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Predigt über Matthäus 17,1-9

am 09.02.2003
Letzter Sonntag nach Epiphanias

Ort: Michaelskirche Gerstetten


Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Gemeinde!

Einleitung

Die Zeit der Schokoladennikoläuse und Neujahrsempfängen ist vorüber. Das neue Jahr hat uns, den einen mehr und die andere weniger, bereits wieder voll im Griff und in seinen Sog genommen. Mit dem heutigen Sonntag, dem letzten nach Epiphanias, stehen wir an der Wende zur Passionszeit. Es folgen noch drei Sonntage, dann beginnt die Passionszeit und die liturgischen Farben wechseln von grün auf violett.

Wendepunkte oder der Beginn eines neuen (Lebens)Abschnittes kennen wir auch aus anderen Bereichen unseres Lebens (z.B. Einschulung, Hochzeit, Berufsabschluss, Geburtstage oder Jubiläen). Sie haben ein besonderes Gewicht und Stellenwert und werden daher besonders beachtet und begangen - meist mit einer kleineren oder größeren Feier. Ich denke daß es wichtig ist, daß diese "Markierungspunkte" unseres Lebens diesen Stellenwert haben, wir sie feiern und nicht einfach übergehen. Sie stellen meist ja nicht nur ein momentanes Ereignisse dar, sondern sind verbunden mit einem Zuspruch oder Zurüstung für die kommende Wegstrecke. So stolpert man - eigentlich - nicht einfach so in eine Ehe, sondern sie wird durch die Hochzeit markiert und begonnen. Mit diesem Beginn macht man sich und anderen klar, daß nun eine neuer Abschnitt beginnt, der vielfach mit Zuspruch für die folgende Wegstrecke verbunden und begleitet ist.

Auch der heutige Predigttext gibt eine Begebenheit wieder, die ich durchaus in diesen Zusammenhang einordnen möchte. Auch hier stehen Menschen an einem Wendepunkt oder entscheidenden Punkt ihres Lebensweges. Und es kommt darauf an, daß sie diesen Weg fortsetzen auf dem sie sich befinden.

- Text lesen: Matthäus 17, 1 - 9 -

Was bei dieser Geschichte vermutlich zuerst ins Auge fällt und in Erinnerung bleibt ist die Reaktion des Petrus. Ich denke mir, diese Reaktion ist zunächst einmal typisch für ihn, entspricht seinem Charakter, ist aber auch den meisten von uns sehr verständlich. Denn wollen wir nicht auch immer wieder Dinge, Eindrücke, Erlebnisse festhalten und konservieren, vor allem dann, wenn wir ihnen Bedeutung zumessen? Füllen nicht fast bei jedem von uns zahllose Bilder etliche Photoalben und Diakassetten in denen erlebtes und für wichtig oder schön befundenes festgehalten wird? Hat nicht jeder von uns noch ein Hochzeitsfoto oder eine Aufnahme von der Einschulung zu Hause? Sie nicht - ich schon.

So ist für mich die Reaktion des Petrus durchaus verständlich und all zu menschlich und nachvollziehbar. Auch er will diesen Augenblick, diese Szene festhalten, denn so viel hat zumindest er verstanden: Was sich hier abspielt, ist nichts alltägliches und ist jenseits des bisher erlebten. Wobei vieles von dem bisher mit Jesus erlebten, das sei hier nur als Fußnote erwähnt, auch nicht von "schlechten Eltern" und alltäglich war. Für Petrus und seine Kollegen war deren Zeit in der direkten Nachfolge Jesu mit Sicherheit etwas besonderes. Und die Jünger sind nicht nur einfach so hinter Jesus hergelaufen, sondern sie wurden berufen, das heißt, es gab einen Einschnitt, einen Punkt an dem für sie dieser Lebensabschnitt begann. Dabei hat Jesus ihnen klar gemacht, was er nun mit ihnen vor hat: "Ich will euch zu Menschenfischern machen!" (Mt 4,19). Und danach wurden immer wieder entscheidende Markierungspunkte gesetzt, in denen die Jüngern für bevorstehende Aufgaben zugerüstet wurden und Zuspruch erfahren haben. Und auch Jesus selbst hat diesen Zuspruch in seinem Leben erfahren und sogar geradezu gesucht. Dann, wenn er sich zurückgezogen hat um den intensiven Kontakt mit seinem himmlischen Vater zu suchen.

