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Predigt über Markus 14, 3-9

am 9.4.2017
Palmsonntag

Ort:
Betberg


Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Gemeinde!

Einleitung

„Du drausch di was!“ Diese Aussage stammt von einer früheren Arbeitskollegin von mir. Mit diesem Satz brachte sie ihren Respekt zum Ausdruck, wenn jemand in einer Sache seine eigene Meinung vertrat oder ungewöhnliche Wege beschritt und damit Mut bewies. Für, zu was braucht es in unseren Tagen überhaupt noch Mut? Die Wölfe und andere großen Raubtiere sind im Schwarzwald und der Rheinebene schon lange ausgestorben. Unser täglich Brot müssen wir uns auch nicht mehr auf gefährlichen Beutezügen erobern – wobei mancher Einkauf im Aldi schon ab und an daran erinnert. Was ist Mut eigentlich? Hören wir einmal, was uns die Psychologen dazu sagen. Mut braucht es in ungewöhnlichen Situationen. In Situationen die nicht ganz alltäglich sind - tatsächlich oder weil wir es meinen und so überliefert bekommen haben: Einen Berg zu besteigen der einem alles abverlangt und uns an die Grenzen unser Leistungsfähigkeit bringt. Oder nachts allein durch den Wald zu gehen – wobei dies nach meiner Auffassung weit weniger gefährlich ist, als durch die dunklen Straßen mancher Quartiere einer Großstadt zu gehen. Mut muss sich jedoch nicht nur auf etwas zwingend gefährliches beziehen.1 So kann Mut auch derjenige zeigen, der vor Situationen Angst hat, die objektiv jedoch überhaupt nicht gefährlich sind (Phobien), sich diesen aber trotzdem stellt. Mutig ist auch jemand, der sich zu einem Sachverhalt stellt, auch wenn er mit Konsequenzen rechnen muss, statt sich davor zu drücken. D. Bonhoeffer bewies Mut, blieb dem treu was er für richtig hielt und wurde heute vor 72 Jahren im KZ Flossenbürg hingerichtet. Nach dem Schweizer Psychologen Andreas Dick lassen sich drei Grundformen des Mutes unterscheiden: physischer Mut, moralischer oder sozialer Mut und psychologischer oder existenzieller Mut.2

Vielleicht braucht es in unseren Tagen auch noch so etwas wie religiösen, geistlichen Mut, Mut zum Bekenntnis. Bekenntnis zu Werten die mir wichtig sind, Bekenntnis zu einem christlichen Menschen- und Wertebild, Mut das zu bekennen, was ich glaube. Das ist schwieriger und macht mich angreifbarer als ein einfaches, zeitgemäßes „Multikulti-Bekenntnis“.

Soweit ein kleiner Exkurs zum Thema Mut. Hören wir uns mal eine Geschichte an, in der jemand auch Mut bewiesen hat, ganz persönlichen Mut.

- Text lesen: Mk 14, 3-9 -

Die Geschichte von der Salbung Jesu wird in allen vier Evangelien berichtet. Allerdings sind nicht alle vier Berichte bis ins Detail identisch. Gleich ist, dass es eine Frau ist, die Jesus salbt, entweder das Haupt oder die Füße. Vom Namen dieser Frau erfahren wir nur etwas in der Überlieferung von Johannes, dort ist es Maria, die Schwester des Lazarus und der Marta. Ansonsten bleibt diese Frau namenlos. Als Ort des Geschehens wird der Ort Betanien genannt, der Ort, in dem Jesus Lazarus auferweckt hat und in dem dieser mit seinen beiden Schwestern lebte. Gut denkbar, dass Jesus in diesem Ort auch noch andere Wunder vollbrachte und er nun in dem Haus jenes, vermutlich geheilten (wenn er nicht geheilt wäre, würde er wohl kaum Gäste bei sich beherbergen können) Aussätzigen Simon, so wird er bei Matthäus und Markus genannt, zu Gast war. Simon hatte zu diesem Festmahl geladen, möglicherweise um seine Dankbarkeit für seine Heilung zum Ausdruck zu bringen. Und er stellt den in den Mittelpunkt, dem er seine Heilung verdankt. Diese Runde bestand vermutlich ausschließlich aus Männern, so wie es in jener Zeit üblich war. Und dann geschieht das Unfassbare, eine Frau tritt herein.

