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Predigt über Markus 14, 3 - 9

am 17.4.2011
Palmsonntag

Ort:
Tüllingen


Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Gemeinde!

Einleitung

"Du drausch di was!" Dieser Satz in seiner originalen Aussprache kann ich leider nicht so wiedergeben wie er mir immer noch aus meinen "bayrischen Zeiten" im Ohr ist. Es war unsere damalige Büroleiterin die diesen Satz immer wieder mal sagte. Damit brachte sie zum Ausdruck, wenn jemand in einer Sache seine eigene Meinung vertrat oder ungewöhnliche Wege beschritt und dabei Mut bewies.

Für, zu was braucht es in unseren Tagen noch Mut? Die Wölfe und andere großen Raubtiere sind am Tüllinger schon lange ausgestorben. Unser täglich Brot müssen wir uns auch nicht mehr auf gefährlichen Beutezügen erobern - wobei mancher Einkauf beim Hieber schon ab und an daran erinnert. Was ist Mut eigentlich? Mut braucht es in ungewöhnlichen Situationen oder solchen, die nicht ganz alltäglich sind und die tatsächlich, oder weil wir es meinen und so überliefert bekommen haben, Mut brauchen: Einen Berg zu besteigen der einem alles abverlangt und uns an die Grenzen unser Leistungsfähigkeit bringt. Oder nachts allein durch den Wald zu gehen - wobei dies nach meiner Auffassung weit weniger gefährlich ist, als durch die dunklen Straßen einer Großstadt zu gehen. Mut muss sich jedoch nicht nur auf etwas zwingend gefährliches beziehen. So kann Mut auch derjenige zeigen, der vor Situationen Angst hat, die objektive jedoch überhaupt nicht gefährlich sind (Phobien), sich diesen aber trotzdem stellt. Mutig ist auch jemand, der sich zu einem Sachverhalt stellt, auch wenn er mit Konsequenzen rechnen muss, statt sich davor zu drücken. Und vielleicht ist in unseren Tagen und gegenüber unserem Zeitgeist auch mutig, die Steuererklärung richtig auszufüllen oder an der Kasse die Kassiererin auf einen Fehler hinzuweisen, der zu meinen Gunsten gegangen wäre. Nach dem Schweizer Psychologen Andreas Dick lassen sich drei Grundformen des Mutes unterscheiden: physischer Mut, moralischer oder sozialer Mut und psychologischer oder existenzieller Mut.

Vielleicht braucht es in unseren Tagen auch noch so etwas wie religiösen Mut, Mut zum Bekenntnis. Bekenntnis zu Werten die mir wichtig sind, Bekenntnis zu einem christlichen Menschen- und Wertebild. Das ist schwieriger und macht mich angreifbarer als ein einfaches, zeitgemäßes "Multikulti-Bekenntnis".

Soweit ein kleiner Exkurs zum Thema Mut. Hören wir uns mal eine Geschichte an, in der jemand auch Mut bewiesen hat, ganz persönlichen Mut.

- Text lesen: Mk 14, 3-9 -

Die Geschichte von der Salbung Jesu wird in allen vier Evangelien berichtet. Allerdings sind nicht alle vier Berichte bis ins Detail identisch. Gleich ist, dass es eine Frau ist, die Jesus salbt, entweder das Haupt oder die Füße. Vom Namen dieser Frau erfahren wir nur etwas in der Überlieferung von Johannes, dort ist es Maria, die Schwester des Lazarus und der Marta. Ansonsten bleibt diese Frau namenlos. Als Ort des Geschehens wird der Ort Betanien genannt, der Ort, in dem Jesus den Lazarus auferweckt hat und in dem dieser mit seinen beiden Schwestern lebte. Gut denkbar, dass Jesus in diesem Ort auch noch andere Wunder vollbrachte und er nun in dem Haus jenes, vermutlich geheilten (wenn er nicht geheilt wäre, würde er wohl kaum Gäste bei sich beherbergen können) Aussätzigen Simon zu Gast war, wie er bei Matthäus und Markus genannt wird. Simon hatte zu diesem Festmahl geladen, möglicherweise um seine Dankbarkeit für seine Heilung zum Ausdruck zu bringen. Und er stellt den in den Mittelpunkt, dem er seine Heilung verdankt. Diese Runde bestand vermutlich ausschließlich aus Männern, so wie es in jener Zeit üblich war. Und dann geschieht das Unfassbare, eine Frau tritt herein.

