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Predigt über Matthäus 10, 26 - 33

am 6.11.2011
Drittletzter Sonntag im Kirchenjahr

Ort:
Tüllingen


Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen. Liebe Schwestern und Brüder, liebe Gemeinde!

Einleitung

Hatten sie auch schon ihr ganz persönliches "coming-out"? Wir leben in einer Coming-out-Kultur, so las ich kürzlich - Mann und Frau zeigt bzw. spricht aus wo sie steht, was er denkt, was sie und er für wichtig erachten, was in ihrem Leben bedeutsam ist. Vielfach spiegeln solche Coming-outs aber nur das wieder, was in einer Gesellschaft konform oder irgendwie "in" oder "hipp" ist. Oder wir outen uns mit dem, von dem wir meinen das wir damit vor anderen oder in der Gesellschaft punkten können. Ein bekanntes Beispiel dieser "Kultur" - und das setze ich bewusst in Anführungszeichen - ist jenes "Coming-out" eines bekannten Bürgermeisters zu seiner Homosexualität. Ein ganz anderes Coming-out, vielmehr ein Bekenntnis war beherrschendes Thema in den Medien zu Beginn diesen Jahres und ist es ab und zu auch noch heute. Ich rede vom sogenannten "arabischen Frühling". Gemeint ist damit der politische und gesellschaftliche Umbruch in vielen Ländern Nordafrikas und Ländern des Nahen Ostens. Ob am Ende dieses Frühlings auch ein Sommer steht oder er nahtlose in einen Herbst oder gar Winter übergeht, wissen wir heute noch nicht, wird sich zeigen müssen. Niemand hatte erwartet, dass eine solche Bewegung in diesen Ländern möglich ist. Und obwohl die staatliche Obrigkeit mit ihren Militärs und Geheimdiensten mit nahezu allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln versuchte, die Bewegungen zu unterdrücken, ließen sich die Menschen nicht einschüchtern, hielten an ihrem Bekenntnis nach einer veränderten Gesellschaft fest. Ihrer Furcht vor Gefängnis und Heckenschützen stellten sie das Wissen um eine weltweite Öffentlichkeit, von der sie sich Unterstützung und Hilfe erhofften, entgegen. Dazu nutzten sie die heute üblichen und gängigen Kommunikationsmittel und -wege, vor allem übers Internet. Gerade ein Foto gemacht, ein kleines Video mit dem Mobiltelefon aufgenommen, und Sekunden später steht es nahezu jedem im Internet zu Verfügung. So erfuhr die Welt von den Vorgängen in diesen Ländern. Eine Zensur war schier unmöglich. Die Menschen in diesen Ländern ließen sich nicht zum schweigen bringen und erhoben ihre Stimmen und Proteste und stellten sie einer weltweiten Öffentlichkeit zu Verfügung. Ich frage: Wie sieht es mit unserem christlichen "coming-out" aus, mit unserem Bekenntnis? Ich lese:

- Text lesen:

"Fürchtet euch nicht!" - muss man uns das sagen, hier im beschaulichen Tüllingen? Was versetzt uns, sie und mich in Furcht? Das Kapitel 10 des Matthäusevangeliums, in das unsere Verse eingebettet sind, beginnt mit der Berufung der 12 Jünger und deren Aussendung. Jesus lässt diese Männer nicht im Unklaren darüber was sie erwarten wird. "Siehe ich sende euch wie Schafe mitten unter die Wölfe". So sieht es aus für die Zwölf. Und so sieht es aus für uns Christen, die wir in der Tradition dieser 12 Jünger stehen. Der Auftrag, welcher Jesus ihnen übertragen hat ist auf uns übergegangen.

Aber bei diesem Auftrag geht es nicht um ein "coming out", geht es nicht um unsere Meinung, unsere Befindlichkeiten sondern es geht um ein Bekenntnis. Wie lautet unser Bekenntnis als evangelische Christen, als Protestanten in diesen Tagen, die wir von der Reformation, vom Reformationsfest kommen? Sehen wir uns noch als Boten an Christi statt (2Kor 5,20) oder verkündigen wir nur noch unser eigenes "Coming-out"?

Was ist unser Bekenntnis und was hält uns bei diesem? Zwei Antworten:

  • Unser Bekenntnis: - auf das Ende schauen
  • Unser Bekenntnis: - auf Gott vertrauen
  • 1. Unser Bekenntnis: Auf das Ende schauen!

