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Predigt über Markus 3, 31-35

am 10.9.2017
13. Sonntag n. Trinitatis

Ort:
Tüllingen


Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Gemeinde!

Einleitung

Vor etwa fünf Wochen, etwa Mitte August, da waren sie gefühlt plötzlich über Nacht da und zierten fast jeden Laternenmast: die Wahlplakate zur bevorstehenden Wahl zum 19. Deutschen Bundestag. Etwa zum selben Zeitpunkt hörte ich ein Interview von einem Wahlforscher der die Meinung vertrat, dass die Wirkung dieser Wahlplakate nahezu gegen Null ginge. Vor allem dann, wenn nur Köpfe und Namen darauf abgebildet sind und wenig inhaltliches zu erfahren ist. Zu selben Zeit begann ich mir erste Gedanken über die heutige Predigt zu machen. Da habe ich mir die Plakate etwas genauer angesehen, um vielleicht etwas zum Stichwort, das ich für die Predigt ausgemacht hatte, zu finden: Familie. Zunächst entdeckte ich keine Aussagen dazu bis ich dann bei einer und kürzlich noch auf einem Plakat einer anderen Partei eine Aussage zum Thema Familie fand. Vor Jahren noch ein großes Thema, so ist es heute fast vollkommen verschwunden. Ist Familie im klassischen Sinn in unserer Gesellschaft ein Auslaufmodell? Wenn schon die Ehe relativiert wird so wird es wohl nur noch eine Frage der Zeit sein, bis auch Familie eine ganz neue Definition findet und damit auch möglicherweise ihre gesellschaftliche Bedeutung verlieren.

Aber wird nicht auch schon in der Bibel die Bedeutung der Familie relativiert? So auch im Predigttext für heute?

- Text lesen: Mk 3, 31 - 35 -

Auf den ersten Blick scheint Jesus mit seiner Familie zu brechen. Scheinbar sagt er sich von seiner eigenen leiblichen Familie los und stellt sich hinein in eine andere Gemeinschaft. Warum? Weil sie der Meinung sind, dass er „von Sinnen ist“ (vgl. Mk 3, 21)? Weil sie ihn nicht als den erkennen der er in Wirklichkeit ist? Im weiteren Nachdenken ist mir jedoch klar geworden, dass Jesus keinesfalls die Familie im besonderen oder im allgemeinen relativiert oder gar deren Bedeutung aufhebt. Im Kontext des biblischen Zeugnisses wird die Bedeutung der Familie immer wieder unterstrichen und wir finden Hinweise wie sich das Zusammenleben in Familie gestalten kann. Und auch Jesus hat weder mit seiner Familie gebrochen noch sich von seiner Familie abgewandt.

Jesus begründet hier keine Ethik der Familie, sondern zeigt uns auf, in welche Zusammenhänge Menschen gestellt werden, die ihm nachfolgen. Während Paulus mit seinem Bild vom Leib die eher funktionale Seite der Gemeinde und das Zusammenleben der Christen aufzeigt legt Jesus einen anderen Schwerpunkt. Gemeinde funktioniert nicht nur, sondern sie lebt, lebt in Gemeinschaft. Und das Vorbild dafür ist für Jesus die Familie. In dem Bild zeigt er mir meine „Stellung“ zu anderen Christen, die mir Schwestern und Brüder sind, aber auch zu Jesus und zu Gott. Und ich mache auch Parallelen zur tatsächlichen Familie aus: Ich werde hineingestellt, kann mir die Familienmitglieder nicht aussuchen und doch verbindet uns etwas, das alles Unterschiedliche wett macht. So zumindest erlebe ich das in meinem und unseren familiären Alltag.

Nicht ohne Bedeutung scheint mir der Zusammenhang zu sein, in den unsere 5 Verse eingebettet sind. Zwischen Berichten von Krankenheilungen, Auseinandersetzungen mit der religiösen und gesellschaftlichen Führungsschicht Israels, der Berufung der 12 Apostel und dem Auftrag der Christen bzw. der Gemeinde in dieser Welt. Die Aussage darin: Bevor wir uns unserem Auftrag zuwenden, in allen Auseinandersetzungen und Anfeindungen die mir begegnen können ist es ganz wichtig zu wissen, in welchen Zusammenhang ich als Christ gestellt und eingebunden bin.

