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Predigt über Markus 4,26-29

am 06 und 07.02.1999 - Sonntag Sexagesimae

Ort: Staufen/Münstertal


Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemein- schaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.

Liebe Schwestern und Brüder

Einleitung

Der Bibelabschnitt der uns für die heutige Predigt vorgegeben ist, entstammt einer ganz besonderen Rede- oder Literaturform . Wenn ich jetzt Parabel = parabolä sa- ge, dann werden sie sicherlich sagen kenne ich, aber wo kommt dieser Begriff in der Bibel vor? Wir finden dort ein anderes Wort das uns vertrauter ist: Gleichnis. Gleichnisse finden wir an ganz verschiedenen Stellen der Bibel, ganz besonders häufig im Neuen Testament und hier wiederum in den Evangelien.

Lassen sie sich an dieser Stelle zu einem kleinen Ausflug zum Thema Gleichnisse einladen. Bei einem Gleichnis stehen sich „Bildhälfte“ und „Sachhälfte“ gegenüber. Die Einleitung „Mit dem Reich Gottes ist es wie ... „ die wir aus vielen Gleichnissen kennen, weist auf die Sachhälfte hin. Die Sache, um die es dann im folgenden Gleichnis gehen soll, ist das Reich Gottes. Mit dem „so wie“ im weiteren Verlauf des Gleichnisses wird dann die Bildhälfte angesprochen. Die Bildseite kann sehr kurz sein, in einem Satz vielleicht dargestellt, dann spricht man von einem Bildwort oder Vergleich. Sie kann aber auch durchaus länger sein und eine ganze Geschichte umfassen, wie zum Beispiel die des verlorenen Sohnes (Lukas 15).

Bei Auslegung von Gleichnissen kommt es nun ganz entscheidend darauf an, den gemeinten Vergleichspunkt nicht zu verfehlen. Hilfreich für die Auslegung ist die Kenntnis, wie Gleichnisse in der Regel aufgebaut sind und dazu lassen sich einige mehr oder weniger allgemeingültige Regeln ableiten. So sind Gleichnisse charakte- risiert durch:

1. eine Bild- bzw. Erzählhälfte auf der einen, eine Sach- bzw. Bezugshälfte auf der anderen Seite;

2. es treten nie mehr als 3 Personengruppen auf; die Bildhälfte kann sich in mehrere Phasen oder Szenen gliedern;

3. es wird nur ein Handlungsstrang erzählt;

4. das wichtigste steht am Ende;

5. die Bildhälfte soll dem Hörer gleich einleuchten; deshalb werden ganz alltägliche Geschehnisse behandelt; für uns, für uns, die wir in einer anderen Zeit und Kultur leben, das dies durchaus Probleme verursachen und zu falschen Rückschlüssen führen;

6. Gleichnisse wollen uns nicht allgemeine Wahrheiten über Gott und die Welt mit- teilen, sondern richten sich in ihrem Inhalt an ganz bestimmte Zuhörergruppen, so gibt es Gleichnisse, die an die Gegner Jesu gerichtet waren oder solche, mit de- nen er sich seinen Jüngern zuwendet. Das gilt es bei der Auslegung zu betrach- ten.

Doch nun genug der Theorie, wenden wir uns unserem Bibelabschnitt zu.

- Text lesen: Markus 4, 26-29 -

Machen wir uns nochmals aus der Theorie deutlich: in der Sache geht es ums Reich Gottes und seine Entwicklung, als Bild dient das Wachstum eines Getreidehalmes. Die Adressaten sind auch bekannt, es sind die, die um ihn waren samt den Zwölfen“ (Vers 10). Also ein Gleichnis, das wohl nicht an die große Masse gerichtet war son- dern an seine Gefolgsleute damals und heute. Soweit so gut! Was aber will Jesus uns damit sagen?

