Home
Predigten
 
 

Predigt über Matthäus 14, 22-33

am 29.1.2017
4. Sonntag nach Epiphanias

Ort:
Tüllingen


Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Gemeinde!

Einleitung

Ein Tourist kommt an den See Genezareth. Dort steht ein kleines Boot zur Überfahrt bereit. Er geht hin und fragt den Bootsbesitzer: „Was kostet denn eine Überfahrt mit ihrem Boot?“ Der Bootsmann schaut ihn an und sagt: „20 Dollar.“ „ 20 Dollar? Das ist aber ganz schön viel!“ - „Mein Freund“, antwortet der Bootsbesitzer, „ das hier ist nicht irgendein Gewässer, das ist der See Genezareth! Es ist der See, auf dem Jesus zu Fuß gelaufen ist!“ - „Kein Wunder – bei den Preisen!“

Ich denke diese Anekdote lässt sie erahnen, welcher Bericht der heutigen Predigt zu Grunde liegt: Jesus geht auf dem See. Aber das ist nur ein Teil dieses Berichtes, den wir bei Matthäus im 14. Kapitel seines Evangeliums in den Versen 22 – 33 finden. Im weiteren Teil des Berichtes erfahren wir, dass auch Petrus aus dem Boot steigt und über das Wasser geht, und das nicht um sich die Kosten für die Überfahrt zu sparen.

Ich lese aus der bibel.heute (Neue evangelistische Übersetzung): Mt 14, 22 – 33

Gleich an den ersten Worten bin ich hängen geblieben: Jesus nötigte sie, zwang die Jünger gegen ihren Willen ins Boot zu steigen. Jesus schickt seine Jünger weg, hinaus auf den See. Hinaus in eine Welt in der Stürme drohen. Das hat mich erstaunt und zugleich getröstet. Jesus hüllt uns nicht ein in ein Watte-Christentum. Christ sein bedeutet immer hinauszugehen. Hinein in die Welt, hinein in das Elend dieser Welt, hinein in das Elend der Menschen – unserer Nachbarn, unserer Freunde und manchmal auch in das Elend unseres eigenen Lebens. Jesus mutete uns zu – Salz und Licht zu sein in einer Welt mit viel Dunkel. Hinauszugehen in eine Welt der Geschmacklosigkeit, einer Welt, der zunehmend die Orientierung verloren geht. Jesus mutet den Jüngern zu, dass sie in Stürme geraten.

Drei Gedanken dazu:

  • Vor den Stürmen unseres Lebens - von Jesus lernen
  • In den Stürmen unseres Lebens - mit Jesus rechnen
  • Trotz der Stürme unseres Lebens - auf Jesus sehen
  • 1. Vor den Stürmen unseres Lebens – von Jesus lernen

    Um von Jesus zu lernen, müssen wir zunächst noch einmal aus dem Boot aussteigen und zurück ans Ufer gehen bzw. fahren. Noch vor wenigen Stunden hatten sich am Ufer des Sees mehr als 5.000 Menschen versammelt um Jesus zu hören. Und im Anschluss ereignete sich das Wunder der Speisung dieser vielen Menschen mit fünf Broten und zwei Fischen. Was müssen da die Jünger gedacht haben und welche Euphorie hat sich unter ihnen breit gemacht. Es wäre ein leichtes gewesen, dieses Ereignis zu nutzen und einen, wie es heute heißt, hype zu erzeugen. Aber das war nicht der Stil Jesu. Das würden wir vielleicht so machen, nicht aber Jesus. Er weiß, was er jetzt wirklich braucht und schickt nicht nur die Menschen weg, sondern er schickt auch seine Jünger weg. Ach was, er zwang sie förmlich in das Boot zu steigen um für sich zu sein und um Zeit mit seinem himmlischen Vater zu haben

    Da staune ich und bin zugleich beschämt und frage mich: Wo sind meine Zeiten der Gottesbegegnung? Nehme ich mir diese Zeiten oder plane sie sogar in meinen Alltag ein? Jesus jedenfalls hat sich immer wieder zurück gezogen um Zeit mit seinem himmlischen Vater zu haben. Und er hat diese Zeiten nicht nur in Krisenzeiten gesucht, sondern meist auch dann, wenn er die Gegenwart und das Handeln Gottes wunderbar erlebt hat (vgl. Mk 1,35 nach Heilungen; Lk 5,16 nach der Heilung eines Aussätzigen).