    "Fürchtet Euch nun nicht vor Ihnen" mit diesen Worten beginnen unsere Verse des Predigttextes. Wie sagte vor Jahren einmal jemand: Das probate Mittel gegen die Furcht ist, sich nicht zu fürchten. Schön und gut, allerdings auch leichter gesagt als getan. Aber sagt Jesus nicht genau das? - Wir können unsere Furcht nicht einfach abstellen, quasi den Schalter umlegen. Können wir unserer Furcht etwas entgegenstellen?

    Furcht entsteht doch vor allem dann, wenn wir nicht mehr Herr der Lage sind, wenn uns das Heft des Handelns aus der Hand genommen ist. Meist geht es dabei um unser Leben, entsteht Furcht wenn wir es bedroht sehen, das leibliche oder das existenzielle. Und im Gegensatz zur Angst ist Furcht immer Ergebnis einer realen Bedrohung.

    Wir kommen vom 31. Oktober, den Tag, den wir als Evangelische als Reformationstag, als Bekenntnistag feiern. Trotz des Vormarschs von Halloween ist er noch immer im Bewusstsein vieler Zeitgenossen, zumindest so lange, wie die Medien noch davon berichten. Reformationstag: wir erinnern uns an den Mönch aus Wittenberg der es mit seinem Bekenntnis "allein der Glaube, allein die Schrift, allein Christus" gewagt hat, Kirche und Kaiser die Stirn zu bieten und vor deren Drohungen nicht eingeknickt ist. Was wäre wohl, wenn es damals schon Mobiltelefone und Internet gegeben hätte?

    Was ist aus diesem Bekenntnis geworden? Wo stehen wir heute als protestantische Christen am 6. November 2011 mit unserem Bekenntnis? Wenn wir Reformationsfest feiern, dann müssen wir uns diesen Fragen stellen und Antworten geben. Haben wir Antworten?

    Keiner von uns braucht sich in diesem Land vor staatlichen Repressalien wegen seines Glaubens zu fürchten. Und dennoch: Wir genieren uns unseren Glauben zu bekennen, zu gesellschaftlichen Themen auf Grundlage unseres Glaubens Stellung zu nehmen - warum? Vor was fürchten wir uns oder haben wir einfach nur Angst? Jesus macht klar: die christliche Botschaft, das Evangelium vom gekreuzigten und auferstandenen Gottessohn ist keine Geheimlehre sondern soll, ja muss von allen gehört werden. Wenn wir von Jesus reden, dann hören die Menschen Jesus selbst (Lk 10,16). Machen wir uns bewusst: Das Wort, welches wir weitergeben, -sagen und -leben, bleibt bei den Empfängern nicht ohne Wirkung!

    Die Bedrohungen in unseren Tagen sind nicht irgendwelche staatliche Repressalien sondern das Gegenteil. Die Freiheit, die "Multi-Kuli-Kultur" in unserem Land steht einem klaren Bekenntnis im Weg. Alles was einengt wird abgelehnt, verdammt und an der Pranger gestellt. Richtig liegt, wer alles zu lässt. Aber wo alles gleich gültig ist, da wird vieles auch gleichgültig, auch das, worauf sich unsere Gesellschaft gründet, was ihre Wurzeln sind.

    Jesus weiß um unsere Befindlichkeiten, um unsere Sorgen, Ängste und um unsere Furcht. Mit diesem "Fürchtet euch nicht!" zeigt uns Jesus, was wir unserer Furcht entgegenstellen können: Den Blick auf das Ende. Dieses Ende in Gottes Gegenwart kann unserer Furcht den Nährboden nehmen. Denn wenn am Ende Gott steht, er uns neues, ewiges Leben schenken wird, dann zielen alle vermeintlichen Bedrohungen ins Leere.

    Das Zweite, was unser Bekenntnis ausmacht:

    2. Unser Bekenntnis: Auf Gott vertrauen!

    Ich kenne einen Mann, dessen Frau ist vor einigen Jahren vor seinen Augen bei einer Gebirgswanderung in den Tod gestürzt. An jenem Tag war im Losungsbuch der Herrnhuter Brüdergemeinde als Lehrtext (V.29) zu lesen: "Werden nicht zwei Sperlinge für ein paar Pfennig verkauft? Und nicht einer von ihnen wird auf die Erde fallen ohne euren Vater."