In der heutigen Erzählung mache ich zwei Merkmale aus die den Menschen zu eigen sind, die Jesus als seine Geschwister, als seine Familie bezeichnet.

  • Zu Jesus kommen – eine neue Gemeinschaft.
  • Bei Jesus sein und bleiben – in Gemeinschaft leben.
  • 1. Zu Jesus kommen – eine neue Gemeinschaft

    Die Menschen damals sind zu Jesus gekommen. Scheinbar sind sie ihm immer wieder nachgelaufen, aus den unterschiedlichsten Gründen. Sie haben von ihm gehört, auch von dem was er getan hat und sind ihm gefolgt. Sie haben gemerkt und erahnt dass da einer ist, der anders ist, der eine Botschaft hat, bei der es sich lohnt zuzuhören. Jesus hat die Menschen erreicht und hat in ihnen eine Sehnsucht geweckt. Sie spürten, da ist einer, der mich in meiner Bedürftigkeit satt machen kann. Da ist einer, der den Hunger und den Durst meiner Seele stillen kann und stillt.

    Was die Menschen im Einzelnen letztlich bewogen hat zu Jesus zu kommen, weiß ich nicht. Da mag es ganz unterschiedliche Gründe gegeben haben: Der Wunsch nach körperlicher oder seelischer Heilung, die Sehnsucht nach Trost oder der Zuspruch in einer schwierigen Lebensphase oder vielleicht war es einfach nur Neugierde. Ganz gleich was sie bewogen hat, entscheidend ist, dass sie zu Jesus gekommen sind. Und aus dem textlichen Zusammenhang entnehme ich, dass die Menschen die jetzt bei Jesus in dem Haus waren, vermutlich schon eine ganze Weile mit ihm unterwegs waren.

    Die Beweggründe mögen mannigfaltig gewesen sein und sind es wohl noch heute. Aber darauf kommt es letztlich nicht an. Die Frage ist, was am Ende dabei herauskommt. Wie viele haben sich kritisch und skeptisch mit Jesus auseinandergesetzt und haben ihn dabei als den lebendigen und auferstandenen Sohn Gottes erkannt und erfahren. Plötzlich hat Jesus für sie und ihr Leben eine ganz persönlich Bedeutung erlangt.

    Jesus fragt nicht nach den Beweggründen sondern sieht die, sieht den Menschen, sie und mich in meiner je eigenen Bedürftigkeit und nimmt sich meiner an. Jesus ist jede Art von Schubladendenken fremd.

    Aber Jesus hat nicht nur geredet, er hat seine Botschaft auch mit Taten unterstrichen. Er hat Kranke geheilt und hungrige Menschen satt gemacht. Er hat sich derer angenommen und mit ihnen gegessen und sein Leben geteilt, die von der Gesellschaft ausgestoßen waren.

    Neben denen die zu Jesus kommen und seine Bedeutung für ihr Leben erkennen, gibt es auch diejenigen,. die sich wieder von Jesus abwenden. Ich denke da nur an die für mich bewegende Erzählung vom reichen Jüngling (Mt 19,16ff par). Bewegend ist für mich vor allem, dass Jesus ihn wieder ziehen lässt, warum auch immer. Jesus hält ihn nicht, zwingt ihn nicht bei ihm zu bleiben sondern lässt ihn los.

    Und so bin ich beim zweiten das zum Kommen unabdingbar dazu gehört:

    2. Bei Jesus bleiben – in Gemeinschaft leben.

    Bei Jesus bleiben damit meine ich, Jesus hineinnehmen in mein Leben, in meine Lebensbe- und Lebensvollzüge. Wenn ich zu Jesu Familie gehöre, dann ist es mir wichtig, dass ich Jesus in meine Leben einbinde.

