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Predigt über Matthäus 15,21 - 28

am 26.9.2021
17. Sonntag nach Trinitatis

Ort:
Tüllingen – St. Ottilien


Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Gemeinde!

Einleitung

Im nach- und hineindenken in den heutigen Predigttext musste ich an meine letzte Predigt hier in Tüllingen denken. Auf eine besondere Art ist ein Aspekt aus jener Predigt am 27.6. (also vor ziemlich genau drei Monaten) wieder in mein Blickfeld gerückt. Keine Sorge, ich frage jetzt nicht nach ob sie sich daran erinnern können aber ich möchte sie noch einmal mitnehmen in meine Gedanken von damals: Es ging um Josef und seine Begegnung mit seinen Brüdern, nachdem sie ihn als Sklaven nach Ägypten verkauft und Joseph dort Karriere gemacht hatte (1Mos 50, 15 – 21). In der Betrachtung dieser Familiengeschichte die ihren Ausgang bei Jakob nimmt, die eine Geschichte voller Lug und Trug, Täuschungen und Intrigen ist, aber in dem allem eine Geschichte von der Gegenwart Gottes ist. Die Geschichte von einem Gott, der mit diesen Menschen, der mit diesem Volk das er sich zum Zeichen für die Welt erwählt hatte, mitgeht. Einem Gott der ein Gott dieser Geschichte ist.

Am Ende stand das Bild des Theologen N.T. Wright der die Idee von der großen Story Gottes entwickelt. Der Story Gottes die in 5 Akten erzählt wird und in der wir vier Akte aufgeschrieben in der Bibel finden. Im fünften und letzten Akt befinden wir uns selbst und wir müssen uns an den vorherigen vier Akten orientieren, nicht abschreiben, um diesen fünften Akt zu gestalten. In ihm bewegen wir uns auf das von Gott vorbereitete Ziel, auf Gottes Zukunft zu. Und ab und an ragt etwas hinein in unser Leben, nicht nur aus der Vergangenheit, sondern auch vom Schluss dieser großen Story Gottes – so auch im heutigen Predigttext:

- Text lesen: Mt 15, 21 – 28 -

Eine merkwürdige Geschichte der wir hier begegnen – drei Gedanken dazu:

  • der andere Jesus
  • Glaube einer Frau
  • Gottes Zukunft in der Gegenwart
  • 1. der andere Jesus

    Da kommt ein Mensch, eine Frau in ihrer höchsten Not zu Jesus und sucht seine Hilfe, erbittet sein Eingreifen. Und das nicht einmal für sich selbst, sondern für ihre Tochter. Die Frau war in höchster Not und Sorge um ihre Tochter. Und in dieser Not kommt sie zu Jesus. Vermutlich hatte sie von ihm gehört (Mk 3,8) und nutzte jetzt die Gelegenheit und geht zu Jesus. Und sie, die nicht Jüdin spricht Jesus mit seinem jüdischen Hoheitstitel „Sohn Davids“ an.

    Und dann begegnet uns ein anderer Jesus. Keine Reaktion, kein Wort von ihm an die Frau, er geht einfach weiter und würdigt die Frau keines Blickes. Jesus, der sonst keine Gelegenheit ausgelassen hat sich denen zuzuwenden die seine Hilfe brauchten – hier keine Reaktion. Was ich nicht so richtig im Blick hatte wurde mir in dieser Situation deutlich: der eigentlich Auftrag Jesu. Ich bin ganz schnell dabei zu sagen, Jesus ist gekommen um die Welt zu retten, um mir, um jedem Menschen die Erlösung und die Versöhnung mit Gott zu bringen. Natürlich, das auch, aber ich überspringe einen wichtigen Schritt, und der wird in dieser Situation und Begegnung mir der Frau deutlich.

    Jesus weiß sich gesandt zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel. In heutigen Tagen muss man erklärend hinzufügen, dass mit Israel nicht der politische Staat Israel gemeint ist, sondern jenes von Gott auserwählte und berufene Volk Israel. Das Volk, von dem in den Büchern Mose die Rede ist, dem Volk, mit dem Gott in seiner Geschichte unterwegs war. Dem Volk, zu dem ER immer wieder geredet und sich offenbart hat. Dem Volk, mit dem Gott Geschichte geschrieben hat und das er zum Zeichen für die Welt gesetzt hat. Zum Zeichen was es bedeutet, Volk Gottes zu sein und was Gott mit dieser Welt und den Menschen vor hat.