In der heutigen Erzählung / Evangliumsgeschichte werden wir Zeugen eines solchen entscheidenden Ereignisses, sowohl für Jesus als auch für seine Jünger. Dreierlei möchte ich daraus festhalten:

  • die Bedeutung dieses Ereignisses für Jesus
  • die Bedeutung Ereignisses für die Jünger
  • die Bedeutung dieses für uns
  • 1. Die Bedeutung dieses Ereignisses für Jesus

    In diesem Ereignis werden die Jünger Zeugen und wir zu Teilhabern eines außergewöhnlichen Ereignisses. Jesus erfährt einen Wechsel, heraus aus der Verheimlichung seiner göttlichen Herrlichkeit, die seine Zeit auf Erden im wesentlichen kennzeichnete, hin zu der Erscheinung seiner Herrlichkeit die offenbart werden wird, wenn er wiederkommt. Soweit die theologische Beurteilung dieser Geschichte, deren Fakten und Tatsachen die in den meisten Bibelübersetzungen mit "Die Verklärung Jesu" überschrieben ist.

    Jesus stand an einer entscheidenden Stelle seines Weges und Auftrages. Bei seiner Taufe im Jordan durch Johannes erhielt er den Zuspruch zu Beginn seines öffentlichen Wirkens und am Beginn seines Weges, der auf jenem Hügel vor Jerusalem an einem Holzkreuz enden sollte. Jesus stand in diesen Tagen vor dem letzten Wegstück, die entscheidende Phase begann. Würde er hier versagen, wäre alles bisherige auch zunichte und umsonst. Würde er die Kraft und die Zuversicht haben, den Weg bis ans Ende zu gehen? Würde er das Vertrauen zu seinem Vater bewahren, daß dieser ihn aus den Toten auferwecken wird?

    Ich denke, wir stellen uns das manchmal etwas zu einfach, zu rosig und zu glorifiziert vor, weil wir den Ausgang kennen. Was Jesus tat und wozu er auf die Erde gekommen ist, war kein Zuckerschlecken und kein Spaziergang! Und vom Ausgang hing vieles, hing alles ab, würde die Kluft zwischen Gott und Menschen überwunden, die Trennung aufgehoben werden! Hätte Jesus versagt oder aufgegeben, stünden wir vor dem Nichts!

    Jesus war kein Supermann, Jesus war Mensch, kannte alle menschlichen Unzulänglichkeiten und war mit den Niederungen des Daseins, unseres Daseins bestens vertraut. Er ist nicht auf die Erde gekommen um über den Dingen zu stehen und darüber hinwegzuschweben, sondern um hindurchzugehen, sie zu durchleben und sie für uns zu überwinden! Und dies gelang eben nur dann, wenn er ihnen nicht aus dem Weg ging. Diesen Weg ging ER in enger Abstimmung mit seinem Vater. Immer wieder erfahren wieder, daß Jesus den Kontakt zu seinem Vater gesucht hat und sich dazu zum Gebet und in die Stille zurückgezogen hat (Mt 14,23; Mk 1,35; 1,45; Lk 4,42; 5,16 u.a.).

    In dieser Situation nun, in der Begegnung mit Mose und Elia erfährt er die Zurüstung und Ermutigung für das restliche Wegstück. So wie diese beiden Männer ähnliche Erfahrungen und Gottesbegegnungen ebenfalls auf Bergen erlebten (vgl. 2.Mos 3,2; 1Kö 19,8ff) um für ihren Auftrag ermutigt zu werden. Jesus erhält die nochmalige Bestätigung seines Auftrages und gleichzeitig findet die bereits erwähnte Umgestaltung statt.

