nur Bequemlichkeit und die fehlende Auseinandersetzung, wenn wir mit unsere Bitten im Ungenauen bleiben.

Jesus macht Jakobus und seinen Bruder Johannes keine Vorhaltungen, als sie ihr Bitte konkret formulieren. Vielmehr hinterfragt er sie, ob sie die Tragweite ihres Wunsches überdacht haben: "Könnt ihr den Kelch trinken, den ich trinke" und "Könnt ihr mit der Taufe getauft werden, mit der ich getauft werde"? So wird auch Jesus konkret und zwingt sie, sich mit ihrer Bitte auseinanderzusetzen. Und um so überraschter sind wir vielleicht, als wir wiederum die Antwort der Zwei hören. "Natürlich können wir, das ist doch keine Frage"! Was aus diesem vielleicht beherzten aber ebenso vollmundigen Bekenntnis geworden ist, wissen wir. Auch sie haben im Garten Gethsemane geschlafen und haben vor den Häschern mit den anderen die Flucht ergriffen.

Darf ich sie fragen: Können sie? Das mit der Taufe hätten die meisten vermutlich auch bejaht, aber bei dem Kelch ... Erinnern sie sich noch an das Lied vor der Predigt? Haben sie alle Strophen mitgesungen? "Und reichst du uns den schweren Kelch den bittern, des Leids gefüllt bis an den höchsten Rand. So nehmen wir in dankbar ohne zittern, aus deiner guten und geliebten Hand!" Können sie das? Da komme ich selbst beim sprechen ins stottern. Ob Dietrich Bonhoeffer, als er diese Strophe kurz vor seinem Tod gedichtet hat, wußte was auf ihn zukommt? War er so weit, daß er akzeptiert hatte was letztlich schon Paulus an die Römer geschrieben hat: "Alle Dinge müssen uns zum Besten dienen!" (Rö 8,28). Das bedeutet für mich Nachfolge und sein Kreuz auf sich nehmen! Das Leid aus Gottes Hand nehmen, gegen alle verstandes- und gefühlsmäßigen Einwände zu akzeptieren, so paradox es klingt, daß Gott es gut mit mir meint. Das ist eine der ganz großen Herausforderungen des Christ seins überhaupt, im Erleben der Gottverlassenheit an Gott festzuhalten (Mt 27, 46)!

Viele Christen sehen in der Nachfolge und den sich möglicherweise ergebenden Konsequenzen eine Leistung, aus der sich ein Anspruch gegenüber Gott ableiten läßt. Eine Leistung erbringe ich in den meisten Fällen mehr oder weniger freiwillig. In der Nachfolge sieht dies jedoch anders aus, geht es nicht darum, daß ich mir das Leiden aussuche, es ums wollen geht, sondern ich in Situationen gestellt werde und diese zu tragen habe. So gibt Jesus den Zweien und auch uns zu bedenken, daß aus dem anfänglichen "wollen" sehr schnell ein "müssen" werden kann: ihr werdet getauft werden und ihr werdet den Kelch trinken. Dann ist es nicht mehr in unser, in mein Belieben gestellt ob ich will oder kann, dann muß ich! Denn wer die Teilhabe an Christi Herrlichkeit will, der muß auch die Teilhabe an seinem Leiden akzeptieren (Mt 10,38; 16,24 ff und par). Ich betone an dieser Stelle ausdrücklich, daß es nicht darum geht, ein selbstinszeniertes Märtyrertum zu propagieren. Jesus wehrt jeglichem Leistungs- und Anspruchsdenken im Reich Gottes. Denn Gott erwartet keine Leistung von uns, sondern Frucht! Frucht kann ich nicht machen sondern sie muß wachsen. Das ist die Antwort die die zwei Jünger letztlich bekommen, aber ihre eigentliche Bitte bleibt unbeantwortet. Es bleibt offen, wer die Ehrenplätze bei Tisch im Reich Gottes einnehmen wird - lassen wir uns also überraschen.

An dieser Stelle beschäftigt mich eine andere Frage: Wie ist es ihnen beim Hören ergangen? Ich vermute einmal, daß die meisten innerlich ähnlich reagiert haben wie ich, und sie sich über das Verhalten der beiden Jünger geärgert haben. So etwas halten wir für anmassend und frech und für einen Jünger Jesu unwürdig. So ähnlich jedenfalls war meine erste Reaktion. Ganz Recht, daß Jesus sie in die Schranken weist.

So ist es wohl nur allzu verständlich, daß es auch den anderen Zehn zu bunt geworden ist und sie über die beiden Brüder erbost waren. In ihrer Reaktion sind sie mir sehr sympathisch, denn ich erlebe keine idealistische Gruppe wo nur eitler Sonnenschein und vollkommene Harmonie herrschte. Kein Elitetruppe ohne Fehler und Schwächen, sondern ein Gruppe von Menschen die darum bemüht sind, ihren Weg der Nachfolge zu gehen. Und gerade darin werden sie mir zum Vorbild für unser Bemühen in der Nachfolge.

Diese Geschichte verdeutlicht einmal mehr, daß die Jünger, weder die zwei Brüder noch die anderen Zehn erkannt und verstanden haben, worauf es Jesus ankommt, wozu ER auf die Erde gekommen und was sein Auftrag ist. Hinter ihrem Verhalten verbirgt sich der Wunsch nach Anerkennung und Macht. In seiner Antwort auf die Reaktion der Zehn wendet sich Jesus wieder an alle und versucht aufs Neue ihnen zu verdeutlichen, um was es IHM geht. Dabei zeichnet er zunächst ein Bild der Wirklichkeit. Leute sagt er, so ist es, so gehen diejenigen die Macht haben mit denen um, die ihnen unterstellt sind. Sie nützen ihre Macht um sie weiter auszubauen und streben nach Anerkennung. Macht steht immer auch in der Gefahr, mißbraucht zu werden.