    Und unsere Situation – auch wir sind von Jesus getrennt, so wie die Jünger in die Welt geschickt als seine Zeugen. Und in dieser Welt begegnet uns mancherlei und auf unserem Lebensweg werden wir vor Stürmen nicht verschont. Damit wir in diesen Stürmen bestehen können, brauchen wir im Alltagstrubel „Stille Zeiten“, Auszeiten mit Gott, in denen er uns begegnen kann und wir uns ganz auf IHN konzentrieren können. In und durch solche Zeiten machen wir uns bewusst, dass Jesus gegenwärtig ist. Das lerne ich in dieser Geschichte einmal mehr von Jesus.

    2. In den Stürmen unseres Lebens - mit Jesus rechnen

    Indem er die Jünger wegschickt, mutet er ihnen zu, dass sie mit Wellen und Winden konfrontiert werden. Das ist doch auch unsere Erfahrung in unserem Alltag als Christen: konfrontiert werden mit den Stürmen und Wellen unseres Alltags, unserer Lebenswelt, unserem klein – klein, den Abgründen unseres eigenen Menschseins. Jesus mutet uns all das zu. Das sollten wir bedenken, wenn wir wieder einmal mit den Stürme in unserem Leben konfrontiert sehen.

    Und plötzlich taucht Jesus auf, mitten im Sturm kommt er auf dem Wasser daher. Inmitten des Sturms kommt Jesus den Jüngern entgegen. Im Augenblick der höchsten Not ist ER da und – sie erkennen ihn nicht. Damit haben die Jünger nicht gerechnet. Und so sehen sie ihn zwar kommen, erkennen Jesus aber nicht, halten ihn für einen Geist und erschrecken. Die Jünger erkennen ihn nicht nur deswegen nicht, weil Wind und Wellen toben und ihnen das Salzwasser in die Augen spritzt. Sie erkennen IHN nicht, weil sie nicht mehr mit IHM rechnen. Und wir? Erschrecken auch wir, weil uns Jesus manchmal anders oder in anderen Situationen begegnet als und wo wir IHN erwarten? Oder weil wir überhaupt nicht (mehr) mit IHM rechnen, die Hoffnung aufgegeben haben?

    Petrus, natürlich Petrus, ist der erste, der sich wieder fasst, mehr noch, dessen Panik sich ins Gegenteil verkehrt, er fast schon euphorisch wirkt. Und so fordert er Jesus heraus ihm zu befehlen, auf dem Wasser zu Jesus zu gehen. Ich frage mich: Warum will er zu Jesus? Will er raus aus dem Boot weil er denkt bei Jesus ist es sicherer? Will er einmal von sich sagen können, auch ich bin auf dem Wasser gegangen und habe Glaubensstärke bewiesen? Letztlich bleibe ich mir die Antwort schuldig weil ich nur spekulieren könnte. Aber bemerkenswert finde ich ist: Er geht nicht von sich selbst, er braucht die Aufforderung, die Herausforderung von Jesus, erst dann traut er sich. Und was muss in Petrus vorgegangen sein, als er seinen Fuß aus dem Boot hinaus auf das Wasser stellt – und es ihn trägt. Das hätte er nie für möglich gehalten, er der nahezu sein ganzes Leben als Fischer auf diesem See in einem Boot zugebracht hat. Niemals wäre er auf die Idee gekommen, zu Fuß zum Fischen hinauszugehen. Und nun das!

    Wenn wir Lukas in seinem Evangelium folgen, wäre es das zweite mal, dass Petrus auf das Wort Jesu hin etwas wagt1. Und trotzdem ist es eine Herausforderung in den Stürmen unseres Lebens mit Jesus zu rechnen und IHN zu erkennen. Auf sein Wort zu vertrauen und dem Sturm entgegenzutreten, durchaus auf einem Untergrund dem wir niemals zuvor Tragfähigkeit zugetraut hätten.

