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Predigt über Markus 8, 1-8

am 6.10.2019
Erntedank

Ort:
Betberg-Seefelden


Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Gemeinde!

Einleitung

Als ich den Bibelabschnitt für die heutige Predigt gelesen und darüber nachgedacht habe, ist mir folgende Geschichte eingefallen. Während meines Studiums habe ich an einem Wildforschungsprojekt auf der Schwäbischen Alb mitgearbeitet. Hin und wieder gab es besondere Aktionen an Wochenenden und wenn man als Student daran teilgenommen hat, gab es einen sogenannten Exkursionsschein. Solche Scheine benötigte man, um zu Prüfungen zugelassen zu werden. Zu einer solchen Exkursion ging auch einmal ein Kommilitone mit, der aus Südkorea stammte. An einem Freitagnachmittag ging es los und als wir schon weit hinter Donaueschingen waren fragte er etwas zögerlich, wann wir heute wieder nach Freiburg zurückkommen. Etwas verdutzt antwortete der Exkursionsleiter: „Heute nicht mehr, erst gegen Sonntagabend.“ Der Kommilitone war total erschrocken und meinte: Und ich habe meiner Familie gesagt, ich komme heute wieder Heim. Und damals gab es noch keine Mobiltelefone um mal kurz Bescheid geben zu können, dass es doch ein bißchen später wird.

Nicht ganz so aber doch ähnlich ging es den Menschen in unserem heutigen biblischen Bericht. Da waren sie wieder zu Jesus gekommen – keine Handvoll, keine Hundert: viertausend Menschen. Und bei ihnen war es nicht mangelnde Kenntnis der Exkursionsbeschreibung sondern pure Faszination über dem, was sie bei Jesus erlebt und gehört haben. Und plötzlichen merkten sie, nein vielmehr Jesus fällt auf, dass es jetzt ein Problem gibt. Sie hatten nichts zu essen und als ER das sah, da jammerte es IHN - welch starker Ausdruck: den Sohn Gottes jammert es beim Anblick der Menschen die zu IHM gekommen waren.

Jesus nimmt einmal mehr wahr, dass Menschen in Not sind. Und jetzt kommt es: Er ruft die Jünger zu sich und fordert Sie auf, dass sie all den Menschen zu essen geben sollen.

Ich lese:

- Markus 8, 1 - 8 -

Was für eine Situation – versuchen wir uns das einmal vorzustellen:

Da sitzen, stehen oder liegen mindestens 4.000 Menschen, das entspricht in etwa der Einwohnerzahl von Seefelden, Betberg und Buggingen. Sie waren gekommen um Jesus zu hören und Jesus spricht zu ihnen. Was es genau war, wird nicht berichtet. Aber es muss wohl so interessant gewesen sein, dass sie darüber ihre elementaren Bedürfnisse vergessen haben. Wäre so etwas in unseren Tagen noch denkbar? Dass Menschen einfach dasitzen und einem einzelnen Redner tagelang zuhören? Stellen sie sich vor, sie müssten mir zwei Tage zuhören – nicht auszudenken! Kein Rahmenprogramm, keine Mega-Performance1, keine Videoübertragung und Veranstaltungstechnik. Welche Ausstrahlung und Vollmacht muss von Jesus ausgegangen sein!

Und plötzlich stellt sich die Frage, wie bekommen wir all diese Menschen satt. Keine Food Trucks weit und breit und es wurde vergessen, Imbissstände und das Vesper für den weiten Heimweg zu organisieren.

Und jetzt steht Jesus da, lässt zusammentragen was an essbarem zu finden ist – 7 Brote und einige kleine Fische. Würde das reichen? Was denken die erfahrenen Gemeindemittagessenköchinen und – köche? Würden sie das hinkriegen getreu der alten Hausfrauenweisheit: 5 sind geladen – 10 sind gekommen – gieß Wasser zur Suppe – heiß alle willkommen. Da steht Petrus und bekommt ein Stückchen Brot (vielleicht exemplarisch jemandem im Gottesdienst ein von einem Brötchen ein kleines Stück abbrechen) mit den Worten, das ist für deine 300. Und Petrus geht mit seinem Stückchen los. Er bricht von seinem Stückchen ein weiteres kleines Stückchen ab, gibt es dem ersten, dann ein weiteres für den zweiten und so weiter und so weiter –elften und zwölften werden seine Stückchen schon kleiner – und plötzlich merkt er, das Stückchen Brot, das er von Jesus bekommen hat, wird nicht weniger. Und beim 123 fasst er sich ein Herz und bricht ein großes Stück ab und gibt es ihm mit den Worten: „Hier Bruder, ein großes Stück für dich!“ Das bekommen natürlich auch die anderen 11 mit und plötzlich geht alles wie von selbst – und sie hoben auf sieben Körbe voll von dem was übrig blieb – von 7 Broten und ein paar kleinen Fischen! Wie kann so etwas geschehen?