    2. Die Bedeutung für die Jünger

    Ich weiß nicht wie es ihnen geht, ich wundere mich hin und wieder schon über jene zwölf Männer, die Jesus zu seinen engsten Vertrauten berufen und denen er die weitere Ausbreitung des Evangeliums anvertraut hat. Dabei stellt sich mir die Frage, ob er wohl gewußt hat, was er sich da ins Boot geholt hat. Es waren ja schon eigentümliche Gestalten dabei und für mich ist fraglich, ob ich, ob wir ihnen dieses Vertrauen entgegengebracht und sie berufen hätten. Aber in diesem Gegensatz spiegelt sich für mich ein entscheidender Aspekt der diesjährigen Jahreslosung und damit des Wesens unseres Gottes und seines Sohnes: "Der Mensch sieht was vor Augen ist, Gott aber (und Jesus) sieht das Herz an!" (1. Sam 16,7).

    Jesus hat hinter die Kulissen der menschlichen Fassade geblickt und das Herz dieser Männer gesehen. Und obwohl sie oft nicht wußten was sie von Jesus halten sollten (Mt 8,27 par), oft an ihm verzweifelt sind und vielfach nicht begriffen um was es eigentlich ging (Mt 16,23) und überfordert waren, sind sie ihren Weg mit Jesus gegangen. Damit sie dies konnten war es immer wieder erforderlich, daß sie Ermutigung und Zurüstung erfuhren. Ich denke hier an die Gespräche die Jesus mit ihnen geführt hat, die Stille und Zurückgezogenheit (z.B. Lk 9,10) die er ihnen verordnet hat und schließlich, zumindest für diese drei, auch dieses Ereignis auf jenem hohen Berg.

    Petrus hat wohl als erster, wie es eben seine Art war, die Initiative ergriffen. Er hat erkannt, was sich hier abspielt, das hat außergewöhnlichen Charakter und stellt etwas besonderes dar und das wollte er eben festhalten. In unseren Tagen hätte er vermutlich die Spiegelreflex- oder die Viedokamera gezückt, damals wollte er eben drei Hütten bauen. Ich denke Petrus und seine zwei Kollegen haben in diesem Augenblick nicht oder wenn, dann nur unzureichend begriffen, was sich vor ihren Augen abspielte und welche Bedeutung und Zweck das ganze hatte. Es war ihnen noch nicht klar, was auf sie zukommen würde und welcher Weg noch vor ihnen und Jesus liegen würde.

    Gewiß soll hier zunächst Jesus ermutigt und für den weiteren Weg gestärkt werden. Aber auch diese drei Jünger sollen für das Kommende ermutigt werden. Und so richtet sich die Stimme, die zu ihnen aus der Wolke sprach, speziell an diese drei Männer. Vermutlich ist ihnen erst viel später, nach Auferstehung und Himmelfahrt Jesu in letzter Konsequenz klar geworden, um was es in jener Szene auf diesem Berg gegangen ist. Und ich kann mir gut vorstellen, daß ihnen erst dann wieder all die Szenen mit Jesus eingefallen sind, bzw. sie durch den Heiligen Geist daran erinnert wurden (vgl. Joh 14,26) und ihre Bedeutung verstanden haben. Da wurde ihnen klar, auf wen sie zu blicken hatten, wen sie ins Zentrum ihrer Betrachtungen und Überlegungen, ihres Tuns stellen mußten: Jesus allein!

    Gewiß sind solche Erlebnisse wichtig, sonst hätten sie nicht stattgefunden, sonst hätte Jesus Petrus, Jakobus und Johannes nicht mit auf jenen Berg genommen. Aber sie sind nicht das entscheidende, es kommt nicht darauf an, diese Momente zu konservieren sondern sie nutzbar zu machen, für augenblickliche und für zukünftige Situationen.

