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Predigt über Matthäusevangelium 8,5-13

am 26.01.2003
3. Sonntag n. Epiphanias

Ort: Waldkirche Heidenheim


Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.

Einleitung

Ein Mensch erhofft sich fromm und still,
dass er einst das kriegt, was er will.
Bis er dann doch dem Wahn erliegt
und schliesslich das will, was er kriegt.
(Eugen Roth, Sämtliche Menschen; S. 36)

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Gemeinde!

Eugen Roth beschreibt in diesem Gedicht einen Umstand, den wir möglicherweise aus eigener Erfahrung kennen. Wir haben gewisse Ziele oder Vorstellungen die wir erreichen wollen. Und auf dem Weg dahin stossen wir an Grenzen. Vielleicht unternimmt der eine oder die andere noch den Versuch, diese Grenzen zu überwinden oder auszudehnen, aber in den meisten Fällen finden wir uns mit den Grenzen ab. Das gilt insbesondere dann, wenn es um Lebensumstände geht. Im heutigen Predigttext wird dieses Thema aufgegriffen und wir erfahren, welche Möglichkeiten uns Christen dabei gegeben sind.

- Text lesen: Mt 8, 5-13 -

Es ist eine eigentümliche und in gewisser Weise auch etwas sonderbare Geschichte, die wir heute zu hören bekommen. Oberflächlich betrachtet scheint ja alles klar zu sein: ein Mann kommt zu Jesus weil sein Knecht krank ist und Jesus macht diesen Knecht wieder gesund. Das ist doch wunderbar, schöner und besser könnten wir es doch nicht haben. Das ist doch gerade das, was auch wir gerne erleben würden, wovon wir hoffen, daß es auch in unseren Tagen, in unserer Gemeinde, in unserem, in meinem Leben geschieht.

Vielleicht machen wir uns, wenn wir von einem solchen Wunder hören, Gedanken darüber, warum bei uns keine Wunder mehr geschehen - oder wann haben sie das letzte erlebt? "Wunder gibt es immer wieder"1 lautete ein Schlager vergangener Tage, aber wohl nicht bei uns!?

Um uns der Herausforderung zu entziehen, die dieser Bericht an uns stellt könnten wir natürlich eine Diskussion darüber beginnen, ob es überhaupt Wunder gibt. Wir könnten die Frage aufwerfen, ob dies nicht alles schöne Geschichten sind, deren Glaubwürdigkeit aber stark bezweifelt werden muß. Was ist eigentlich ein Wunder und wovon hängt es ab wann wir bei einem Ereignis von einem Wunder sprechen?

Ich halte dafür, daß Wunder heute ebenso zum Leben der Gläubigen gehören wie in den Tagen des Neuen Testaments. Es geht bei Wundern nicht so sehr und in erster Linie darum, daß sie spektakulär oder unerklärbar sind. Entscheidend ist für mich, von wem das Wunder kommt, wenn ich dafür verantwortlich mache. Für den biblisch denkenden Mensch ist ein Wunder jedes Ereignis, in dem ich Gottes helfendes Eingreifen erkenne. Ob dabei die Naturgesetze durchbrochen oder eingehalten werden, spielt dabei zunächst keine Rolle. Wunder, als helfendes, zurechtbringendes Eingreifen Gottes sind zunächst ergebnisoffen. Ich kann Gott nicht auf ein bestimmtes Ergebnis festnageln. Das zu Recht bringen, heil machen eines Menschen hat immer zuerst die Beziehung zu Gott im Blick. So verstanden, kann jemand durchaus das Wunder erfahren, weiter an einem Gebrechen zu leiden und dennoch heil zu werden und heil zu sein. Denn entscheidend ist, dass Gott handelt, nicht wie!

Und im Erkennen, daß Gott in der einen oder anderen Lebenssituation Gottes helfend in mein Leben eingegriffen hat, kommt das größte Wunder zum Ausdruck: der Glaube an den lebendigen Sohn Gottes.2 Ausgangspunkt unseres Berichtes ist ein römischer Soldat, der Jesus in den Weg tritt und ihn anspricht. Und dies ist auch das, was mich an dieser Geschichte am meisten interessiert, dieser Hauptmann. Was war das für ein Mensch und was zeichnete ihn aus, daß er von Jesus quasi als Vorbild hingestellt wurde?

