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Predigt über Markus 1, 32-39

am 22.10.2017
19. Sonntag n. Trinitatis

Ort:
Seefelden


Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Gemeinde!

Einleitung

Ich habe es ja nicht so mit Amerika und den Amerikanern, vor allem nicht mit dem politischen Amerika, insbesondere in diesen Tagen. Aber wissen sie was mich immer wieder beeindruckt, wenn Berichte aus dem Weisen Haus in Washington kommen? Wenn gezeigt wird, wenn der Präsident den Presseraum betritt. Dann öffnet ein Saaldiener die Tür und kündet sein Erscheinen an und alle Anwesenden stehen auf. Das erinnert mich an die Herolde und Fanfaren in früheren Jahrhunderten die das Ankommen einer besonderen Persönlichkeit anzeigen.

Damit wird deutlich gemacht, dass da nicht irgendeiner reinkommt, sondern der Präsident, der höchste Mann im Staat. Derjenige, der die Geschicke dieses Landes und weit darüber hinaus maßgeblich beeinflussen kann.

Die Evangelien sind nicht nur chronologisch aufgebaut und erzählen die Lebensgeschichte Jesu beginnend bei seiner Geburt bis hin zu seinem Tod – nein sie Enden nicht mit seinem Tod sondern erzählen weiter von seiner Auferstehung und Himmelfahrt. Sie erzählen die ganze Geschichte zu Ende und damit es ist nicht nur eine Geschichte sondern die Heilsgeschichte! Und neben dieser Chronologie machen alle Evangelien immer auch eine Ankündigung, machen die Schreiber gleich klar, worum es ihnen geht. Ich denke da nur an den prägnanten Beginn des Johannesevangeliums: Am Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott und Gott war das Wort. Die Verse des Bibelabschnittes die dem heutigen Predigttext zu Grunde liegt haben für mich auch den Charakter einer solchen „Heroldsankündigung“. Da wird auf einen hingewiesen der dieser Welt in anderer Weise begegnet, in besonderer Weise verankert ist und dabei sein Ziel im Auge behält.

- Text lesen: Mk 1, 32 - 39 -

Als ich das gelesen habe, musste ich erst einmal durchatmen. Da bin ich einmal mehr mit Wirklichkeiten konfrontiert worden, die ich so in meinem Alltag vielfach nicht wiederfinde und die mir in dem einen oder anderen auch fremd sind. Ich höre von Menschen die von den unterschiedlichsten Krankheiten geheilt oder befreit werden. Ich begegne Jesus der deutlich macht, wo er sich verankert und wozu ER in diese Welt gekommen ist. Diesen drei Gedanken möchte ich in dieser Predigt nachgehen:

  • Jesus begegnet Menschen in ihren Lebenssituationen.
  • Jesus verankert sich immer wieder bei seinem Vater.
  • Jesus weiß um seinen Auftrag und sein Ziel.
  • 1. Jesus begegnet Menschen in ihren Situationen

    Dann wenn alle schlafen und zu Bett gegangen sind, dann, wenn das normale Leben zur Ruhe gekommen ist, dann kommen sie hervor: Die Kranken und die von Dämonen besessenen. Die Kranken können wir noch sehen, aber die von Dämonen besessenen? Das passt nicht mehr in unsere Welt und unser Weltbild. Die Dämonen sind mit der Aufklärung ausgestorben - wirklich? Bei den vielen Formen von Süchten und Belastungen die wir heute kennen und erleben, habe ich da manchmal so meine Zweifel. Aber nehmen wir die „Besessenen“ einfach als Bild für all diejenigen, die am Rande der Gesellschaft leben müssen. Weil wir ihr Verhalten und ihr Lebensschicksal nicht erklären können. Weil sie nicht in das normale Schema passen.

    Diese Geschichten von Krankenheilung und vor allem Dämonenaustreibungen befremden uns. Sie passen so nicht mehr ganz in unser Weltbild und Lebenserfahrung. Mit der Aufklärung und der wissenschaftlichen Entwicklung haben diese Dinge zunehmend, und heute vermutlich nahezu vollkommen ihren Schrecken verloren. Wir haben unsere Ärzte, die medizinische Technik mit Apparaten und Medikamenten, wir haben unsere Psychologen, Psychiater und Psychopharmaka. Aber ist das wirklich so, dass damit Krankheiten ihren Schrecken und ihre Konsequenz verloren haben?