    3. Die Bedeutung für uns, für sie und mich.

    Wir kommen zwar in dieser Geschichte nicht vor, haben sie nicht miterlebt sondern kennen sie sozusagen nur vom "hörensagen". Und dennoch ist sie nicht bedeutungslos für uns, für sie und für mich.

    Auch wir sind als Christen und Jünger auf dem Weg der Nachfolge Jesu. An uns ist der Auftrag, den Jesus einst seinen Jüngern gegeben hat "gehet hin in alle Welt und machet zu Jüngern alle Menschen"(Mt 28,19) übergangen. Und auf diesem Weg und für diesen Auftrag brauchen wir immer wieder Ermutigung und Zuspruch. Darum stehe ich auf dieser Kanzel und darum sind sie in diesen Gottesdienst gekommen.

    Auch wenn ich nicht mit auf dem Berg war, werde ich durch den Bericht was sich dort zugetragen hat, ermutigt. Da ist zum einen Jesus, der nicht als geistlicher Supermann unterwegs war. Er suchte ständig den Kontakt zum Vater um dessen Reden zu hören und Wegweisung zu erfahren. Um Gottes Reden zu hören kann ich auf das außergewöhnliche Ereignis hoffen oder aber ich kann, so wie Jesus, den Kontakt zum Vater im Himmel suchen.

    Das Beispiel der Jünger macht mir Mut, weil auch sie keine geistlichen Überflieger und bar jeder menschlichen Regung waren. Und wenn Jesus nicht immer wieder eingegriffen und sie mitgezogen hätte, wer weiß was aus ihnen geworden wäre. Sie haben den Anstieg auf jenen Berg mitgemacht, ohne den sie nicht erlebt hätten was auf diesem Berg geschehen ist. Wie sie würden vermutlich auch wir gerne Hütten bauen, unsere Gotteserfahrungen konservieren und festhalten und in Gottes Nähe bleiben wollen. Gewiß läßt es sich da gut leben. Aber Gotteserfahrungen sind keine Rastplätze und Ruhekissen, sondern sollen befähigen und Mut machen, mit Gott nach vorne zu blicken und den Weg zu gehen, den er uns führt.

    Schluß

    Was ist den Jüngern geblieben, was bleibt uns? "Dieser ist mein geliebter Sohn, ihn hört!" Und als sie wieder klar sehen konnten, sahen sie niemanden als Jesus allein. Danach hieß es für sie wieder hinuntergehen vom Berg der Verklärung, zurück ins wirkliche Leben, zurück in den Alltag.

    Ich möchte jetzt gewiß diesen Gottesdienst nicht mit dem Ereignis auf jenem Berg vergleichen. Dennoch haben Gottesdienste, wenn nicht verklärenden, so aber doch eine herausgehobenen Charakter. Wir gönnen uns quasi eine Auszeit von unserem Alltag und begeben uns ganz bewußt in die Nähe Gottes. Und vielleicht erleben wir diese dann so, daß wir uns wünschen, daß es immer so bleiben würde.

    Aber so wie die Jünger wieder vom Berg herabsteigen mußten, müssen auch wir unsere Gottesdienste wieder verlassen und zurück in unseren Alltag. Zurück in unsere Familien und Beziehungen, zurück an den Arbeitsplatz und zurück in die Schule.

    Dabei bleibt uns, was auch den Jünger geblieben ist, als sie vom Berg hinunterstiegen: Die Bestätigung, daß Jesus Gottes Sohn ist, den wir hören sollen. Das möchte auch ich tun und daraus Kraft und Zuversicht schöpfen, wenn ich aus diesem Gottesdienst hinuntersteige in meinen Alltag und dabei auf den blicken, der mit mir geht: auf Jesus allein!

    Amen.

    - Es gilt das gesprochene Wort! -

    Diese Predigt wurde verfasst von:
    Karl-Heinz Rudishauser
    Altenheimstraße 23
    89522 Heidenheim/Brenz
    07321/910915
    eMail: karl-heinz.rudishauser@t-online.de
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