    Wie geht es uns mit diesem Vers wenn er nicht nur Teil eines Predigttextes ist, sondern im Zusammenhang eines solch tragischen Unglücks steht? Wie bringen wir jenes Ereignis und diese biblische Aussage zueinander? Glauben, vertrauen wir, dass diese Frau nicht aus Gottes Hand gefallen ist und Gott in allem Unglück kein Fehler unterlaufen ist? Was sagen wir diesem Mann? Wir sind in Gottes Hand geborgen! Glauben sie das? Können wir das so sagen? Leben wir selbst danach, auch angesichts solch tragischer Momente?

    Helmut Schmidt schreibt in seinem Buch "Religion in der Verantwortung" zum Zusammenhang zwischen der Bitte "dein Wille geschehe" im Vater unser und dem Naziregime: "Wie schrecklich auch immer Nazizeit und Krieg waren, so glaubten wir (er uns seine Frau) uns doch Gottes Willen und Gottes Ratschluss unterworfen und fanden darin Trost."

    Die Herausforderung unseres Lebens und unserer Gottesbeziehung besteht darin, auch in solchen schwierigen, existenz- und glaubenbedrohenden Situationen daran festzuhalten, zu glauben, zu vertrauen, dass Gott auch das Unglück in seinen Händen hält und wir bei ihm geborgen sind, der Blick über das hier und jetzt gerichtet wird. Dass dies nicht einfach ist, wird nicht behauptet und manch einer ist daran auch gescheitert oder gar zu Grunde gegangen und hat seinen Glauben, seine Gottesbeziehung verloren.

    Wir können dieses unser Leben und das dazugehörige Leiden und Sterben nur dann akzeptieren und tragen wenn wir uns vergegenwärtigen, dass es nicht nur um das Leben auf dieser Erde geht. Und es geht auch nicht darum, dass wir uns aufs Jenseits vertrösten lassen sondern auf die Verheißungen Gottes vertrauen und in diesen Trost finden!

    Der Reformationstag stellt die Frage an uns, auf was wir in diesem Leben hoffen? Zielt unsere Hoffnung nur auf dieses Leben (1Kor 15,19)? Kann es bei unserer Hoffnung allein darum gehen, dass unser Leben hier glatt läuft? Wird nicht alles, auch unsere Seele vergehen, dann wenn auch diese Welt vergehen wird? Machen wir uns bewusst: Was allein bleiben wird ist das Leben in der Gegenwart Gottes.

    Wie kann sich die Jenseitshoffnung auf das Diesseits auswirken? Welchen "Gewinn" können wir dann heute daraus ziehen? Wir können heute und hier mit dem ernst machen, was wir von Jesus wissen und was er uns für unsere Nachfolge aufgetragen hat. Der Hoffnungslosigkeit unsere Zeichen der Hoffnung, unser Gottvertrauen entgegenstellen. Wenn wir uns zu Christus bekennen, dann können wir nicht mehr so tun, als wüssten wir nichts von den 10 Geboten, als hätten wir noch nie etwas von der Bergpredigt oder die Hinweise aus der heutigen Schriftlesung gehört. Dann können uns die Seligpreisungen und die Gleichnisse Jesu nicht mehr gleichgültig sein und sie werden Spuren, Abdrücke in unserem Leben und Alltag hinterlassen.

    Der Blick und die Hoffnung auf das Kommende, auf das Jenseitige versperrt uns nicht den Blick auf das Diesseitige! Ich erinnere an einen Aussage die Martin Luther zugeschrieben wird: Wenn ich morgen sterben müsste, würde ich heute ein Apfelbäumchen pflanzen. Das heißt doch: Ich halte an meinem Gottvertrauen, das Gott alles in seinen Händen hält auch im Angesicht des Todes fest!

    Schluss

    Wir kommen vom Reformationstag, wir haben ein Bekenntnis und an diesem Bekenntnis, an diesem Standpunkt sollten wir festhalten, an das erinnert mich der heutige Predigttext. Auch gerade dann, wenn die heutigen gesellschaftlichen Strömungen in eine ganz andere Richtung fließen: ich möchte daran festhalten, diesen Standpunkt nicht aufgeben.

    Unser Leben, dieses irdische und erst recht das künftige ist ganz und gar in Gottes Hand geborgen darauf vertraue ich. Dieses Bekenntnis gibt mir Halt gibt und prägt meine Haltung: Jesus ist kommen, der starke Erlöser.

    Amen.

    - Es gilt das gesprochene Wort! -

    Diese Predigt wurde verfasst von:
    Karl-Heinz Rudishauser
    Obertüllingen 107
    79539 Lörrach-Tüllingen
    07621/9153229
    eMail: karl-heinz.rudishauser(a)t-online.de
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