Zwei Aussagen möchte ich zu dieser Erzählung treffen:

1. Aus Dankbarkeit mutig - Alles für Jesus

Eine Frau, das klingt fast schon verächtlich, bricht ein in diese Männerrunde. Sie läutet nicht an der Tür und wartet nicht bis sie hineingebeten wird. Kein "Simon gestattest du, dass ich dein Fest einen Augenblick störe?" und auch kein "Entschuldigung, dass ich einfach so hereinplatze!" Statt dessen geht sie schnurstracks auf Jesus zu, holt ein Fläschchen mit einem kostbaren Öl hervor (geschätzter Preis wohl fast ein damaliges Jahresgehalt; zur Berechnung vgl. Mt 20,2) und goss es Jesus über das Haupt.

Die traut sich was - sie beweist Mut. Sie dringt in eine reine Männerrunde ein, in der eine Frau nichts verloren hatte. Was hat sie dazu bewogen? Woher nahm sie den Mut?

Die Reaktionen steigern sich von "ärgerlich sein" bis hin zu "zornig anfahren" und der Aufrechnung, was man mit diesem Öl nicht alles hätte Gutes tun können. Der Vorwurf kommt aus dem Kreis der Jünger, namentlich wird er bei Johannes als Judas identifiziert, was dem ganzen natürlich eine besondere Note gibt. Während Judas für seinen Verrat 30 Silberlinge bekommt (ca. 35 EUR), "verschenkt" die Frau das vierfache (150 EUR) für diesen Akt der Liebe. Für die Jünger war dies "sinnlose Verschwendung", Vernichtung von Wertvollem" (Bedeutung von apoleia).

Leuchtet nicht auch uns diese Argument, was für eine apoleia, eine sinnlose Vernichtung von etwas Kostbaren, ein? Wenn wir nicht "christlich sozialisiert" wären, dann würden wir vermutlich auch der Argumentation der Jünger folgen. Denn denken wir nicht auch, dass man mit dem Erlös aus dem Verkauf viel Gutes hätte tun können? Auch in unseren Tagen und christlichen Kreisen ist es immer wieder Thema, was hat Priorität: Anbetung oder Almosen, Rechtfertigung oder Heiligung, Evangelisation oder Sozialarbeit. Was ist "christlicher"? Aber unsere Beziehung zu Jesus ist weder eine Leistungs- noch eine Rechenaufgabe. Diese Frau gibt sich Jesus hin, weil sie erfahren und erkannt hat, dass Jesus sie vor Gott gerecht macht, ihre Beziehung zum himmlischen Vater durch Jesus heil wird. In ihrer Salbung bringt sie ihre ganze Dankbarkeit Jesu gegenüber in scheinbarer Verschwendung zum Ausdruck.

Und doch: Ist das nicht auch immer wieder unsre Frage? Dass wir hier heute morgen im Gottesdienst sitzen, ist das nicht Verschwendung? Könnten wir mit dieser Stunde nicht anderes, besseres anfangen? Wer so denkt, denkt falsch - weil er rechnet! Aber mit Jesus hat die Rechnerei aufgehört!

2. Aus Liebe mutig- alles für uns

Während vermutlich alle Anwesenden in jenem Haus in Betanien immer noch mehr oder weniger lebhaft darüber diskutierten, was sich diese Frau herausnahm, gingen einem ganz andere Gedanken durch den Kopf. Was war hier geschehen, ging es nur darum, zu klären, was Vorrang hat? Wofür Nachfolger Jesu, Christen, ihr Geld, ihre Habe und Zeit einsetzen?

Da durchbrach dieser eine, Jesus, das aufgeregte Gemurmel: Lasst sie in Frieden, sie hat ein gutes Werk an mir getan! Es wird still im Raum, erstaunte Blicke richten sich auf Jesus. Ein gutes Werk getan, ja wie denn? An Jesus? Ich mache ungläubige und verdutzte Blicke in der Runde aus.

