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Predigt über Markus 8, 31-38

am 22.02.2009
Estomihi

Ort:
Ötlingen


Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Gemeinde!

Einleitung

Eine Erscheinung unserer Tage ist, dass wir ständig darum bemüht sind, uns in gutem oder gar bestem Licht zu präsentieren. Sei es nun, ob ein Verein oder eine Partei um Mitglieder wirbt, sei es dass ein Unternehmen um Mitarbeiter oder Stellensuchende ein Unternehmen als neuen Arbeitgeber suchen: bei all dem geht es mehr oder weniger immer darum möglichst keine Schwächen zu zeigen, ein positives und beeindruckendes Bild zu hinterlassen. Negatives wird kaschiert oder erst gar nicht erwähnt.

Dabei beobachte ich, dass auch unser Umgang miteinander in unseren Kirchen und Gemeinden von einem ähnlichen Verhalten geprägt ist. Erwähnenswert sind nur noch "Höchstleistungen": wie toll unsere Gemeinde ist, was sie alles bietet, wie viel Gottesdienstbesucher wir haben und wie viel Gruppen und Kreise aktiv sind. Das sind sicherlich wichtige und erwähnenswerte Dinge und nichts dagegen, wenn wir davon erzählen. Problematisch wird es dann, wenn sie eine Atmosphäre erzeugen, in der ich keine Schwächen und Niederlagen eingestehen, in der ich nicht mehr über Schwierigkeiten reden kann. Ganz anders folgende Verse aus dem Markusevangelium

- Text lesen: Mk 8, 31-38 -

Eine der faszinierendsten Erfahrungen die ich immer wieder im Umgang mit der Bibel mache ist ihre Offenheit! Da wird nichts schön-geredet und ins rechte Licht gerückt oder kaschiert. Und Gelegenheiten dazu hätte es in der vielhundertjährigen Geschichte dieses Buches durchaus gegeben. Wie viel Schreiberlinge mussten endlose Kopien anfertigen und Gelegenheit genug gehabt, die eine oder andere Passage etwas anders darzustellen. Gerade in neuerer Zeit wird an (der) Kirche vielfach kein gutes Haar gelassen und sie wird immer wieder, zu Recht oder auch zu Unrecht weil aus Unverständnis in vielem kritisiert und ihre Machenschaften und Praktiken an den Pranger gestellt. Warum also nicht alles in ein besseres Licht rücken?

Um so erstaunlicher finde ich, dass sich solche Begebenheiten wie die eben gehörte bis heute gehalten haben. Für mich, dies sei hier am Rande bemerkt, ein klares Indiz dafür, dass es sich bei der Bibel nicht um reines Menschenwerk handelt. Ich möchte nicht wissen, wie oft versucht wurde, gerade diese Passage zu schwärzen oder zu redigieren und den Petrus, als den Ur-Kirchenführer schlechthin, in einem anderen, besseren Licht erscheinen zu lassen. Dies ist nicht geschehen.

Was also hat es auf sich mit diesem Abschnitt, mit Leidensankündigung und Bedingung der Nachfolge? Drei Unterstreichungen möchte ich vornehmen:

1. Jesu Offenheit

"Wollen sie die Wahrheit hören?" Oder anders formuliert: "Wie viel Wahrheit vertragen sie?" Diese Frage stellte der Unternehmerberater Eberhard Jung in einem Vortrag vor Führungskräften und Unternehmern. "Wer will die Wahrheit schon hören?" Diese Aussage bezog er auf die Situation in vielen Unternehmen, die er aus seiner beruflichen Praxis kennen gelernt hatte. Wenn ich an die aktuelle politische und wirtschaftliche Diskussion denke gewinne ich den Eindruck, dass wir diese Frage ganz allgemein stellen können: "Wie viel Wahrheit, wie viel Offenheit darf es denn sein?" Und vor allem, wie gehen wir mit Menschen um, die uns die Wahrheit sagen, vor allem dann, wenn sie nicht unseren Vorstellungen entspricht? In der Antike wurden die Überbringer schlechter Nachrichten hingerichtet, in unseren Tagen entziehen wir ihnen das Vertrauen und wenden uns denen zu, die das sagen, was wir hören wollen. Eine Musterbeispiel für dieses Verhalten finde ich immer wieder in der Politik. Wenn dort offen geredet wird, dann wollen das vermutlich nur die wenigsten hören. Wie sagte einmal ein Fernsehmoderator, als die neuesten Prognosen für Wirtschaft und Arbeitsmarkt veröffentlicht und von Politikern Reformen der sozialen Sicherungssystemen gefordert wurde: "Das ist die geforderte Offenheit, aber nicht das, was man allseits gerne hört."