    Jesus ist der für dieses Volk verheißene Gottesknecht und kommende Messias, der Erlöser der es in die unverbrüchliche Gemeinschaft mit Gott führt. Dem Volk, das Gott sich auserwählt hat durch das er die Welt erreichen will. Durch dieses Volk und seiner Beziehung zu Gott sollte die Welt erkennen wer und wie Gott ist. Durch dieses Volk wollte Gott der Welt das, sein neues Leben bringen. Jesus war der Herold des angebrochenen Gottesreiches und gleichzeitig der Gesalbte Gottes! Und diese Botschaft musste zuerst diesem Volk gebracht werden, sonst hätte Gott es verraten.

    Dies war sein Auftrag wie er in V. 24 betont: Ich bin nur gesandt zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel. Sein Auftrag war also nicht Weltmission, das kommt später sondern das Volk Israel. Weltmission ist nicht Thema dieses Aktes in der Story Gottes. Diesen Auftrag gibt er an seine Jünger weiter (Mt 10,5) und selbst Paulus und die ersten Christen wussten sich noch diesem Auftrag verpflichtet (vgl. Apg 11,19; 13,46). Jesus wollte die Kategorie „Israel“ = Gottes erwähltes Volk nicht aufgeben sondern er wollte den Zweck erfüllen, für den dieses Volk ursprünglich existierte. Und wenn dieses Volk in der Gefahr stand, Gottes Verheißung zu vergessen, dann musste es daran erinnert werden. Gerade weil diese Verheißung nun Schritt für Schritt erfüllt wurde, vor ihren Augen, mitten unter ihnen.1 Dazu ist Jesus gesandt und darum geht Jesus weiter und lässt die Frau mit ihrem Schicksal und Leid einfach stehen.

    2. Der Glaube der Frau

    Und die Frau – sie läuft ihm nach, wirft sich vor ihm auf den Boden, sie gibt nicht auf, flüchtet sich nicht in ein "Mimimi". Sie lässt sich von Jesus nicht beeindrucken, lässt sich nicht abwimmeln, lässt nicht locker, selbst als es noch dicker kommt, fast schon beleidigend wird: Es ist nicht richtig den Kindern das Brot zu nehmen und es den Hunden hinzuwerfen. So haben wir Jesus noch nicht erlebt, selbst als jener heidnische Hauptmann zu Jesus kommt und ihn um seinen kranken Sohn bittet, weist er nicht ab (Kap. 8,10). Warum reagiert er der Frau gegenüber so scharf, wo er doch sonst immer eine gute Tat parat hat? Die Frau, die ihn als Nichtjüdin mit seinem jüdischen Messiastitel angeredet hat „Sohn Davids“. Und jetzt diese harte Reaktion Jesu, erstmals in dieser Begegnung spricht er sie direkt an. Und nun, wie regiert sie? Sie versucht nicht diese Demütigung von sich zu weisen sondern sie nimmt die Argumentation Jesus auf, gibt ihm quasi Recht und bringt trotzdem zum Ausdruck, dass trotz dieser Wahrheit es nicht darin enden muss, dass Jesus ihrer Tochter nicht helfen kann.

    Denn wenn Jesus tatsächlich der verheißene Messias für Israel ist, wenn er derjenige ist der die Verheißungen Gottes an seinem Volk erfüllt, dann wird er der ganzen Welt den Segen Gottes bringen. Denn der Gott Israels ist kein Mangelverwalter2, bei IHM ist doch Leben die Fülle, da fällt so viel vom Tisch des Herrn an Brosamen und Brocken ab, dass auch noch Haushunde davon satt werden. Unter seiner Hand sind 5.000 Menschen von fünf Broten und zwei Fischen satt geworden – „Und sie hoben auf, was an Brocken übrigblieb: zwölf Körbe voll.“ (Mt 14, 20). Sie stellt sich in diese Reihenfolge die Jesus aufzeigt und akzeptiert diese – ich nenne es einmal – göttliche Heilsordnung und weiß trotzdem, dass sie darin geborgen ist, nicht vergessen wird wenn Gott mit dieser Welt zu seinem Heils-Ziel kommt.