Aber so ist es nicht unter euch! Jesus spricht in der Gegenwart, richtet also keinen Appell an die Jünger, sondern stellt fest, daß es so in der Gemeinde Gottes nicht ist! Was ist damit gemeint? Jesus verleugnet damit nicht oder stellt in Abrede daß es dieses Streben nach Macht nicht auch in der Gemeinde gäbe. Auch hier finden wir Hierarchien und damit auch Machtstrukturen. Und es wird auch in der Gemeinde so sein, daß der eine oder die andere nach Größe und Anerkennung streben. Das Problem oder das Verwerfliche ist nicht dieses Bedürfnis, sondern die Art und Weise wie versucht wird, es zu stillen. Hier, in der Art und Weise wie das Bedürfnis gestillt wird, ist der Unterschied zur Welt. Jesus sagt, im Reich Gottes gewinnt derjenige an Anerkennung, der dem anderen dient. Um möglichen Einwänden vorzubeugen die berechtigt darauf hinweisen, daß das Thema dienen auch ausgenützt werden kann oder gar auch wird, möchte ich sagen, daß es beim dienen immer auch um die Selbstverfügbarkeit des einzelnen geht. Damit meine ich, daß ich entscheide zu dienen und nicht von anderen Menschen dazu verpflichtet werde. Und natürlich kann sich auch hinter dienen ein Streben nach Macht und Anerkennung verbergen, und so sollten wir es nicht an einer gewissen Selbstkritik mangeln lassen und unsere eigenen Motive hin und wieder hinterfragen: Kann ich anderen etwas erlauben, was ich mir selbst verbiete oder mir das Leben verweigert hat? Kann ich anderen Fehler, Irrtümer und Schuld verzeihen, die ich mir selbst nur schwer verzeihe?

Jesus unterstreicht und stellt auch an dieser Stelle klar, daß im Reich Gottes andere Maßstäbe gelten. Er macht dies am eigenen Beispiel deutlich. Jesus ist nicht auf die Welt gekommen, um seine Macht für sich zu nutzen, um groß raus zu kommen, um bedient zu werden, sondern um anderen zu dienen (Mt 20,28 par; Phil 2,7). Hier gilt es sich immer wieder an Jesus zu orientieren und von ihm, seinem Verhalten und seiner Beziehung zum Vater zu lernen. Wer andere zum dienen auffordert muß sich fragen lassen wo, wie und wem er dient!

Jesus macht seinen Jüngern einmal mehr klar, wohin der Blick gerichtet sein sollte: hin auf IHN, auf Jesus! Im Blick auf Jesus bin ich gezwungen, mich immer wieder mit seinem Leben und seinen Maßstäben auseinanderzusetzen. Wenn ich das nicht tue, laufe ich Gefahr, mich zusehends dieser Welt und ihren Maßstäben anzugleichen. Schon Paulus ermahnt die Christen in Rom, sich nicht den Maßstäben dieser Welt gleichzustellen (Rö 12,2) sondern sich durch Gottes Geist verändern zu lassen. An Jesus und seinem Wort gilt es sich zu orientieren! Das ist gewiß kein leichtes Unterfangen, aber wer hat gesagt, daß Nachfolge einfach ist und keine Konsequenzen mit sich bringt (Lk 14,25ff)?

Schluß

Im Himmel den Hof kehren oder mit Jesus und Hans Dieter Hüsch im Café "Pilatus" bei einem Cappuchino ein Schwätzchen über vergangene Tage halten oder eine Partie Mühle spielen (H. D. Hüsch, Wir sehen uns wieder; S. 275) - die Vorstellungen vom zukünftigen Himmelreich und wie es dort zugehen wird mögen verschieden sein. Und ich denke daß es nicht verkehrt ist, wenn wir diese Vorstellungen hin und wieder pflegen und ihnen nachhängen.

Aber sie sollten nicht dazu führen, daß sie unser Verhalten und Tun auf dieser Erde prägen und bestimmen. Sie sollten eine Sehnsucht wecken die uns immer wieder in die Gegenwart Gottes und seines Sohnes treibt und unseren Blick auf ihn richtet. Und im Aufblick zu Jesus kann ich dann auch jene Verheißungen wahrnehmen und sie für meine Nachfolge nutzbar machen, in denen Jesus mir seine Gegenwart verspricht und mir zugesagt wird, daß er all meinen Mangel nach seinem Reichtum ausfüllen wird (Phil 4,19).

So nehme ich aus dem Gespräch Jesu mit seinen Jüngern dreierlei mit: Jesu fordert mich auf, konkret zu werden, zwingt mich so, die Konsequenzen zu überdenken und nach den neuen, nach Jesu Maßstäben zu leben und Nachfolge gestalten.

Amen.

- Es gilt das gesprochene Wort! -

Diese Predigt wurde verfasst von:
Karl-Heinz Rudishauser
Altenheimstraße 23
89522 Heidenheim/Brenz
07321/910915
eMail: karl-heinz.rudishauser@t-online.de
nach oben Home Predigten eMail Predigt als PDF zum herunterladen Site Meter