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Predigt über Matthäus 28, 16-20

am 06.07.1997
6. Sonntag nach Trinitatis

Ort: Neuenburg und Zinken


Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.

Liebe Schwestern und Brüder

Einleitung

"Spezialisten gesucht!" - so kann man immer wieder in Zeitungen inseriert finden. Auch heute, in Zeiten großer Stellenknappheit, werden trotzdem immer wieder Spezalisten gesucht. Menschen, die für spezielle Aufgaben besondere Fähigkeiten besitzen. Vielleicht erinnern sie sich noch an die Eliteeinheit des Bundesgrundschutzes, die für die Befreiung von Geiseln zuständig ist, die GSG 9. Das sind Männer, die in einem strengen Auswahlverfahren zu dieser Gruppe kamen und dann dort noch einmal eine spezielle Ausbildung erfahren haben. Denn besondere Aufgaben erfordern dafür speziell ausgebildete Menschen - und das zu allen Zeiten, in den unterschiedlichsten Situationen.

Auch in unserem heutigen Predigttext geht es um eine ganz besondere Aufgabe. Und für diese Aufgabe mußten Menschen gefunden werden, die diese bewältigen konnten.

- Text lesen: Mt 28, 16-20 -

"Spezialisten gesucht" - in diesen Versen wird zwar eine Aufgabe und Herausforderung von riesiger Bedeutung beschrieben, aber die Menschen, die sich dafür gefunden haben, sind alles andere als Spezialisten und weit davon entfernt, eine Eliteeinheit zu sein. Von ursprünglich zwölf sind nur noch elf übrig, weil einer die ganze Sache hochgehen lassen wollte und sich dann umgebracht hat. Und von den Restlichen hatten einige Zweifel.1 Alles was wir vorfinden ist ein Haufen verängstigter und verunsicherter Männer. Und sie sind noch nicht einmal freiwillig zusammengekommen, wissen eigentlich noch überhaupt nichts von ihrer Aufgaben. Sie haben sich getroffen, weil sie nach Galiläa bestellt wurden. Hätte man sie gefragt, wären sie viel lieber fischen gegangen, aber nun sind sie hier. Und das ungeheurliche tritt ein: Jesus, der gekreuzigt und begraben worden, war tritt vor sie hin. Vor diesen "jämmerlichen Haufen" und redet zu ihnen. Und drei Dinge sind es, der er ihnen sagt:

  • 1. Mir ist gegeben alle Macht im Himmel und auf Erden
  • 2. Machet zu Jüngern alle Nationen (Völker) und lehret sie alles halten was ich euch gesagt habe
  • 3. Ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende
  • Zum ersten:

    1. Mir ist gegeben alle Macht im Himmel und auf Erden

    Ist das nicht eine Aussage die Mut macht, die wieder Hoffnung weckt? Hier wird Menschen, die nicht mehr über den Horizont blicken können gesagt, ich habe alles im Griff, macht euch keine Sorgen, ich habe den Überlick noch lange nicht verloren, mir sind die Zügel noch nicht aus der Hand geglitten. Mit dieser Aussage wendet Jesus den Blick der Jünger auf ihn. Ruft ihnen und uns wieder ins Gedächtnis wer ER ist: der auferstandene und lebendige Sohn Gottes. So kommt etwas anderes, der etwas andere, der ganz andere in unser Blickfeld. Da können wir wieder anfangen, nicht nur mit unseren Möglichkeiten zu rechnen, sondern mit den Möglichkeiten Gottes.

    "Schön und gut" höre ich jetzt die Skeptiker unter uns sagen, aber wo können wir etwas von dieser Allmacht Gottes in unserer Welt erkennen. Wo bitte in all dem Chaos, setzt sich diese Macht durch und sprechen unsere Erfahrungen nicht eine ganz andere Sprache?" Ich möchte diese Fragen jetzt nicht vorschnell beiseite wischen, aber wer sich diese Fragen stellt, sollte dabei eines bedenken: Hier kommen unsere menschlichen Vorstellungen zum Ausdruck, wie wir es handhaben würden, wenn uns alle Macht gegeben wäre. Wir würden das aus dem Weg räumen, was sich uns, unseren Ideen und Plänen in den Weg stellt.