    Und nun geschieht, was keiner mehr erwartet hat: das Blatt wendet sich und Jesus heilt die Tochter der Frau, die Brocken die vom Tisch des Herrn gefallen sind reichen, dass das Mädchen gesund wird. Weil der Glaube der Frau, weil ihr Vertrauen in Jesus so groß ist – oder sagen wir es anders, weil sie ihr Vertrauen ganz in Jesus setzt und sich nicht vom ihm abwendet.

    3. Gottes Zukunft in der Gegenwart.

    Ich komme zurück auf die große Story Gottes iin die wir eingebunden sind und in der sich auch Jesus wusste. Diese große Story Gottes die mit der Erschaffung der Welt und des Menschen begann und die sich fortsetzte in der Geschichte und in den Geschichten seines Volkes Israel. Wir können Geschichte nicht überspringen, wir können allenfalls aus der Geschichte lernen und gestalten.

    Jesus stand in einer innigen Verbundenheit mit seinem himmlischen Vater, wie wir das kaum erahnen können. „Was ich vom Vater höre, muss ich sagen“ und „ich und der Vater sind eins“ (Joh 10,30; 14,11). Und in dieser engen Verbundenheit mit dem Vater nimmt Jesus wahr, dass in diesem Moment, dass Gott in dieser Aussage der Frau am Wirken ist und etwas von der Zukunft Gottes in die Gegenwart hineinkommt.

    Jesus folgte keinem starren Plan, keinem unabänderlichen Raster, aber er stand in ständiger, inniger Verbundenheit mit Vater. Jesus wusste um die Tradition und die biblische Verheißungen, aber das allein genügt nicht. Er musste und hörte genau hin auf die Stimme Gottes.3

    Und so kam es immer wieder vor, dass im öffentlichen Wirken Jesu die göttliche Zukunft in die Gegenwart hineinbrach. So auch hier. In der Antwort der Frau erkennt Jesus offenbar die Weisung seines himmlischen Vaters.4 Wie schon bei dem heidnischen Hauptmann in Kap. 8,10 dessen bemerkenswerten Glauben Jesus kommentiert hat, so jetzt auch hier. Was eigentlich erst nach seinem Tod und Auferstehung als dem Gottesknecht möglich wird, darf er jetzt schon vorwegnehmen: „O Frau, dein Glaube, dein Ver-trauen ist groß!“ Jesus nimmt wahr wie in der Frau ein Glaube heranwächst und groß wird in dem sie beharrlich bleibt und sich an Verheißungen klammert, die tatsächlich einmal in der Zukunft Wirklichkeit werden.

    Schluss

    Auch wir leben heute in dem Spannungsfeld von glauben, vertrauen, von dem hereinbrechenden Gottesreich das aber noch nicht vollendet ist. Wir sind gewiesen unser Leben an Jesus festzumachen und dass einst vollendet wird, was uns verheißen ist: der neue Himmel und die neue Erde, das neue Jerusalem.

    Aus den vier Akten die Gott bereits geschrieben hat, können wir lernen wie wir unseren fünften Akt gestalten. Dabei geht es nicht ums kopieren sondern ums kapieren. Jesus hat es uns vorgemacht! Aus dem was er wusste, aus Verheißungen und Tradition und im hören auf die Stimme Gottes war es ihm möglich, in der Gegenwart zu handeln und es möglich zu machen, dass immer wieder Licht aus Gottes Zukunft in das Leben von Menschen hereingebrochen ist – und hineinbricht auch in unseren Tagen.

    Amen.

    Diese Predigt wurde verfasst von:
    Karl-Heinz Rudishauser
    Obertüllingen 107
    79539 Lörrach-Tüllingen
    07621/9153229
    eMail: karl-heinz.rudishauser(a)t-online.de

    1 WRIGHT, Nicholas Thomas; in: Matthäus für heute Band 1; Brunnen Verlag, Gießen, 2013 S. 232; aus dem Englischen von Dr. Rainer Behrens
    2 LUTZ, Frank; in: Zuversicht und Stärke. August - September 2015. 1. Reihe - Heft 5. Seite 97
    3 EHRET, Tobias; in: Zuversicht und Stärke. Oktober - November 2009. 1. Reihe - Heft 6. Seite 22
    4 RIESNER, Rainer; in: theologische beiträge 21-4. Seite 235

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