Drei wichtige Aspekte sind es, die mit der Entwicklung des Reich Gottes verbunden sind und uns bildhaft vor Augen geführt werden und die wir bedenken sollen, wenn wir uns damit beschäftigen. Und alle sind untrennbar eng miteinander verbunden:

1. Die Dynamik 2. Die Reihenfolge 3. Das Ziel

1. Die Dynamik

Mit dem Reich Gottes ist es so, wie wenn ein Mensch, ich denke wir dürfen hier durchaus an einen Bauern denken, den Samen nimmt und in aufs Land wirft. In dem Augenblick, da sich der Same mit der Erde verbindet, ist der Startschuß für eine un- geheure Entwicklung gegeben. Und das ist heute noch genauso wie vor 2000 Jah- ren. Daran hat die ganze Technik und Entwicklung in der Landwirtschaft nichts ge- ändert.

In dem kleinen Samen steckt eine Kraft, die ihn zum Wachstum treibt, unwidersteh- lich. Diese Kraft, diese Dynamik (=dynamis) kommt nicht von uns, wir haben sie nicht hineingelegt und wir haben darauf auch keinen Einfluß! Möglicherweise kön- nen wir an den Rahmenbedingungen manipulieren und herumschrauben, oder auch schauen, wo guter Boden ist. Und wenn wir Glück haben, hat dies alles einen positi- ven Effekt. Aber damals waren selbst diese Möglichkeiten so gut wie nicht vorhan- den und der Bauer wartete ab und mußte oder konnte sich anderen Dingen zuwen- den. Er schläft und steht auf, Tag und Nacht und der Same sprießt, so heißt es im Gleichnis. In wenigen Wochen können wir das wieder erleben. Und darf ich sie fra- gen: Haben sie das schon einmal bewußt wahrgenommen, wenn sich im Frühjahr die Saat der Waldbäume ihren Weg durch die Erde und die Streu bahnt? Achten sie einmal in den kommenden Wochen darauf und sie können ein einmaliges und wun- derbares Schauspiel wahrnehmen, wenn sich diese Dynamik ihren Weg bahnt.

Auch im Gottes Reich, da wo es zu uns kommt, wo wir es zu anderen Menschen bringen kommt diese Kraft zur Entfaltung. Unsere Aufgabe dabei ist lediglich, das Saatgut auszusäen. Diese Aufgabe ist uns übertragen, die sollen wir ausüben, mehr aber auch nicht. Und dann sollen wir Gott zum Zuge kommen lassen. ER wird dafür sorgen, daß die Saat aufgeht. Das soll und kann unsere Gewißheit sein, das zeigt uns dieses Gleichnis sehr deutlich. Dieses Bild hat mich sofort an eine Verheißung aus dem Alten Testament erinnert, die der Prophet Jesaja ausspricht: „Mein Wort wird nicht leer zurückkommen sondern ausrichten, wozu ich es ausgesandt habe“ (Jesaja 55,11).

2. Die Reihenfolge

Ich weiß jetzt nicht wie sich meine Erfahrungen mit den ihrigen decken: Es gibt Si- tuationen da geht es mir, solange ich etwas tun kann, meistens recht gut. Schlimm wird es jedoch, wenn ich zum warten und bloßen zuschauen verdonnert werde. Der Bauer in unserem Gleichnis hingegen scheint die Sache ganz gelassen zu nehmen, von Ungeduld merkt man bei ihm nichts. Er wartet bis die Zeit reif ist, der Halm seine Spitze aus dem Boden streckt und die Frucht heranreift.

Aber das schlafen und aufstehen kann mühsam werden, wenn es mit dem aufgehen der Saat dauert. Dann sind wir versucht, nachzugraben und zu schauen was denn los ist oder wenn der Halm vorsichtig seine Spitze aus der Erdkrume steckt, etwas daran zu ziehen, damit es schneller geht. Ein Bauer wird das wahrscheinlich nicht machen, im neuen Testament und in der Kirchengeschichte, und vielleicht auch un- serer Lebensgeschichte, finden sich Beispiele genug, die diese Versuche dokumen- tieren. Wir halten es nicht aus, uns paßt Gottes Zeitplan und Reihenfolge nicht und machen dann allzuoft den zweiten vor dem ersten Schritt.