    Finden wir uns statt dessen nicht auch heute immer in Situationen wieder, in denen uns Krankheiten aber auch Sorgen und andere Nöte an den existenziellen und menschlichen Abgrund führen? Trotz allem medizinischen und technischen Fortschritt? Da stellt sich die Frage: Wer gibt uns Geborgenheit und Trost? Wer gibt uns eine Perspektive? Wer oder auch was hält uns in solchen Lebenslagen? An was können wir uns wirklich klammern? Wir wissen, nicht jeder medizinische Eingriff gelingt und nicht jede Therapie führt zur Genesung. Was dann, wenn alles menschliche Wissen und Können nicht mehr greift?

    Manchmal denke ich, dass wir uns trotz allem Fortschritt in den existenziellen Situationen unseres Lebens nicht groß von jenen Menschen unterscheiden, die sich damals bei Jesus zusammengefunden haben. Ich will es einmal so formulieren: Die körperliche Genesung ist nur ein Aspekt. Der andere und vermutliche tiefer gehende ist, was unserem Leben Sinn, Halt und Perspektive über den Tod hinaus gibt. Denn, darüber sind wir uns einig: Auch wenn ich einmal eine Krankheit, einen medizinischen Eingriff gut überstanden habe, der Tag an dem ich aus dem Leben scheiden muss wird kommen und spätestens da stellt sich diese grundsätzliche Frage wieder neu. Und spätestens dann, sollte ich sie beantworten können.

    In jener Nacht kommen sie alle mit ihren Sorgen, Lebensängsten und Nöten zu Jesus, aus den unterschiedlichsten Gründen von letzter Hoffnung und tiefem Glauben bis hin zu einfacher Neugier und Sensationslust. Und ER nimmt sich ihrer an – vorbehaltlos! Die Kranken heilt er und bei den Besessenen treibt er die Dämonen aus, er befreit sie. Das heißt doch nichts anderes als dass Jesus sie alle wieder auf die Spur zurücksetzt, sie aufgleist auf die „Lebensbahn“ die Gott für sie gedacht hat. Ich frage: Müssen auch wir nicht – zumindest hin und wieder – befreit, auf die Gleise gestellt werden die Gott für unser Leben gedacht hat, die im ursprünglichen Sinn schöpfungsgemäß sind?

    Jesus nimmt sich der Menschen, nimmt ihr und mein Leben ernst und der jeweiligen Lebenssituation an. Das ist das eine. Ein anderes ist:

    2. Jesus verankert sich immer wiederbei seinem himmlischen Vater

    Was für eine Nacht – wow! Müsste ER da nicht weitermachen, auf der Erfolgswelle weitersurfen, den Hype ausnutzen, weiter Punkte sammeln bei den Menschen und potentiellen Nachfolgern? Ja, natürlich – völlig unverständlich warum Jesus jetzt abbricht, das Spiel nicht weiter spielt. Warum nicht? Weil Jesus in ganz anderen Maßstäben denkt als wir das tun. Weil Jesus einen ganz anderen Blick auf sich, die Menschen um ihn herum und die Welt und das Leben des Einzelnen und grundsätzlich hat. Es geht IHM nicht allein um das hier und jetzt, darum das Menschen, für die es gewiss bitterlich nötig, nein Not-wendig gewesen wäre, dass Jesus sich ihrer und ihrer Situation, ihrem Leiden und Sorgen angenommen hätte. Statt dessen zieht sich Jesus zurück. Was für eine Enttäuschung für alle die noch nicht geheilt waren, die in der Reihe als Nächste dran gekommen wären, und vermutlich waren es alle, die anderes erwartet hatten. Jesus zieht sich zurück, lässt sie einfach stehen und sucht den Kontakt, das vertraute Gespräch mit seinem himmlischen Vater.

    Prinzipiell ist dies eine christliche, geistliche Binsenweisheit, sozusagen eine geistliche Banalität. Übrigens, haben sie schon einmal darüber nachgedacht, was banal ist? Als banal oder Banalität bezeichnen wir eine Situation dann, wenn wir zu etwas aufgefordert werden was wir theoretisch wissen, vom Verstand her kennen oder können, aber es selbst praktisch nicht umsetzen! Und so frage ich mich und sie: Wie sieht das in unserem Leben aus? Wissen wir noch, wo, an wem wir uns andocken, verankern müssen und achten wir auf diese Verankerung? Bei Jesus können wir sehen, wie er sich immer wieder zurückzieht und sich bei seinem himmlischen Vater festmacht (z.B. Lk 5,16; Mt 26,36 u.a.)

    Indem Jesus sich immer wieder zurück zieht, herausnimmt aus allem menschlichen Streben und die Gemeinschaft mit seinem Vater sucht macht er deutlich, dass ER weiß, dass er nichts von sich aus tun kann. Dass ER in seinem Tun und Wirken an den Vater gebunden ist. ER will das tun und in die Welt bringen, was der Vater will. Jesus hat nicht den weltlichen Erfolg und die Zustimmung, den Jubel der Menschen vor Augen, sondern es geht ihm darum, den Willen Gottes zu erfüllen. Damit ihm das möglich ist, sucht er immer wieder die Stille und die Gemeinschaft mit seinem Vater und verankert sich so.