Zwei Gedanken dazu:

  • Meine Möglichkeiten erkennen
  • Mit Gottes Möglichkeiten rechnen
  • 1. Meine Möglichkeiten erkennen – und zu Jesus kommen

    Zunächst einmal nehmen die Jünger überhaupt nicht wahr, was um sie herum geschieht. Vermutlich waren sie vom Geschehen und von Jesus genauso fasziniert wie die Menschen um sie herum. Erst als Jesus sie herausholt und auf den Boden der Tatsachen stellt, wird ihnen bewusst, was los ist. Und Jesus macht ihnen unmissverständlich klar, dass er und seine Jünger für diese Menschen verantwortlich sind. Wir können sie nicht einfach sich selbst überlassen, sonst verschmachten sie auf ihrem Weg.

    Könnte das auch ein Bild für uns und unsere Tage sein? Ein Bild für die Menschen von denen wir umgeben sind, an jedem Tag wo auch immer? Tragen nicht auch wir Verantwortung für sie und dafür, dass sie auf ihrem Lebensweg von Jesus hören? Sind nicht auch wir dafür verantwortlich, dass sie auf ihrem Weg nicht verhungern – geistlich verhungern?

    Und dann kommt ganz klar der Auftrag: Gebt ihr ihnen zu essen! Die klare und unmissverständliche aber auch einleuchtende Antwort der Jünger: Wie soll jemand in dieser Einöde für all diese Menschen Essen auftreiben? Aber es geht nicht ums auftreiben, dass ihr irgendwo hingeht und essen kauft und es dann verteilt oder weiterverkauft, es geht darum, dass ihr diesen Menschen zu essen gebt. Aber was – um Himmels willen? Dann sucht einmal was ihr habt, was bei euch zu finden ist – das heißt doch: Erkennt eure Möglichkeiten! Nehmt wahr was ihr selbst machen könnt. Und sie machen Kassensturz: 7 Brote und ein paar kleine Fische – das sind ihre Möglichkeiten. Und die Erkenntnis: das reicht nicht für 4.000 hungrige und müde Menschen.

    Jesus erkennt nicht nur die Not der Menschen, er erkennt auch die Not seiner Jünger. Er nimmt sie wahr in und mit ihren begrenzten Möglichkeiten. Und ER nimmt sich ihrer an und sagt, gebt mir das was ihr habt. Vertraut euch mir an mit euren Möglichkeiten und ich werde euch zeigen, was daraus werden kann.

    Und sie geben Jesus was sie haben: sieben Brote und ein paar Fische – geben IHM ihre Möglichkeiten.

    2. Mit Gottes Möglichkeiten rechnen

    Was hat sich verändert? Jesus hat auch immer noch nur die sieben Brote und die paar kleinen Fische. Aber: Er nimmt sie und dankt. Und in diesem Dank wendet ER sich dem zu, der alle Möglichkeiten hat. Angesichts so vieler hungriger Menschen und ein paar Broten verfällt Jesus nicht ins jammern und ins lamentieren. Vielmehr bringt er zum Ausdruck dass ER sich in seinen Dank zu dem hinwendet und an den bindet, von dem alle Dinge sind.

    Ich denke nicht, dass Jesus in diesem Moment davon ausgeht, dass die sieben Brote und die paar Fische ausreichen werden, um diese viertausend Menschen auch nur annähernd satt zu machen. Jesus ist kein Illusionist und er ist auch kein Tagträumer. Jesus sieht den Realitäten immer ins Auge und benennt sie beim Namen. Er sieht die Verzweiflung in den Gesichtern der zwölf Jünger. „Jesus, das reicht nie und nimmer!“ Jesus betreibt keine Schönrederei, das wird schon werden, das kriege ich schon hin. Nichts von dem ist zu hören. Nein, nicht ich bekomme das hin, sondern Gott bekommt das hin. Der Sohn kann nichts tun außer was was IHM vom Vater gegeben ist (Joh 5,19; 10,30). So nehmen wir Teil an einer Lehrstunde wie sehr der Sohn auf der Erde mit dem Vater im Himmel verbunden ist. Er und der Vater sind eins.

    Durch seine Bindung an den Vater wendet sich Jesus auch an den, der mehr und andere Möglichkeiten hat als wir. ER zeigt seinen Jüngern und mit ihnen auch uns, dass wir uns an den wenden und dem vertrauen sollen, bei dem kein Ding unmöglich ist (vgl. Mt 19,26 par). Aus seiner bedingungslosen Bindung an den Vater empfängt er Segen, empfängt er Gutes von Gott. Und das Gute ist nicht nur eine positive Eigenschaft im Gegensatz zu Böse. Das Gute von Gott trägt das Potential in sich beim Empfänger etwas zu verändern, das Heil bei uns Menschen zu wirken.