Wenn wir die Bibel lesen dann kann uns auch passieren, dass wir Dinge zu hören bzw. zu lesen bekommen, die uns möglicherweise nicht gefallen. Gerade Jesus praktiziert in seiner Verkündigung eine nahezu beispiellose Offenheit. Er lehrte nicht im verborgenen sondern in der Regel öffentlich und für jedermann zugänglich (Mt 26,55; Lk 19,47; Jh 7,26; 18,20). Was Jesus zu sagen hatte, war und ist für jedermann bestimmt, stellt keine Geheimlehre für einen exklusiven Kreis dar, sondern alle Menschen sollen das Evangelium hören.

Jesus hat seinen Zuhörern und vor allem seinen Jüngern nie etwas vorgemacht. Er hat Sünde bei Namen genannt und auf Unrecht hingewiesen. Aber er hat auch den Weg aus Schuld und Sünde gezeigt, klar gesagt, wie unser Leben wieder zu Recht kommen kann. In unserem heutigen Abschnitt versucht ER seine Jünger auf die bevorstehenden Ereignisse vorzubereiten. Er wollte sie nicht darüber im Unklaren lassen, was auf ihn und auch auf sie zukommen wird. Bisher war ja alles noch recht spannend und unterhaltsam. Man zog durch die Lande und war immer im Mittelpunkt, wenn man in einem Dorf war. Sie hatten einiges mit Jesus erlebt und hofften, damit einige Abende mit Erzählungen für die Enkelkinder bestreiten zu können. Vielleicht hatten sie sich ein triumphales Ende an der Seite des Messias vorgestellt und mit Ruhm und Ehre gerechnet. Aber was Jesus ihnen jetzt sagte, wollte so gar nicht in ihre Vorstellungen passen. Leiden, verworfen und getötet werden, was soll das nun?

Das passt einfach nicht in unser Weltbild und vermutlich auch nicht in die Vorstellung der meisten von uns von einem Leben in der Gemeinschaft mit Jesus und von Christ sein. Die Reaktion, wie sie uns von Petrus geschildert wird, halte ich für durchaus normal und spiegelt unsere Erwartungen. Hier bin ich nun bei zweiten Punkt angelangt:

2. Unser Erwartungen

In den Versen vor diesem Bericht erfahren wir, wie Jesus seine Jünger gefragt hatte, für wen sie ihn hielten. Petrus hatte sofort geantwortet: Für den Messias! Da hat man wohl gedacht, der Petrus hat verstanden um was es geht. Nun aber erfahren wir etwas ganz anderes.

Als er hört, was auf Jesus zukommt, reagiert er fast panisch. Er will Jesus zurückhalten, ist mit dem angekündigten Weg nicht einverstanden. Kennen wir diese Reaktion, ist sie nicht auch Abbild unseres Glaubens und unserer Beziehung zu Jesus? Stellen wir unser Leben als Christen, als Menschen die in der Nachfolge Jesu stehen nicht auch mehr so vor, daß darin möglichst nur die Sonnenseiten ihren Platz haben? Was aber, wenn Schwierigkeiten und Lebenskrisen auftauchen? Sehen wir darin auch noch den Weg, den Gott uns führt? Akzeptieren wir auch den steinigen und schmalen Weg als von Gott gegeben und wissen uns darin geborgen?