    In meiner Begegnung mit diesen Versen bin ich ins Nachdenken darüber gekommen, wie ich mich in meinem oft trubeligen Alltag, im Spannungsfeld von Beruf und Familie und vielfach auch Gemeinde, verankere? Wann suche ich die Stille, ziehe ich mich bewusst zurück und begebe mich auf meinen ganz persönlichen Berg meiner Gottesbegegnung? Mir ist neu bewusst geworden, dass auch für mich diese Verankerung bei Gott wichtig ist und ganz bewusst gelernt und gelebt werden muss. Gelebt durch Gebet, Gemeinschaft und dem Wort Gottes.

    3. Jesus kennt seinen Auftrag und ER weiß um sein Ziel

    Jesus bricht ab, geht in eine neue Stadt, fängt wieder von vorne an. Hinweis darauf, dass auf dieser Welt Gottes Reich immer nur bruchstückhaft erkannt werden kann und zum Vorschein kommt.

    Jesus weiß um seinen Auftrag, er weiss, dass sein Weg nicht über die Jubelstürme der Menschen geht, die heute Hosiana und morgen kreuzige ihn schreien. Wir legen zu schnell unsere menschlichen Maßstäbe an und die sind leider meist zum scheitern verurteilt bzw. führen nicht zum Ziel, nicht zum Ziel Gottes!

    Ich bin mir gewiss dass Jesus wusste, dass er nicht alle Kranken heilen und alle Dämonen austreiben konnte und musste. Was Jesus tat waren reale zeichenhafte Handlungen die denjenigen, die sie erleben, direkt oder indirekt aufzeigten, was im Reich Gottes möglich ist. Und dann, wenn Gottes Reich endgültig für alle sichtbar aufgerichtet ist, für alle Wirklichkeit werden wird. Aber bis dahin bleibt es bei den Zeichen.

    Jesus geht weiter in das nächste Dorf, in die nächste Stadt zu anderen Menschen. Auch sie müssen von den Möglichkeiten und Realitäten im Reich Gottes erfahren. Dann, wenn kein Leid und kein Geschrei mehr sein wird (Off 21,4)! Und in dem er weitergeht lässt er Kranke und Besessene zurück. Lässt Menschen zurück die in diesem Leben und dieser Welt weiter mit ihrer Krankheit und ihrem Leid kämpfen und sich damit auseinandersetzen müssen. Aber: Jesus lässt sie zurück mit einer neuen Hoffnung, einer neuen Perspektive auf die Möglichkeiten Gottes! Was sich von diesem in unserem jetzigen Leben bereits verwirklichen wird – ich weiß es nicht. Aber in der Zukunft schon, dann ist es Wirklichkeit!

    Wie sagte kürzlich jemand: Wenn es zu Ende ist, dann ist es gut. Und wenn es noch nicht gut ist, dann ist es noch nicht zu Ende. Wir müssen das Leben loslassen, das wir geplant haben um das zu leben, was vor uns liegt. (Joseph Campbell). Letzteres bedeutet doch auch, unsere Vorstellungen loszulassen, wie Gott in unserem Leben wirkt und dafür offen zu werden, was ER in unserem Leben alles tut. Ich weiß – alles einfacher gesagt als getan! Und dennoch sollten wir uns dieser Herausforderung stellen und nicht davor zurück schrecken. Denn wer hat gesagt, dass unser Leben einfach werden wird (Bedenke 1Mos 3,19)?

    Schluss

    Ich schließe: Haben sie den Heroldsruf gehört der durch diese Verse an uns ergangen ist?

    Wir haben einen Christus, einen Heiland der uns Menschen begegnet, in unserer jeweils eigenen Lebenslage und Lebenssituation.

    Wir haben einen Christus, der uns daran erinnert und es uns vorlebt, wo wir verankert sind. Dieser Verankerung sollten wir uns immer wieder bewusst sein und sie pflegen – im Gebebt, der Bibellese und der Gemeinschaft mit anderen Christen.

    Wir haben einen Christus der uns an unseren Auftrag und unser Ziel erinnert.

    Gebe Gott seinen Segen und seinen Heiligen Geist damit wir dies auch in unserem Leben und Glauben so erleben.

    Amen.

    - Es gilt das gesprochene Wort! -

    Diese Predigt wurde verfasst von:
    Karl-Heinz Rudishauser
    Obertüllingen 107
    79539 Lörrach-Tüllingen
    07621/9153229
    eMail: karl-heinz.rudishauser(a)t-online.de

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