    Aber das ist nicht die Art, wie Gott seine Macht in dieser Welt zum Ausdruck bringt. ER läßt keine Blitze vom Himmel fahren wenn es nicht so läuft wie ER es sich gedacht hat und wir uns nicht so verhalten, wie wir es sollten. Gottes Macht erschließt sich uns nicht dadurch, daß er sie demonstriert, wie die Mächtigen der Welt ihre (scheinbare) Macht demonstrieren. Gottes Macht erschließt sich dem Glaubendem. Erschließt sich dem, der darauf vertraut, daß Gott die Dinge nicht aus den Händen geglitten sind. Gott überwältigt uns nicht und zwingt uns nicht, Gott läd uns ein! Er fordert uns, wie die elf Jünger damals, heraus, ihm unser Vertrauen zu schenken. Ich gebe zu, daß dies nicht immer einfach und manchmal eine gewaltige Herausforderung ist. Aber mir scheint es andererseits zweifelhaft, ob wir glücklicher und zufriedener wären, wenn Gott uns seine Macht aufzwingen würde.

    Es ist Gottes Entscheidung, diesen Weg so zu gehen und nicht einen anderen und machen wir uns doch einmal bewußt, wieviel Vertrauensvorschuß uns Gott entgegenbringt, indem er diesen Weg geht! Jesus stellt an die Menschen, denen er einen großen Auftrag gibt und die ihm nachfolgen, nur eine Bedingung: Sie müßen nicht über besondere Fähigkeiten verfügen oder eine besondere Eignungsprüfung ablegen, nein, das alles müssen sie nicht. Jesus erwartete von diesen Elfen nur, daß sie ihm vertrauen und ihn beim Wort nehmen. Wenn auch wir das tun, dann gehören auch wir zu jener "Eliteeinheit von Spezialisten", denen ein großer Auftrag anvertraut wurde und das ist das Zweite:

    2. Machet zu Jüngern alle Nationen (Völker) und lehret sie alles halten was ich euch gesagt habe

    Vor vielen Jahren kam ein Buch heraus mit dem Titel "Christ sein - (k)eine Privatsache?" Der Autor ging darin der Frage nach, inwieweit es möglich ist, Christsein als Privatsache zu betrachten und auch so zu leben. Daß jemand es für notwendig gehalten hat, ein Buch zu einem solchen Thema zu schreiben scheint Hinweis genug zu sein, daß Christsein vielfach als Privatsache verstanden wird. Das heißt, ich selber lege mir die Spielregeln zurecht und bestimme, was Christ sein heißt.

    Aber Jünger Jesu sein dient nicht einem Selbstzweck. Christ sein bedeutet, Menschenfischer zu werden, Multiplikator sein und von dem zu erzählen, was Gott für diese Welt getan hat. Es ist dies ein Auftrag, der keine Grenzen kennt, von dem niemand ausgenommen ist. Zu allen Völkern sollen wir gehen, für alle Menschen ist das Evangelium bestimmt. Alle Welt soll davon erfahren, und alle Welt das kann der zweite Stock über uns sein oder eine Missionsstation in Afrika. "Gehet hin zu allen Menschen" das ist der Auftrag, den die Jünger damals bekommen haben und der auch uns heute noch gilt. Zwei Dinge sind es, die daran für mich bezeichnend sind.

