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Predigt über Matthäus 25, 31-46

am 15.11.2009
Vorletzter Sonntag im Kirchenjahr

Ort:
Tüllingen; Ottilienkirche


Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Gemeinde!

Einleitung

Erinnern sie sich an Alois Stierhammer? Das ist jener Amtsgerichtsrat, der im königlichen bayrischen Amtsgericht seine Verhandlungen führte und seine meist gerechten (!) und besonnen Urteile verkündete. Jede Sendung endete damit, dass sich alle Prozessbeteiligten im Wirtshaus trafen, quasi einem Epilog der Verhandlung gleich, das dem ganzen wieder eine "menschliche" Seite gab. Die Urteile jenes Amtsgerichtsrates waren "weise", waren geprägt von der Fähigkeit, hinter jedem Delikt die Menschen zu sehen und geprägt von der Fähigkeit, Recht und Lebenswelt der Betroffenen zusammen zu führen.

Im Gegensatz zu diesem Alois Stierhammer stehen Figuren wie "Richterin Barbara Salesch" oder "Richter Alexander Hold" - Figuren derzeitiger Gerichtssendungen. Anders als jenes urbayrische Amtsgericht wollen diese Sendungen dem Zuschauer die Welt der Justiz bzw. der Gerichtssäle möglichst realitätsnah vor Augen zu führen. Ob aber das, was in diesen Sendungen gezeigt wird, tatsächlich der Realität entspricht, wage ich zu bezweifeln. Fußnote: Aber was von dem, das in den Medien berichtet und abgebildet wird, entspricht schon tatsächlich der oder unserer Realität oder täglichen Wirklichkeit?

So im Fernsehen betrachtet mögen solche Filme ja spannend sein, man steht ja nicht selbst vor Gericht und hat ein Urteil zu erwarten. Was aber wenn? Vermutlich würde ich auf eine Richterin oder einen Richter vom Schlage eines Alois Stierhammer hoffen. Einen also, vom dem ich ein gerechtes Urteil erhoffen kann.

Aber vor Gericht wird Recht gesprochen - es geht nicht um Gerechtigkeit. Denn Recht ist nicht gleich Gerechtigkeit. In einem juristischen Aufsatz las ich folgende Erklärung: "Gerechtigkeit ist das allgemeine Wissen um das, was gerecht ist, also das moralisch sittliche Empfinden einer Gesellschaft. Recht ist der Versuch, dieses allgemeine Wissen durch Gesetze und allgemeinverbindliche Regeln durchzusetzen."

An ganz anderer Stelle geht es um Gerechtigkeit:

- Text lesen: Mt 25, 31-46 -

Das ist sicherlich eines der Themen, um das man als Prediger gerne herumkommen möchte. Denn wer spricht schon gerne vom Gericht Gottes? Wurde damit nicht über viele Jahrhunderte Menschen unterdrückt und klein gehalten? Ist das denn eine Botschaft, mit der wir unsere Kirchen und Gemeindehäuser voller kriegen? Wäre es angesichts von Kirchenaustritten nicht ratsamer, den Menschen eine etwas erfreulichere Botschaft zu verkünden?

Jesus hatte diese Scheu nicht. Mich phasziniert immer wieder, wie klar und deutlich seine Botschaft ist und er auch vor "heißen" Themen nicht zurückschreckt. Jesus ist kein Populist, ihm geht es nicht um den schnellen Erfolg sondern darum, dass jeder weiß, worauf er sich einlässt. Dass es ein Gericht geben wird macht deutlich, dass der biblische Gott kein beliebiger Gott ist bei dem alles gleich-gültig und wir ihm deswegen auch gleichgültig sind - im Gegenteil.

Auf der anderen Seite fasziniert das Thema "Weltuntergang", füllt immer wieder Kinosäle und spielt den Machern dieser Filme Millionengewinne ein. So wohl auch im neuesten Kino Film von Roland Emmerich: "2012" der am 19.11. in den Kinos anlaufen wird. Also müssen wir wirklich so zurückhaltend sein? Klaus Kleber Moderator im ZDF hat diesen Zeitgeist für mich so auf den Punkt gebracht: "Beim Weltuntergang will keiner dabei sein, wenn er aber im Kino kommt, rennen alle hin."

Der Unterschied der Kinohits zur biblischen Botschaft: Die Filme enden mit dem Untergang, in der biblischen Botschaft gibt es ein Gericht. Und das macht es bedrohlich für uns und da spielt auch so etwas wie Neid und Angst hinein. Neid und Angst, das andere durch dieses Gericht hindurchkommen ich aber nicht. Dass mein Leben in diesem Gericht keinen Bestand haben wird.