1. Wer war dieser Hauptmann oder akzeptiere deine Grenzen und überwinde sie.

Die Stadt Kapernaum lag an einer wichtigen Handelsstraße und besaß in damaliger Zeit einige Bedeutung. Sie war Verkehrsknotenpunkt, Fischerei- und Handelszentrum und war auch mit einer Zollstation ausgestattet. Diese Stadt wurde militärisch von diesem Hauptmann, wörtlich heißt es hekatonarchoi (für Asterix-Leser ein Centurio), befehligt, also einem Befehlshaber über 100 Soldaten. Von seinem Rang her war er nicht Offizier sondern nur Unteroffizier, war also selbst wieder anderen unterstellt, die ihm Befehle erteilen konnten. Er war Heide, jedoch dem jüdischen Glauben stark verbunden und zugeneigt. Von Lukas wissen wir, daß er die Synagoge in Kapernaum erbauen ließ (s. Lk 7,3-6). Dennoch war er kein Jude, hat sich nicht beschneiden lassen und war damit von der Gemeinschaft und religiösen Leben ausgeschlossen und jeder, der sich mit ihm einließ oder gar sein Haus betrat, wurde unrein.

Trotzdem stand er in der Gunst der Menschen, eigentlich ungewöhnlich für einen Kriegsherrn in jenen Tagen. Wir können ihn als Ausnahme betrachten, was durch die geschilderte Beziehung zu seinen Untergebenen untermauert wird. Einer seiner Soldaten, der zu seiner Bedienung abgestellt war, lag krank darnieder. Und das Schicksal, das Ergehen dieses Mannes lag ihm am Herzen. Er leidet mit ihm und trotz all seiner Befehlsgewalt und seiner Macht, kann er ihm nicht helfen, kann er seine Schmerzen nicht lindern oder sie ihm abnehmen. Ich kann mir gut vorstellen, daß dieser Mann auch Geld in die Behandlung seines Knechtes investiert hat. Aber auch das hat nichts geholfen und so muß er sich wohl damit zufriedenstellen, daß sein Knecht weiter leidet. "Damit muß man sich eben abfinden!" - eine Antwort die ihm vermutlich gegeben wurde und die wir auch kennen und selbst schon zu hören bekommen haben. Aber müssen wir das wirklich, uns mit unseren Grenzen abfinden, dann wenn wir am Ende des uns Menschen möglichen sind? "Glaube an deine Grenzen und sie gehören dir!" - Muß dies so sein oder haben wir Alternativen? Ein Blick in die Entwicklung der Menschheit lehrt uns, daß Grenzen immer wieder durchbrochen und erweitert wurden. Vielfach waren es einzelne Personen die neue Schritte gewagt haben, namenlose und solche, die in die Geschichte eingegangen sind. Es geht mir jetzt nicht darum, diese Entwicklungen im einzelnen zu bewerten, ob sie jeweils gut oder schlecht waren, sondern nur darauf hinweisen, daß wir nicht unweigerlich an Grenzen gebunden sind und was möglich ist, wenn diese Grenzen durchbrochen werden.

Jener Hauptmann in Kapernaum will sich nicht damit abfinden, daß sein Knecht leidet. Auch wenn seine Möglichkeiten erschöpft sind, nichts mehr zu machen ist, gibt er nicht auf. Gegen die miserable Wirklichkeit, gegen die unerträglichen Schmerzen und das hoffnungslose Leiden, gegen den Satz "da kann man nichts machen" setzt er: "Du Gott, du Jesus, du kannst etwas dagegen machen. Du bist lange noch nicht am Ende deiner Möglichkeiten". Dem der glaubt, ist kein Ding unmöglich.3

Und so macht er sich auf und paßt Jesus ab, als dieser nach Kapernaum kommt.