    Dass die Menschen zu Jesus Füßen sitzen bedeutet, dass sie sich als seine Nachfolger, als seine Jünger, als Lernende von ihm verstanden haben. Und dieses Jünger sein und von Jesus lernen umfasst nicht nur den Aspekt, dass es um reine Wissensvermittlung ging. Vielmehr ging es um ganzheitliches Lernen und das Leben miteinander zu teilen. Die Menschen bleiben bei Jesus und teilen ihr Leben mit ihm. Das ist letztlich das, was in der Familie geschieht.

    Familie sein das heißt doch immer auch sich aufeinander einlassen – zum einen, dass ich mich immer wieder auf Gott einlasse und zulasse, dass ER Einfluss nimmt auf mein Leben. Aber zum anderen bedeutet es auch, dass ich mich einlasse, einlassen MUSS auf die anderen „Familienmitglieder“ der Familie Gottes, auf meine Schwestern und Brüder. Ich mich einlasse auf ihre Bedürfnisse und Besonderheiten und Eigenarten. Entscheidend ist, dass ich mir immer wieder bewusst mache, dass jeder und jede in seiner und ihrer Art von Gott geschaffen und gewollt ist. Natürlich geht es immer auch darum, dass wir an uns arbeiten und uns entwickeln. Aber es darf nicht darum gehen, dass wir konturlos werden. Wie las ich kürzlich auf einem Plakat mit dem ein Unternehmen Mitarbeiter suchte: „Wir lieben dich mit deinen Ecken und Kanten. Denn nur Nullen haben keine.“

    Die Ecken und Kanten anderer auszuhalten ist nicht immer einfach und oft aufreibend und kräftezehrend. In der Familie ist dies am ehesten möglich, weil wir uns in besonderer Weise verbunden und zugehörig fühlen. Und an dieser Stelle greift für mich das Bild bzw. die Idee der „Familie Gottes“ wieder. Sie ist die Grundlage, dass wir einander aushalten, auch wenn es uns manchmal schwer fällt weil uns etwas – nein: Weil EINER mit seinem Leben, Tod und Auferstehung verbindet – einer der über allem steht.

    Bei Jesus bleiben bedeutet auch, Trennungen zuzulassen und auszuhalten. Trennung von liebgewordenen Gewohnheiten und manchmal auch Unarten und manchmal auch Trennung von Ansichten und Menschen die mit diesen Ansichten verbunden sind. Dazu war der reiche Jüngling (noch) nicht bereit und hat sich von Jesus wieder abgewandt. Im Gegenzug entdecke ich welche Möglichkeiten und Chancen sich für mich ergeben, wenn ich in der Gemeinschaft mit Jesus und anderen Christen unterwegs bin. Und Jesus verheißt sogar (vgl. Mt 19, 29f), dass wir mannigfaltig anderes finden, wenn wir um seinetwillen Trennungen in Kauf nehmen.

    Schluss

    Was nehme ich mit aus der Begegnung mit den heutigen Versen? Zunächst einmal: Keine ethische Unterweisung zum Thema Familie und das ist wohl auch gut so. Denn eine solche würde den Rahmen einer Sonntagspredigt vermutlich deutlich sprengen. Aber ich nehme mit dass ich erneut daran erinnert wurde, in welchen Zusammenhang ich als Christ gestellt bin. Auf meinem Weg bin ich nicht alleine und ich bin auch nicht verortet in einem Club gleichgesinnter oder einer Interessengemeinschaft.

    Vielmehr bin ich als Christ eingebettet in die Familie Gottes. Ich bin Teil einer Gemeinschaft die sich dadurch kennzeichnet dass …

  • ich zunächst so sein darf wie ich bin und auch so angenommen werde;
  • andere Kriterien für das zusammenleben zählen als „in der Welt“;
  • meine Dazugehörigkeit nicht von meiner Leistung abhängt sondern allein von der Liebe Gottes!
  • Amen.

    - Es gilt das gesprochene Wort! -

    Diese Predigt wurde verfasst von:
    Karl-Heinz Rudishauser
    Obertüllingen 107
    79539 Lörrach-Tüllingen
    07621/9153229
    eMail: karl-heinz.rudishauser(a)t-online.de

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