    Zum einen sollen wir gehen. Jetzt könnte man sagen, das ist das Gegenteil von darauf warten bis die Leute zu uns kommen. Das ist sicherlich richtig. Aber für mich drückt dieses gehen auch eine grundsätzliche Dynamik aus. Nicht nur räumlich, sondern auch geistig. Damit meine ich, dahin zu gehen und sich mit dem auseinanderzusetzen, was unsere Zeitgenoßen beschäftigt, was sie interessiert. Wir sollten wahrnehmen, was unsere Mitmenschen bewegt, welche Meinungen und Ansichten sie vertreten und sich diesen stellen. Das kann mit kleinen Schritten beginnen, wie zum Beispiel unseren Wortschatz von unnötigen frommen Vokabeln zu befreien. Eine Devise, die vom guten alten Luther stammte, der gesagt hat, daß man dem Volk aufs Maul schauen soll. Und es scheint nicht unwichtig zu sein, daß Jesus lehren sagt. Das meint doch, sich mit dem Gegenüber auseinandersetzen, heißt zuhören und schauen wo der andere steht, heißt eben auch, geistig dahingehen, wo der andere gerade steht.

    Zum anderen finde ich interessant, wie Menschen zu Jüngern gemacht werden. Wörtlich steht da: "machet sie zu Jüngern, sie taufend, indem ihr sie tauft". Also nicht erst Jünger machen, dann taufen und dann lehren. Jünger werden aus der Taufe "geboren". Wir könnten jetzt darüber diskutieren, wie wir es mit unserer Taufpraxis halten, ob es richtig ist Säuglinge zu taufen oder mit der Taufe zu warten, bis ein Mensch alt genug ist, um es selbst zu entscheiden. Aber ich denke, die Frage ist doch nicht, wie groß oder alt ein Mensch sein muß oder darf, sondern die Frage ist, ob ein Mensch zu einem Jünger wird. Das ist doch der Punkt, um den es bei der Taufe auch geht. Das sollten wir bei unseren Taufen vor Augen haben, und dann Wege gehen, die zum Ziel haben, Menschen zu Jüngern Jesu zu machen.

    Darin liegt doch die Herausforderung in unseren Tagen und in unserer volkskirchlichen Situation. Nutzen wir die uns gegebenen Möglichkeiten und lehren die Menschen das, was uns Jesus geboten hat.

    3. Ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.

    Jesus schließt seine Rede an die Jünger so, wie er sie begonnen hat, mit einer Verheißung. "Und siehe, ich bin bei euch alle Tage." Wieviel Trost und wieviel Ermutigung kommt uns da entgegen. Nein, Jesus verliert nicht eines Tages die Lust und das Interesse an uns. Er bläst nicht eines Tages das Projekt Weltevangelisation wieder ab, weil seine Spezialisten versagen. Jesus hält an diesem Auftrag, an diesem Ziel fest und bekennt sich zu uns. Er will alle Tage bei uns sein, will uns so die Möglichkeit geben, an jedem Tag an seiner Macht teilzuhaben und die Erfahrung zu machen, daß er da ist.

    Die Jünger damals machten diese Erfahrung und wenn wir heute zurückblicken auf das, was von diesen elf eingeschüchterten und mutlosen Männern ausging, dann sollte allein das schon Motivation genug sein, um uns in Bewegung zu setzen. Zweitausend Jahre Kirchegeschichte mit allen Höhen und Tiefen sind doch Hinweis darauf, daß Jesus sein Wort eingehalten hat. Und auch wir können die Erfahrung machen, daß gerade in unserer Schwachheit, in unserm Unvermögen Gottes Kraft zum Zuge kommt.2

    Schluß

    Ich wünsche ihnen und mir, daß uns dafür der Blick geöffnet und das Herz weit gemacht wird für diesen weltweiten Auftrag. Daß wir uns von ihm senden lassen, sei es zu dem Arbeitskollegen oder in die Missionstation und bei alledem die Erfahrung machen: daß er uns die Kraft und die Ausdauer dafür gibt und er es ist, der die Vision dazu schenkt.

    Amen.

    - Es gilt das gesprochene Wort! -

    Diese Predigt wurde verfasst von:
    Karl-Heinz Rudishauser
    Belchenring 20
    D-79219 Staufen
    07633/500781
    eMail: karl-heinz.rudishauser@t-online.de
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