In einem Vortrag berichtete ein Unternehmer über seine Erfahrungen die er gemacht hat, als seine Firma in die Insolvenz ging. Als Mensch, der seinen Glauben und seine Beziehung zu Gott ernst nahm, löste dies eine schwere Krise aus. Hatte Gott seine Hand zurückgezogen und segnete ihn nicht mehr? Warum blieb der Erfolg plötzlich aus, hatte ihn Gott nicht mehr lieb? In dieser Krise erkannte er, am Ende eines arbeitsreichen Lebens, auf wie viel Lügen sein Leben und auch sein Glauben aufgebaut war und begann seinen Glauben neu zu orientieren. Dieser Lebensbericht stellt für mich kein Einzelfall dar. Ich bin davon überzeugt, dass den wenigsten von uns klar ist, dass zu unserem Leben als Christen auch Krisen dazugehören und wir davon nicht verschont werden. Ich halte es für wichtig, ja geradezu für Not-wendig, dies frühzeitig zu akzeptieren und zu lernen, Gott auch in unsere Krisen mit einzubeziehen und wie ich mit IHM Lösungswege suchen und finden kann.

Unser Ansinnen ist vielfach ein verständliches, aber leider ein allzu menschliches. Wenn ich mich auf Jesus einlasse, dann will ich doch etwas davon haben, und nach Möglichkeit schon jetzt auf dieser Erde, da stelle ich mir vor, dass ich ein von Gott Gesegneter werde, und möglichst doch so, dass es weithin sichtbar ist. Ich habe mich gefragt, wie sich diese Vorstellungen festgesetzt hat und ob dies zu allen Zeiten so war. Nach meinem dafür halten ist es ein zutiefst menschliches Bedürfnis, Wohlergehen zu haben, keiner leidet gerne. In einer Welt und Zeit in denen die Reichen und Schönen das Ideal verkörpern verlieren wir leicht aus dem Blick, was Gottes Absicht für uns, für sie und für mich ist (dazu im letzten Punkt mehr). So sind wir immer wieder gefordert, unser Denken an den Maßstäben und am Willen Gottes auszurichten und zu messen, uns vom dem prägen und bestimmen zu lassen, was ER will. Dabei gilt es zu verstehen, zu erkennen und darauf zu vertrauen, dass uns alle Dinge zum Besten dienen (müssen) (Rö 8,28). Ein Leben als Christ, also eine Leben in der Nachfolge sollte entscheidend davon geprägt sein, immer wieder diesen Standpunkt einzunehmen und nicht davon zu meinen, Gott hat seine Hand von mir zurückgezogen, nur weil es plötzlich nicht mehr so läuft wie ich meine oder mir von anderen gesagt wird, wie es laufen müsste.

Ich halte es an dieser Stelle für wesentlich dass wir uns darüber bewusst sind, dass unsere Erwartungen ein Filter unserer Wahrnehmung sind. Das bedeutet, dass Dinge, die wir nicht erwarten, auch nicht in unsere bewusste Wahrnehmung gelangen, sondern in der unbewussten stecken bleiben. Wenn wir also Gott in ein von uns gestricktes "Erwartungskorsett" stecken, verlieren wir die Offenheit für Gottes Handeln und Wege. Oder wie formulierte es Markus Müller, Direktor der Pilgermission St. Chrischona: "Ob es Erweckung gibt, hängt doch auch davon ab, ob etwas anderes passieren darf als das, was wir selbst erwarten". Und das beschränkt sich nicht allein auf die Frage von Erweckung, sondern erstreckt auf unser ganzes Christenleben und unsere Beziehung zu Gott.

Gewiss ist dies kein leichtes Unterfangen, da sollten wir uns und möchte ich ihnen nichts vormachen. Aber es ist auch nicht zwingend so, dass wir daran scheitern sollten (bedenke 1. Kor 10,13). Nachfolge Jesu bedeutet für mich in der Gemeinschaft mit Jesus und anderen Christen Erfahrungen zu sammeln, zu wachsen und zu reifen. Das geschieht sicherlich durch die angenehmen und schönen Dinge die ich erfahre, aber auch durch stürmische Zeiten und Krisen.

3. Der Preis der Nachfolge.

Aus dem bisher gesagten ergibt sich auch, dass Nachfolge seinen Preis hat! Keiner von uns weiß im voraus, wozu Gott ihn beruft, welche Gaben und Aufgaben ich von Jesus bekomme, welchen Weg er mich führt. Aber jeder von uns weiß (hoffentlich?) um das Evangelium, seinen Inhalt und seine Botschaft. Und die Frage am Ende unseres Abschnittes ist: Wie gehen wir mit diesem Evangelium, mit dieser Botschaft um? Sind wir von ihr überzeugt, vertreten und leben sie und prägt sie unser Leben oder schämen wir uns unseres Christ seins?