Wir können Jesus Gutes tun - können wir das? Ist das überhaupt möglich? Ich denke an Mt 25,40: "Was ihr einem dieser meinen geringsten Brüdern getan habt, das habt ihr mir getan." Also doch der Weg über die Armen? Im Grundsatz ja, insbesondere in unseren Tagen, da Jesus ja nicht mehr leibhaftig unter uns ist. Und selbst heute braucht es Momente in denen wir uns Jesus ganz zuwenden, still werden und uns auf ihn ausrichten. Aber in dieser Situation als diese Frau zu ihm trat, ging es um etwas ganz anderes.

Als einziger erkennt Jesus in diesem Dienst einen Dienst an ihm. Jesus zeigt und macht an dieser Stelle deutlich: Es geht im Reich Gottes nicht ums rechnen, berechnen und aufrechnen. Was diese Frau hier macht, hat eine ganz andere Dimension. Jesus weiß, was ihn in dieser Woche erwartet, er kennt seinen Weg und das, was ihm am Freitag bevorsteht. In der Geste dieser Frau erfährt er nochmals eine Zurüstung, eine Stärkung für seinen Weg.

In dieser Salbung vollzieht diese Frau nicht nur eine Handlung wie sie Toten zuteil wurde, sondern auch eine Königssalbung. Könige und Hohepriester wurden gesalbt. So wird Jesus im Haus des Simon in seiner Beauftragung gestärkt, ähnlich wie durch die Stimme bei seiner Taufe. Gott wendet sich in dieser Situation seinem Sohn zu, gibt ihm eine Bestätigung seiner Beauftragung. Diese Frau vollzieht eine bleibende Zeichenhandlung an Jesus.

So wie diese Frau sich Jesus zugewandt hat, allein aus Dankbarkeit. So wie sich dieses wertvolle Salböl über das Haupt Jesu ergoss - haben Sie das Bild vor Augen - ist Ihre Salbung ein Bild für das, was Jesus für die Menschen, für uns, sie und mich tun und erleiden wird. Ich kann mir vorstellen dass dieser Raum erfüllt wurde vom Duft dieser Pflanze (Valeriana jatamansi, Syn.: Nardostachys jatamansi), die im Himalaja bis auf eine Höhe von bis zu 5.500 Metern wächst (!). Und in dieser Art durchströmt auch die Hingabe und Liebe des Gottessohnes diese Welt. Bis hinein in unsere Tage, hinein in diesen Gottesdienstraum, hinein in ihr und mein Leben.

Schluss

In dieser Geschichte wird deutlich, im Leben eines Christen, in ihrem und meinem Leben geht es in der Beziehung zu Jesus nicht ums rechnen, nicht ums aufrechnen und nicht ums berechnen. Es ist vielmehr eine Geschichte, bei der es um den Einsatz geht. Einen Einsatz ohne Berechnung, ohne Kalkül, einen Einsatz aus Hingabe.

Diese Hingabe können wir nicht machen und auch nicht erzwingen. Wir können nicht einfach mit den Fingern schnipsen und schon ist sie da. Sie muss in uns aus Gottes Liebe heraus wachsen. Diese Liebe und diese Hingabe ist immer auch ein Geschenk Gottes. Und aus dieser Liebe und Hingabe heraus können wir uns was trauen und unsere Prioritäten richtig setzen.

Diese Frau, namenlos oder Maria, die Schwester des Lazarus, sie traut sich etwas, weil sie ihre Prioritäten in ihrem Leben erkannt und gesetzt hat. Sie hat aufgehört zu rechnen. Sie bekennt sich mit ihrer Tat zu dem "Gelobt sei, der da kommt!" und bekennt sich ganz zu ihm.

In dieser Woche wird sich auch für uns entscheiden, was wir am Ende rufen und bekennen werden. Trauen wir uns was!

Amen.

- Es gilt das gesprochene Wort! -

Diese Predigt wurde verfasst von:
Karl-Heinz Rudishauser
Obertüllingen 107
79539 Lörrach-Tüllingen
07621/9153229
eMail: karl-heinz.rudishauser(a)t-online.de
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