Zwei Gedanken dazu:

  • Aus Dankbarkeit mutig – Alles für Jesus
  • Aus Liebe mutig – Alles für uns
  • 1. Aus Dankbarkeit mutig - Alles für Jesus

    Eine Frau, das klingt fast schon verächtlich, bricht ein in diese Männerrunde. Sie läutet nicht an der Tür und wartet bis sie hineingebeten wird. Kein „Simon gestattest du, dass ich dein Fest einen Augenblick störe?“ und auch kein „Entschuldigung, dass ich einfach so hereinplatze!“ Statt dessen geht sie schnurstracks auf Jesus zu, holt ein Fläschchen mit einem kostbaren Öl hervor (geschätzter Preis wohl fast ein damaliges Jahresgehalt; zur Berechnung vgl. Mt 20,2) und goss es Jesus über das Haupt. Bedeutsam scheint mir, dass sie den Inhalt der Flasche nicht nur austräufelte oder ausgoss, sondern das Fläschchen zerbrach. Da wird nichts zurückbehalten oder als Reserve aufbewahrt. Das ist ganz Hingabe. Sie traut sich was – sie beweist Mut. Sie dringt ein in eine reine Männerrunde, in der eine Frau nichts verloren hatte. Was hat sie dazu bewogen? Woher nahm sie den Mut?

    Die Reaktionen der Anwesenden steigern sich von „ärgerlich sein“ bis hin zu „zornig anfahren“ und der Aufrechnung, was man mit diesem Öl nicht alles hätte Gutes tun können. Der Vorwurf kommt aus dem Kreis der Jünger, namentlich wird er bei Johannes als Judas identifiziert, was dem ganzen natürlich eine besondere Note gibt. Während Judas für seinen Verrat 30 Silberlinge bekommt (ca. 35 EUR), „verschenkt“ die Frau das vierfache (150 EUR) für diesen Akt der Liebe. Für die Jünger war dies „sinnlose Verschwendung“, Vernichtung von Wertvollem“ (Bedeutung von apoleia). Sinnlos, weil sie keinen Gegenwert sahen. Aber Sinn macht sich nicht allein am Wert fest. So sind die Jünger in ihrem Denken ganz im hier und jetzt gefangen. Sie verlieren sich in den Nebensächlichkeiten des Lebens und verlieren dabei das Wesentliche, den Wesentlichen aus dem Blick.

    Leuchtet nicht auch uns dieses Argument ein, was für eine apoleia, was für eine sinnlose Vernichtung von etwas Kostbaren? Wenn wir nicht „christlich sozialisiert“ wären, würden vermutlich auch wir der Argumentation der Jünger folgen. Denn denken wir nicht auch, dass man mit dem Erlös aus dem Verkauf viel Gutes hätte tun können? Auch in unseren Tagen und christlichen Kreisen ist es immer wieder Thema, was hat Priorität: Anbetung oder Almosen, Rechtfertigung oder Heiligung, Evangelisation oder Sozialarbeit. Was ist „christlicher“? Aber unsere Beziehung zu Jesus ist weder eine Leistungs- noch eine Rechenaufgabe.3 Diese Frau gibt sich Jesus hin, weil sie erfahren und erkannt hat, dass Jesus sie vor Gott gerecht macht, ihre Beziehung zum himmlischen Vater durch Jesus heil wird. In ihrer Salbung bringt sie ihre ganze Dankbarkeit Jesu gegenüber in scheinbarer Verschwendung zum Ausdruck.

    Und doch: Ist das nicht auch immer wieder unsre Frage? Dass wir hier heute morgen im Gottesdienst sitzen, ist das nicht Verschwendung? Könnten wir mit dieser Stunde nicht anderes, besseres anfangen? Diese Reaktion, dieses Rechnen ist verständlich und durchaus nachvollziehbar. Aber wer daran festhält, der denkt falsch – weil er rechnet! Aber mit Jesus hat die Rechnerei aufgehört! Er nimmt die Verschwendung an und richtet so den Blick auf das Wesentliche:

    2. Aus Liebe mutig- alles für uns

    Während vermutlich alle Anwesenden in jenem Haus in Betanien immer noch mehr oder weniger lebhaft darüber diskutierten, was sich diese Frau herausnahm, gingen einem der Anwesenden ganz andere Gedanken durch den Kopf. Was war hier geschehen, ging es nur darum, zu klären, was Vorrang hat? Wofür Nachfolger Jesu, Christen, ihr Geld, ihre Habe und Zeit einsetzen?

    Da durchbrach dieser eine, Jesus, das aufgeregte Gemurmel: Lasst sie in Frieden, sie hat ein gutes Werk an mir getan! Es wird still im Raum, erstaunte Blicke richten sich auf Jesus. Ein gutes Werk getan, ja wie denn? An Jesus? Ich mache ungläubige und verdutzte Gesichter in der Runde aus.

    Ich frage an dieser Stelle: Wir können Jesus Gutes tun – können wir das überhaupt? Ist das überhaupt möglich? Ich denke an Mt 25,40: „Was ihr einem dieser meinen geringsten Brüdern getan habt, das habt ihr mir getan.“ Also doch der Weg über die Armen? Im Grundsatz ja, insbesondere in unseren Tagen, da Jesus ja nicht mehr leibhaftig unter uns ist. Aber auch, und das lehrt mich diese Erzählung, in den Momenten in denen wir uns Jesus ganz zuwenden, still werden und uns auf ihn ausrichten. Denn in dieser Situation als diese Frau zu ihm trat, sich Jesus ganz zuwendet, geht es ihr um etwas ganz anderes als um Almosen: es geht um Jesus.