Die Verse aus dem Matthäusevanglium lassen mich in zweierlei Hinsicht aufhorchen:

  • Wir leben auf das Ende zu.
  • Wir leben über das Ende hinaus.
  • 1. Wir leben auf das Ende zu

    Kürzlich sah ich einen beeindruckenden Film, der das Leben und die Lebenshaltung der Samurai, jenes Kriegerstandes des vorindustriellen Japans, beschrieb. Diese Menschen lebten wohl in dem Bewusstsein, ihr Leben einer höheren Sache unterzuordnen und es dabei auch zu opfern. Leben und Sterben wurden in einer Art und Weise zusammengedacht, wie ich es nur schwer nachvollziehen kann. So lautete eine Aussage: "In jedem Atemhauch ist das ganze Leben." Diese Menschen lebten in dem Bewusstsein, dass das Leben endlich ist. In unseren Tagen sieht das anders aus, "Wir wollen alle immer Älter werden aber keiner will alt sein", so sagte es die neue Ratsvorsitzende der EKD, Bischöfin Margot Käsmann.

    Zu Zeiten Jesu und in den Tagen der ersten Christengemeinden war das Bewusstsein, des nahen Weltendes sehr ausgeprägt. Nun sind seither annähernd 2000 Jahre vergangen und die Erde dreht sich immer noch. Und im Gegensatz zu den ersten Christen rechnet wohl kaum jemand von uns mit dem nahen Weltende. Vor Augen stehen uns vielmehr die Zeiger unserer Uhren, die sich immer weiter drehen, endlos Runde um Runde über die Ziffernblätter ziehen.

    In früheren Tagen wurde Zeit mit solchen Instrumenten gemessen (!) (Sanduhr zeigen) und dabei wird deutlich, dass Zeit endlich ist. Zeit läuft ab, rinnt uns manchmal durch die Finger und obwohl sie knapp ist, schlagen wir sie vielmals tot oder lassen sie uns stehlen. Wussten sie übrigens, dass Zeitdiebstahl der einzige Diebstahl ist, bei dem der Bestohlene aktiv dabei sein muss? Wir verdrängen dass unsere Zeit, unsere persönliche aber auch diejenige dieser Welt begrenzt ist. Irgendwann wird sie abgelaufen sein.

    Spannend finde ich in diesem Zusammenhang eine Aussage von Hartmut Gese (H.Gese; zitiert bei S. Kettling; Du gibst mich nicht dem Tode preis; S. 61), emeritierte Professor in Tübingen: "Wir sterben nicht weil wir krank sind. Wir werden krank, weil wir sterben müssen." Hier wird ebenfalls dieses Bewusstsein spürbar, dass zu unserem Leben das Sterben dazugehört. Wir mit unserer Geburt in die Endlichkeit dieser Welt gestellt werden und auf unser Ende hin zuleben.

    Und anders als in dem Kinofilm von Roland Emmerich beginnt das Weltende mit der Wiederkunft Christi - mit Macht und Herrlichkeit! und damit mit Erkenntnis! Dann werden alle Unklarheiten beseitigt sein. Hier ist mir ein Vers aus dem eingangs gebeteten Psalm ein großer Trost: "Rufe mich an in der Not, so will ich dich erretten." Wenn mir meine Verlorenheit bewusst wird, darf ich zu Gott rufen und auf seine Hilfe hoffen.

    Das Zweite:

    2. Wir leben über das Ende hinaus

    Im Gegensatz zu unseren weltlichen Gerichten, bei denen nur die unmittelbaren Prozessbeteiligten und die Zeugen auftreten müssen, werden vor diesem himmlischen Gericht alle Menschen versammelt. Was muss das für eine Szene sein - unvorstellbar. Keiner ist da ausgenommen, keiner kann sich herausreden.

    Aber diese Vorstellung macht uns auch Angst. Dies aus verschiedenen Gründen: Zum einen weil über Jahrhunderte mit diesem sogenannten "jüngsten Gericht" immer wieder gedroht und Menschen eingeschüchtert, unterdrückt wurden. Aber auch wegen unserer humanistischen und aufgeklärten Prägung auf Grund derer es nicht sein kann, dass ein Mensch verworfen wird. In jedem von uns steckt doch der gute Kern um dessen willen ein Mensch nicht verurteilt werden kann. Und es bereitet uns vermutlich auch deswegen Unbehagen, weil wir fürchten, in diesem Gericht ganz schlecht abzuschneiden, denn wir kennen hoffentlich unsere Ecken und Kanten. Denn es ist das letzte Gericht, da wird kein Aufschub mehr gewährt, es gibt keine Rechtsmittel wie ein vermeintliches Fegefeuer, das uns noch so etwas wie eine zweite Chance einräumt (vgl. Hebr 9,27).