Sind wir bereit, das Evangelium zu verkünden und zu leben und dafür Unbill in Kauf zu nehmen oder taugt Evangelium für uns nur dann etwas, wenn es uns Vorteile bringt und verspricht? "Ich schäme mich des Evangeliums nicht" schreibt Paulus den Christen in Rom (Rö 1,16). Aber was hat dieser Mann nicht alles erdulden und erleiden müssen, weil er sich diesem Evangelium verpflichtet wusste. Wir sehen das heute sehr idealisiert und schöngefärbt. Randbemerkung: Was uns meistens beeindruckt sind die Erfolge, gleich wo, in Sport, Wirtschaft, Politik. Die Erfolge sind es, die wir zu sehen und zu hören bekommen. Vom Weg dahin erfahren wir meist nichts, wenn, dann in den Reportagen des Fernsehens nach 23 Uhr die kaum noch jemand sieht!

Um etwaigen Missverständnissen vorzubeugen: Es geht mir nicht darum, denen das Wort zu reden die vermeintlich meinen, sich das Himmelreich verdienen zu müssen. Davon ist hier und an keiner Stelle die Rede. Es geht auch nicht darum, das Leiden zu glorifizieren und ein Märtyrertum oder gar Fatalismus zu propagieren und dass nur der ein rechter Christ ist, der viel leidet oder sein Leiden zur Schau stellt. Dazu hat Jesus ebenfalls eindeutige und klare Aussagen gemacht (s. Mt 6,16ff).Es geht allein darum, sich über die Konsequenzen bewusst zu sein und zu werden, die sich möglicherweise aus der Nachfolge ergeben. Und wenn ich sage möglicherweise, dann denke ich an die Situationen, in denen Nachfolge das Kreuz auf sich nehmen bedeutet. Damit ist insbesondere gemeint, dass wir um Jesu und unserer Nachfolge willen mit Einschränkungen oder Einbußen zu rechnen haben. Aber auch, dass wir auf Grund von Lebenserfahrungen oder -ereignissen in Glaubenskrisen geraten. Wenn es darum geht, unser oder das Leid der Welt und den "lieben Gott" zusammen zu kriegen. Das so etwas dazu gehören kann, darüber hat Jesus euch keinen Zweifel gelassen und es offen angesprochen (vgl. Mt 10,38 par). Denn, und darüber sollten wir uns nichts vormachen, bedeutet Nachfolge nicht allein Palmsonntag, sondern auch der Weg nach Golgatha. Gewiss, und das gilt es in jedem Fall zu bedenken und zu berücksichtigen, kein Weg gleicht dem anderen. Allen gemeinsam ist und sollte sein, den Weg in engem Kontakt mit Jesus zu gehen und sich immer wieder der Führung und Wegweisung seines Heiligen Geistes zu unterwerfen.

Jesus ist diesen Weg gegangen und er hat ihn, in aller Offenheit, auch seinen Jüngern vorgezeichnet.

Schluss

Leidensankündigung und Bedingung der Nachfolge - nicht nur in diesem Abschnitt des Markusevangeliums liegen sie so unmittelbar nebeneinander, sie sind Bestandteil auch unseres Lebens. Es wird entscheidend darauf ankommen, ob es uns, ihn und mir gelingt, die Verheißungen des Evangeliums für die Situationen und vor allem für die Krisensituationen unseres Lebens nutzbar zu machen und in und durch die Nachfolge das Leben zu gewinnen! Denn eine Philosophie, eine Religion oder ein Glaube muss sich daran messen lassen, wie tauglich er in Krisensituationen ist! Und dazu gehört, dass wir uns, sie und ich uns darin üben, unseren Glauben in solchen Situationen auf die Probe stellen zu lassen und ihn dadurch zu bewähren.

Amen.

- Es gilt das gesprochene Wort! -

Diese Predigt wurde verfasst von:
Karl-Heinz Rudishauser
Obertüllingen 107
79539 Lörrach-Tüllingen
07621/9153229
eMail: karl-heinz.rudishauser(a)t-online.de
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