    Jesus erkennt in diesem Dienst einen Dienst an sich selbst. Jesus zeigt und macht an dieser Stelle deutlich: Im Reich Gottes geht es nicht ums rechnen, nicht ums berechnen und nicht ums aufrechnen. Was diese Frau hier macht, hat eine ganz andere Dimension. Jesus weiß, was ihn in dieser Woche erwartet, er kennt seinen Weg und das, was ihm am Freitag bevorsteht. In der Geste dieser Frau erfährt er nochmals eine Zurüstung und Zuspruch, eine Stärkung für seinen Weg.

    In dieser Salbung vollzieht diese Frau nicht nur eine Handlung wie sie Toten zuteil wurde, sondern auch eine Königssalbung. Könige und Hohepriester wurden gesalbt. So wird Jesus am Ende seiner irdischen Wirksamkeit im Haus des Simon in seiner Beauftragung gestärkt, ähnlich wie zu Beginn durch die Stimme Gottes bei seiner Taufe. Gott wendet sich in dieser Situation seinem Sohn zu, gibt ihm eine Bestätigung seiner Beauftragung. Diese Frau vollzieht eine bleibende Zeichenhandlung an Jesus. Ich frage mich: Kann das zerbrechen des Fläschchens auch ein Bild dafür sein, dass auch in meinem Leben etwas zerbricht, zerbrechen muss, wenn ich mich Jesus ganz hingebe? Meine Lebensentwürfe, manche Verhaltensweisen, manche liebgewonnen Gewohnheiten? Bin ich dazu bereit?

    So wie diese Frau sich Jesus zugewandt hat, allein aus Dankbarkeit. So wie sich dieses wertvolle Salböl über das Haupt Jesu ergoss – haben Sie das Bild vor Augen - ist Ihre Salbung ein Bild für das, was Jesus für die Menschen, für uns, sie und mich tun und erleiden wird. Ich kann mir vorstellen dass dieser Raum erfüllt wurde vom Duft dieser Pflanze (Valeriana jatamansi, Syn.: Nardostachys jatamansi), die im Himalaja bis auf eine Höhe von bis zu 5.500 Metern wächst (!). Und in dieser Art durchströmt auch die Hingabe und Liebe des Gottessohnes diese Welt. Bis hinein in unsere Tage, hinein in diesen Gottesdienstraum, hinein in ihr und mein Leben.

    Schluss

    In dieser Geschichte wird deutlich, im Leben eines Christen, in ihrem und meinem Leben geht es in der Beziehung zu Jesus nicht ums rechnen, nicht ums aufrechnen und nicht ums berechnen. Es ist vielmehr eine Geschichte, bei der es um den Einsatz geht. Einen Einsatz ohne Berechnung, ohne Kalkül, einen Einsatz aus Hingabe.

    Diese Hingabe können wir nicht machen und auch nicht erzwingen. Wir können nicht einfach mit den Fingern schnipsen und schon ist sie da. Sie muss in uns aus Gottes Liebe heraus wachsen. Und aus dieser Liebe und Hingabe heraus können wir uns was trauen und unsere Prioritäten richtig setzen.

    Diese Frau, namenlos oder Maria, die Schwester des Lazarus, sie traut sich etwas, weil sie ihre Prioritäten in ihrem Leben erkannt und gesetzt hat. Die Frau traut sich etwas weil sie Jesus ver-traut. Sie hat aufgehört zu rechnen. Sie bekennt sich mit ihrer Tat zu dem „Gelobt sei, der da kommt!“ und bekennt sich ganz zu IHM. Sie kann die Nebensächlichkeiten ihres Lebens in diesem Augenblick hinter sich lassen. In der diesjährigen Jahreslosung werden darin erinnert, dass uns ein neues Herz und ein neuer Geist verheißen ist. Dadurch können auch wir unsere Nebensächlichkeiten hinter uns lassen und uns ganz hingeben.

    In dieser Woche wird sich auch für uns entscheiden, was wir am Ende rufen und bekennen werden. Trauen wir uns was!

    Amen. - Es gilt das gesprochene Wort! -

    Diese Predigt wurde verfasst von:
    Karl-Heinz Rudishauser
    Obertüllingen 107
    79539 Lörrach-Tüllingen
    07621/9153229
    eMail: karl-heinz.rudishauser(a)t-online.de

    1 Wikipedia - Artikel Mut (Tugend); http://de.wikipedia.org/wiki/Mut_(Tugend); 9.4.2011
    2 a.a.O.
    3 KRIMMER, Dr. Heiko. "Brot für die Welt" oder "Parfum für Jesus, in: Zuversicht und Stärke; Hrsg. Ludwig-Hofacker-Vereinigung; Hänssler; Holzgerlingen 2005, Februar - März 2005, 3. Reihe - Heft 2, S. 64;

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