Aber die Reihenfolge ist festgelegt: erst der Halm, dann die Ähre und dann der Wei- zen in der Ähre. In dieser Reihenfolge, alles andere macht keinen Sinn. Da nützt kein graben und kein ziehen! Mir ist dieses Gleichnis Ermutigung, die Hoffnung nicht zu schnell aufzugeben und die Flinte nicht ins Korn zu werfen. Manchmal braucht es etwas Zeit und „gut Ding will Weile haben“ lehrt uns schon der Volksmund. Wie lan- ge Samenkörner keimfähig bleiben beeindruckt mich, seit ich das erste mal davon gehört habe. So konnte Samen, der in Pharaonengräbern gefunden wurde, nach etlichen hundert Jahren zur Keimung gebracht werden. Vielen Pflanzen ermöglicht erst diese Fähigkeit, unter extremen Bedingung die Art zu erhalten und sich fortzu- pflanzen.

Das gleiche gilt auch für Gottes Reich, manchmal braucht es Zeit aber es kommt, es setzt sich durch, ganz gewiß!

3. Das Ziel

In unserem kleinen Exkurs haben wir anfangs gehört, daß das wichtigste am Schluß kommt. Wenn der Bauer seine Saat ausbringt, dann nicht deshalb, weil er wohl nichts anderes zu tun hat, sondern weil er ein Ziel damit verfolgt: er will einmal ern- ten. Und interessant habe ich gefunden, daß es letztlich nicht der Bauer ist, der den Zeitpunkt der Ernte bestimmt, sondern die Frucht: wenn die Frucht es zuläßt werden die Schnitter geschickt. Ich denke mir, daß damit allen Ansätzen gewehrt werden soll die meinen, sich zum Richter aufschwingen zu können. Das ist nicht unsere Aufgabe.

Dieses Bild der Ernte, das Kommen der Schnitter macht uns manchmal Angst, weil wir damit Gericht verbinden. Gericht, in dem die Spreu vom Weizen getrennt wird. Die Assoziation mit Gericht ist sicher nicht falsch aber ich finde es schade, daß die Angst dabei so oft im Vordergrund steht.

Das Gleichnis richtet sich an Menschen, so haben wir festgestellt, die Jesus nach- gefolgt sind. Und so wie für den Bauern die Zeit der Ernte eine freudige Zeit ist, er erntet die Frucht seiner Mühe, so soll auch für Christen die Zeit der Ernte, die Zeit der Wiederkunft, der Rückkehr Jesu, eine freudige Zeit sein. Gott kommt zu seinem Ziel, zu seiner Herrschaft. Dann ist sein Reich vollendet und sichtbar.

Diese Perspektive sollten wir uns nicht nehmen lassen. Es geht nicht um die Frage wer dazugehört und wer nicht, schon gar nicht im Blick auf den anderen. Der Blick auf die Ernte bindet uns ein in einen größeren Zusammenhang, weitet uns den Hori- zont und stellt unser Leben und unser Tun in einen weiteren Zusammenhang. Nur wenn wir diesen Weitblick haben, uns daran festhalten daß es auf dieses Ziel hin- ausläuft, sind wir in der Lage auch die Mühen zu ertragen und auf uns zu nehmen.

Schluß

Ich schließe und wage einen Blick in die Ferne. In 60 Tagen ist Ostern und wir feiern die Auferstehung Jesu aus den Toten und seinen Sieg über den Tod. Die Botschaft von Gottes Wirken an und in dieser Welt findet darin ihren Höhepunkt und ihr Zen- trum.

Uns ist diese Botschaft in das Herz, die Hände und den Mund gegeben und wir sind aufgerufen, sie auszusäen. Nehmen wir diese Aufgabe an und vertrauen dabei auf die Dynamik des Reiches Gottes, daß Gott seine Reihenfolge einhält und uns und diese Welt zu seinem großen Ziel bringt.

Amen.

- Es gilt das gesprochene Wort! -

Diese Predigt wurde verfasst von:

Karl-Heinz Rudishauser
Finkenweg 5
D-86574 Petersdorf-Alsmoos
08237/951727
eMail: karl-heinz.rudishauser@t-online.de
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