    Wenn Jesus seine "Trennung" vornimmt, dann ist der Maßstab in diesen Versen für sein Urteil nicht das, was getan wurde, sondern was nicht getan wurde. Diejenigen, die das Urteil empfangen haben sich eben jenen "geringsten Brüdern" nicht zugewandt, sondern sind vielleicht an ihnen vorüber gegangen. Erinnerungen an das Gleichnis vom barmherzigen Samariter werden bei mir wach.

    Vielleicht denken sie jetzt daran, dass sie doch nicht für alle Menschen dieser Welt verantwortlich sind. Nein gewiss nicht, nicht einmal für alle Tüllinger. Aber wir sind verantwortlich für denjenigen, diesen einen - irgendeinen, der uns in seiner Not begegnet. Ihm sollen wir uns zuwenden, ihm sollen wir begegnen und unsere Hilfe angedeihen lassen. Jesus ist auch nicht kreuz und quer durch Galiläa gereist und hat alle Menschen geheilt - aber diejenigen, die zu ihm kamen oder gebracht wurden.

    Wenn davon die Rede ist, dass es um unsere Lebensführung geht, zucken wir zusammen und gleichzeitig klingeln bei uns "Protestanten" die Alarmglocken: "Hat Luther nicht gerade dagegen protestiert? Dagegen dass wir uns den Himmel mit unseren Werken verdienen können? Und insgeheim ahnen und befürchten wir, dass wir da ganz schlecht abschneiden werden. Aber ist das wirklich das Thema? Denken wir hier nicht zu sehr in Gegensätzen von "Glaube" und "Werke"?

    An vielen Stellen im NT wird davon gesprochen, dass unser Glaube in der "Tat", in unserem Leben, im Ungang mit unseren Nächsten und im Umgang mit uns selbst (!) seinen Ausdruck finden muss und finden wird.

    Aber genau so deutlich wird formuliert, dass wir uns den Himmel mit unseren Werken nicht verdienen können, schon gar nicht an Jesus vorbei! Besonders eindrucksvoll wird dies für mich, als die Jünger zu Jesus zurückkommen und von Ihren großen Taten berichten bzw. von denen, die große Taten im Namen Jesu vollbracht haben. Jesus aber scharf darauf hinweist, dass dies nicht das entscheidende sein wird (Mt 7,21; 12,50). Werke, die aus unserem Glauben geschehen, erfolgen ohne Kalkül "... wann sahen wir dich als Fremdling ..." - auch das halte ich für bezeichnend.

    Werkgerechtigkeit - Gnade allein; wir können das eine nicht vom anderen trennen - es ist auch nicht unsere Aufgabe, diese Trennung vorzunehmen, das wird Jesus machen. Für uns kommt es allein darauf an, dass zu tun, was wir erkannt haben in der Verantwortung vor Gott.

    Schluss

    Der Theologe Fritz Rienecker, der unter anderem viele Jahre auch auf dem gegenüberliegenden Berg (St. Chrischona) gelehrt hat, sagt einmal: "Wir werden den Sinn des Wortes vom Völkergericht nicht bis ins Letzte lösen können." Dieser Aussage schließe ich mich an. Und ich denke auch dass es gut ist, wenn uns noch manches verborgen bleibt, weil wir es einfach nicht fassen könnten.

    So möchte ich das Wort vom Völkergericht als Trost- und Mutmachwort verstehen. Ein Trostwort weil in diesen Versen aufgezeigt wird, dass sich Jesus zu den seinen bekennen wird. Er wird sein Wort halten und die seinen zu sich sammeln.

    Und es ist mir zugleich ein Mutmachwort gegen meine Vorbehalte und Einwände. Christ sein, Nachfolge Jesus verlangt uns, ihnen und mir etwas ab. Aber es wird uns nicht unvergolten bleiben oder wie es Paulus einmal formuliert hat: " Denn ich denke, dass die Leiden der jetzigen Zeit nicht ins Gewicht fallen gegenüber der zukünftigen Herrlichkeit, die an uns geoffenbart werden soll." (Rö 8,18).

    Amen.

    - Es gilt das gesprochene Wort! -

    Diese Predigt wurde verfasst von:
    Karl-Heinz Rudishauser
    Obertüllingen 107
    79539 Lörrach-Tüllingen
    07621/9153229
    eMail: karl-heinz.rudishauser(a)t-online.de
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