2. Was glaubte dieser Hauptmann oder sprich nur ein Wort!

Was erwarten sie, was dieser Mann nun macht? Er wird doch sicherlich Jesus sein Anliegen vortragen und ihn bitten, seinen Diener zu heilen. Wird auf ihn einreden und drängen in sein Haus zu kommen und sich des Kranken anzunehmen. Denn so kennen wir das doch: Kranke flehen, schreien Jesus an ihnen zu helfen4, Angehörige drängen Jesus5 und decken ganze Dächer ab6. Aber weit gefehlt!

Er tritt Jesus zwar in den Weg und erzählt ihm, daß sein Diener krank ist und schrecklich gequält wird, mehr aber nicht. In dem der Hauptmann Jesus anspricht bekennt er seine Hilflosigkeit, gesteht er in aller Öffentlichkeit ein, daß er mit seinen Mitteln und Möglichkeiten am Ende ist. Aber gleichzeitig bezeugt er auch, worauf er seine Hoffnung setzt, bekennt er, was er dem Leiden und der Hoffnungslosigkeit entgegensetzt: den Mann aus Nazareth. Er macht klar, wenn ich an meine Grenzen stoße (vermeintliche oder wirkliche), dann, spätestens dann, gilt sein ganzes Vertrauen und seine ganze Hoffnung diesem Mann. Er ist davon überzeugt, daß Jesus sein Anliegen ernst nimmt und daß er IHN zum Handeln bewegen kann! Er vertraut sich und seinen Knecht ganz Jesus an! Herr, wie du willst soll es geschehen und so wird es dann gut sein!

An dieser Stelle habe ich in meinem Predigtentwurf stehen gehabt: "Keinen Fatalismus predigen!" Darauf möchte ich an dieser Stelle kurz eingehen. Es geht nicht darum, einer Vorstellung das Wort zu reden, in der Gott unnahbar ist, ich mich in ein unabänderliches, gottgegebenes Schicksal zu fügen habe. Diese Begegnung Jesu mit dem Hauptmann aus Kapernaum und viele andere Berichte aus dem alten und neuen Testament belegen genau das Gegenteil. Wir werden geradezu herausgefordert, uns mit unserem Schicksal, mit unserem Leben an Gott zu wenden, ihm förmlich auf die Füsse zu treten. Klar sagen was ich will und mit derselben Entschlossenheit das annehmen, was Jesus mir als Antwort gibt - in Wort oder Tat. Denn eines sollte uns dabei immer gewiss sein: Jesus wird unser Anliegen ernst nehmen, sehr ernst und er wird uns auch eine Antwort geben!

Genau das wird durch die Reaktion Jesu deutlich. Jesus erkennt das Anliegen und ist seinerseits bereit, etwas zu unternehmen. ER bietet den Hauptmann an, zu ihm nach Hause zu kommen und den Diener zu heilen. Was wir eigentlich aus dem Munde des Hauptmanns zu hören erwartet hatten, spricht Jesus selbst aus: "Ich will kommen und ihn heilen." Wie froh wären wir, eine solche Aussage zu hören. wie froh wäre manch Kranker, wenn ihm eine solche Botschaft vermittelt würde. Würden wir nicht dankbar einschlagen und uns sofort auf den Weg machen und Jesus den Weg zeigen? Um so mehr erstaunt mich nun die Antwort jenes Hauptmannes: Ach was Jesus, das brauchst du nicht, bemühe dich nicht, ich bin nicht würdig, daß du unter mein Dach, in mein Haus einkehrst. Ja was jetzt - kommen und gesund machen oder nicht?

"Sprich nur ein Wort und mein Knecht wird wieder gesund." Hätten sie das erwartet? Dieser Mann war es von Berufs wegen gewohnt, Befehle zu empfangen und Befehle zu erteilen. Und für ihn gab es nicht den geringsten Zweifel, daß ein Befehl wirkungslos bleibt. Im Rahmen seiner begrenzten Macht und eingeschränkten Möglichkeiten konnte er mit seinen Befehlen Menschen in Bewegung setzen. Wenn Jesus Gottes Sohn ist, der Sohn dessen, der Himmel und Erde, der den gesamten Kosmos geschaffen hat und wenn ihm alle Vollmacht im Himmel und auf Erden gegeben ist7, dann hat er auch Befehlsgewalt über Krankheit! Und so ist es für ihn überhaupt kein Thema, daß es nicht darauf ankommt, ob Jesus nun in sein Haus kommt, sondern allein darauf, ob Jesus seinen Diener heilen will oder nicht. Und wenn es dran ist, dann, ja dann genügt ein Wort von IHM - "Sprich nur ein Wort, und mein Knecht wird gesund"!