    Ich weiß nicht, was all die Menschen von dieser Sache mitbekommen haben. Aber die Zwölf waren auf jeden Fall hautnah dabei. Und ich denke, sie haben da ein Stück mehr verstanden, was Evangelium ist, die gute Botschaft, die heilwirkende Botschaft.

    Und es war schon das zweite Mal, dass sie ein solches Wunder erlebten2. Manche Exegeten meinen, dass es dieses zweite Speisungswunder nicht gegeben hat, sondern nur eine Nacherzählung des ersten ist (Kap 6,30-44). Denn wie kann es sein, dass die jünger hier mit soviel Unverständnis auf die Situation reagieren, wenn sie eine ähnliche Situation schon einmal erlebt haben? Aber warum eigentlich nicht? Denn Wunder alleine bilden allenfalls eine Grundlage für Glauben im Sinne von ich weiß es nicht besser oder ich weiß es überhaupt nicht. Aber im Blick auf unser Verhältnis zu Gott und Jesus geht es weniger um ein Wissensgeschehen als vielmehr um ein Beziehungsgeschehen. Es geht um vertrauen, genauer um trauen. Ich traue Gott mehr zu als was ich mit meinem Verstand denken und für möglich halten. Und trauen beginnt damit, dass ich mich auf jemanden, einem Gegenüber einlasse und nicht damit, dass ich etwas zu X-ten Mal höre oder erlebe und dabei distanziert bleibe.

    Und solches Vertrauen ist nicht einmal da und bleibt dann für immer in gleicher Qualität vorhanden. Diese Qualität kann schwanken, sie kann abnehmen oder sie kann zunehmen. Und beides ist abhängig davon, inwieweit Beziehung gepflegt und gelebt wird. Ich denke das kennen wir aus dem Beziehungsgeschehen in unseren Partnerschaften. So weist Jesus immer darauf hin, dass trauen ein dynamischer Prozess ist, so zum Beispiel im Bild vom Senfkorn.

    Schluss

    Und was hat das mit Erntedank heute, im 21. Jahrhundert zu tun? Als Kinder der Aufklärung sind wir geprägt von einem Denken und einer Haltung des menschlich machbarem. Und was heute noch nicht möglich ist, das wird es morgen sein.

    Als Christen halten wir dafür, dass wir von Gott abhängig sind. Und es ist gut, dass wir noch so etwas haben wie Erntedank und dies bewusst machen. Aber mal ehrlich, wer von uns erlebt das in seinem Alltag noch existenziell? Die Weinbauern beim Frost vor zwei Jahren oder beim Hagel dieses Jahr oder manche Bauern in dem trockenen Sommer im letzten Jahr. Aber ansonsten? Wo im Alltäglichen ist uns und machen wir uns das bewusst? Gewiss, in den Extremsituationen des Lebens, in Krisen welcher Art auch immer, da wird und ist es präsent – aber sonst?

    Seit dem letzten Sommer sammle ich das Wasser vom Salat und Gemüse waschen und gieße damit die Blumen. Dadurch möchte ich mich erinnern dass die Ressourcen dieser Erde begrenzt sind, aber auch meine Möglichkeiten begrenzt sind. Möchte ich mich mitten in meinem Alltagsgeschehen daran erinnern lassen, dass diese Erde, unsere Ressourcen aber auch ich mit meinem Leben von einem anderen, von Gott abhängig bin.

    Immer dann, wenn ich mein Salat-Gemüsewaschwasser in den Eimer gieße lasse ich mich daran erinnern, mich an den Mensch gewordenen Gott zu binden. Vielleicht entdecken sie in ihrem Alltag über Erntedank hinaus auch so ein kleines, alltägliches Erinnerungszeichen das sie an ihr Beziehungsgeschehen mit Jesus erinnert.

    Amen.

    - Es gilt das gesprochene Wort! -

    Diese Predigt wurde verfasst von:
    Karl-Heinz Rudishauser
    Obertüllingen 107
    79539 Lörrach-Tüllingen 107621/9153229
    eMail: karl-heinz.rudishauser(a)t-online.de

    1Ausdruck von Christian Streich, „Kult“-Trainer des SC Freiburg; Sie werden auf youtube umgeleitet und nach einer kurzen Werbung kommt der Interviewausschnitt mit Christian Streich

    2 Hier folge ich den Exegeten, die dafür halten, dass es sich bei den beiden Speisungswundern um zwei unterschiedliche Ereignisse handelt (vgl. WStB Das Evangelium nach Markus; S. 152f)

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