    3. Trotz der Stürme unseres Lebens - auf Jesus schauen

    „Als er,“ Petrus, „aber den starken Wind sah, fürchtete er sich und als er anfing zu sinken schrie er.“ Als er den starken Wind sah, das heißt doch, Petrus richtet seinen Fokus auf etwas anderes als auf Jesus – plötzlich sieht er die Wellen wieder und Jesus gerät aus seinem Blick und seinem Bewusstsein. Da gilt es sich immer wieder aufs neue bewusst zu machen: Worauf blicken wir, woran richten wir uns aus?

    Das ist für mich der Unterschied zwischen einem allgemeinem Wissen, das bloße für wahr halten der Gegenwart Gottes oder der konkreten in Anspruchnahme: „Herr rette mich!“ Es gibt Situationen in unserem Leben, da müssen wir uns entscheiden, ob wir unsere (fromme) Fassade aufrecht erhalten oder ob wir uns und letztlich anderen eingestehen, dass wir am Ende sind: „Herr ich glaube, hilf meinem Unglauben!“

    Anders als im Bericht über die Sturmstillung in Mt 8, 23ff greift Jesus hier nicht in den Sturm ein, sondern er greift nach Petrus und zieht ihn wieder aus dem Wasser. Und dann heißt es, sie stiegen wieder ins Boot während der Sturm noch tobte. Das heißt doch, Jesus begibt sich mit Petrus zu den anderen Jüngern in deren aktuelle Lebenssituation. Ist mit ihnen mittendrin in dem Getöse des Sturms.

    Vielleicht ist das ein Bild, ein Hinweis für uns: Jesu Handeln sieht nicht immer so aus, dass er die widrigen Umstände die uns bedrängen und Not machen, aus dem Weg räumt und aufhebt. Vielfach sieht sein Handeln so aus, dass er uns Kraft gibt, Hoffnung schenkt, auf mannigfache Weisen tröstet und ermutigt und in das Boot unserer Lebenslagen einsteigt. Und dann, wenn wir mit Jesus im Boot sind, verlieren die Bedrängnisse an Bedeutung und Macht und verschwinden so.

    Schluss

    Unser Leben als Christen besteht aus diesem Dreiklang – von Jesus lernen, mit Jesus rechnen, auf Jesus schauen – ich denke, das ist unsere Lebensaufgabe:

    Vor den Stürmen von Jesus lernen und immer wieder in Auszeiten, Stillen Zeiten die Nähe zu Jesus suchen, nach Möglichkeit in unserem Alltag, zumindest aber hin und wieder in besondere Zeiten in denen wir uns zurückziehen um uns auf Jesus und unseren Vater im Himmel auszurichten (jährliche Einkehrtage auf Hohrodberg).

    In den Stürmen sich die Zusagen und Verheißungen die uns von Jesus gegeben sind bewusst machen und bewusst werden und dadurch mit Jesus rechnen.

    Trotz der Stürme sich nicht von Jesus abwenden, auch wenn die Dinge anders kommen als erhofft und erwartet. Sondern gerade dann auf Jesus sehen weil er gegenwärtig ist. Glaube, der gegen alle Erfahrungen vertraut, macht Erfahrungen. 2

    Amen.

    - Es gilt das gesprochene Wort! -

    Diese Predigt wurde verfasst von:
    Karl-Heinz Rudishauser
    Obertüllingen 107
    79539 Lörrach-Tüllingen
    07621/9153229
    eMail: karl-heinz.rudishauser(a)t-online.de

    1 Lk 5,1ff: Jesus forder Petrus, damals noch Simon, auf, bei Tag auf dem see hinauszufahren und die Netze auszuwerfen. In Lk 9, 10-17 wird dann von der Sturmstillung berichtet. Es ist übrigens nach Mt 8, 23ff die zweite.
    2 Hinweis auf Joh 4, 46-54 - Jesus neben unsere Lebenswirklichkeiten stellen; Predigt am 15.1.2017 in Seefelden

    nach oben Home Predigten eMail Predigt als PDF zum herunterladen Site Meter