3. Viele werden kommen - und ich?

Jesus macht deutlich, daß der Glaube jenes Hauptmannes etwas Besonderes war. Das besondere dieses Glaubens erwächst aus seiner Schlichtheit und Klarheit. Da wird nicht über fünf Ecken mit wenn und aber geglaubt sondern entweder - oder. Entweder ist Jesus Gottes Sohn und ihm ist alle Macht gegeben dann genügt auch ein Wort von ihm oder es ist nicht Gottes Sohn.

Jesus befiehlt nicht so zu glauben wie dieser Hauptmann, wie er nirgends den Glauben befiehlt, sondern er klagt darüber, daß er solchen Glauben bei denen, wo er ihn eigentlich finden müsste, bei den Menschen seines Volkes, nicht findet. Hier nun gewinnt dieser Bericht seine aktuelle Bedeutung und Dimension, sind wir, sind sie und ich angesprochen. Als Christen zählen wir zum neuen Volk Gottes. Und so wie Jesus damals gehofft hat, diesen Glauben bei seinem Volk zu finden, so hofft er ihn bei seinen Jüngern8, ihn heute bei uns zu finden. Ich habe mich gefragt: findet Jesus diesen Glauben bei mir? Wohlgemerkt: hier geht es nicht darum, auf den anderen zu schielen, diese Frage muß ich mir selber stellen und für mich beantworten. Wir sollten jetzt auch nicht vorschnell auf die Frommen von damals zeigen und sie an den Pranger stellen.

Denn eigentlich sollten wir alle Voraussetzungen für solchen Glauben mitbringen. Kommen wir nicht Sonntag für Sonntag unter Gottes Wort, haben wir nicht in Schule und Konfirmandenunterricht von Gottes Wirken in dieser Welt gehört und treffen wir uns nicht in unseren Hauskreisen um uns darüber auszutauschen und uns für den Alltag zu rüsten und zu ermutigen? Es kommt entscheidend darauf an, unseren Glauben auch ein- und umzusetzen. Ihn nicht wie eine Ikone zu verehren sondern ihn in unserem alltäglichen Leben einzubauen.

Vielleicht denkt der eine oder die andere bei sich: "Ja, wenn ich so glauben könnte wie jener Hauptmann, ja dann wäre und würde mein Leben in anderen Bahnen verlaufen - oder? Aber wie hat denn dieser Hauptmann geglaubt, was ist denn das beispielhafte daran? Ich möchte nochmals betonen: Jesus spricht an keiner Stelle eine Aufforderung aus, so zu glauben wie dieser Hauptmann! Was er ausspricht ist letztlich eine Vision: Viele werden kommen, von Süden und von Norden, von Osten und von Westen, werden zu ihm, zu Jesus kommen wie jener Hauptmann und IHM ihre Anliegen, Sorgen und Nöte sagen. Viele, wir , sie und ich sollen kommen und Jesus sagen, was uns auf dem Herzen liegt. Das ist das Beispiel jenes Hauptmannes: Grenzen überwinden, zu Jesus kommen, IHM sagen was mich umtreibt und vertrauen, daß ER handeln wird.

Schluß

"Glaube an deine Grenzen und sie gehören dir!" oder "Sprich nur ein Wort!" - wie entscheiden sie sich? Ich wünsche mir die Schlichtheit und Klarheit dieses Mannes, für mich, unsere Gemeinde und die gesamte christliche Kirche. Ich wünsche mir das Bewußtsein, daß wir zu Jesus gehören, wir neu entdecken dass ER unser Herr ist, wir mit ihm Grenzen überwinden können, wir zu denen gehören, die kommen.

Amen.

- Es gilt das gesprochene Wort! -

Diese Predigt wurde verfasst von:
Karl-Heinz Rudishauser
Altenheimstraße 23
89522 Heidenheim/Brenz
07321/910915
eMail: karl-heinz.rudishauser@t-online.de
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