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Predigten

Predigt über Philipperbrief 12,17-21

am 01.01.1996
Neujahrstag

Ort: Staufen


Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, die liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen.

Liebe Schwestern und Brüder!

Einleitung Es ist gerade ein paar Stunden her, da haben wir die Schwelle zu einem neuen Jahr überschritten. Und die meisten von uns wurden sicherlich mit guten Wünschen in das neue Jahr begleitet. Aber wie wird es werden, dieses neue Jahr, wird es wirklich neu, wird sich vieles oder zumindest etwas verändern oder Bleibt doch das meiste beim Alten? Wir merken es heute schon, sicherlich aber in den kommenden Tagen und Wochen, das Alte geht mit, das was liegengeblieben ist und nachgeholt werden muß, aber auch unsere eingeschliffenen Denk- und Handlungsweisen. Und sie vermitteln uns den Eindruck, es bleibt doch alles beim Alten, auch im neuen Jahr.

Zu diesem Eindruck kommen sicherlich auch manche Befürchtungen und Ängste, was das neue Jahr bringen wird. Und wir erleben fragen uns was überwiegt: die Hoffnung für die Zukunft, auf die Veränderung, auf Neues oder die bange Frage, was das neue Jahr bringen wird.

Trotz vieler Fragen und mancher Ungewißheit bietet dieses neue Jahr, wie jeder neue Tag eine Menge neuer Chancen. Was aus den uns angebotenen Chancen wird, was wir daraus machen liegt größtenteils auch an uns. Ergreifen wir die Möglichkeiten, die uns von Gott gegeben sind oder lassen wir sie ungeachtet an uns vorbeigehen? Diese Chancen zu ergreifen und für unser Leben zu nutzen, dazu will uns auch im neuen Jahr Gottes Wort eine Hilfe sein. Eine Hilfe den Blick für das Wesentliche zu bekommen, für das, worauf es in unserem Leben ankommt.

Der Predigtabschnitt der uns für diesen Gottesdienst gegeben ist, steht im Philipperbrief, im 4. Kapitel. Und vielleicht kann uns auch dieser Abschnitt am Beginn dieses neuen Jahres zu einer solchen Hilfe werden, um die uns angebotenen Chancen zu nutzen. - Text lesen Phil 4,10-20 - Dank, ein gutes Stichwort um das alte Jahr abzuschließen, so haben wir es Gestern Abend im Gottesdienst gehört. Dank auch ein guter Einstieg für ein neues Jahr. Paulus bedankt sich darin für eine Gabe, die er von den Philippern erhalten hat. Eine Selbstverständlichkeit, sich für eine Hilfe zu bedanken - sicherlich und doch, wie Paulus seinen Dank formuliert hat mich doch stutzig gemacht und mich ins nachdenken gebracht. Und so möchte ich sie teilhaben lassen an dem, was mir in meinem nachdenken wichtig geworden ist. Ich möchte dies anhand von zwei Versen tun, die für mich in diesem Abschnitt eine besondere Bedeutung erhalten haben.

1. Vers 13: „Alles vermag ich in dem, der mich kräftigt.“

Paulus hat diesen Brief geschrieben, als er sich wieder einmal in einer Lebenssituation befand, die er sehr gut kannte: er saß nämlich wieder einmal hinter Gittern. Paulus war ein Mann, der in seinem Leben Höhen und Tiefen erlebt hatte. Er hatte vor den Gelehrten in Athen eine Rede gehalten und wurde bewundert, und er bezog Prügel und wurde aus Städten hinausgejagt. Er erlebte die Nähe Gottes und Wunder auf der einen Seite, andererseits durchlebte er Situationen, in denen er dachte, ein Engel des Teufels würde in mit Fäusten schlagen.

Paulus kannte das Leben, er hatte erlebt und durchlitten, was ihm das Leben allgemein und insbesondere in der Nachfolge Jesu bescheren konnte. Er wußte was es heißt, Mangel zu haben, aber auch im Überfluß zu leben. Er konnte niedrig sein, und er konnte hoch sein. So schreibt er es in seinem Brief und wenn man diese Verse so liest, könnte durchaus der Eindruck entstehen, Paulus war ein Fatalist, einer also, der das Leben eben so dahinnahm, aus Gottes Hand eben, ohne es tiefer zu hinterfragen oder sich gar damit auseinanderzusetzen. Das wäre eine sichtweise, eine mögliche Interpretation, wie Paulus das Leben anging. Für mich drückt sich in diesen Versen aber eine andere Einstellung zum Leben aus, die Paulus hat. Sie sind Ausdruck einer großen Freiheit, die Paulus in seinem Leben gewonnen hatte. Diese Freiheit spiegelt sich für mich in der großen Gelassenheit wieder, wie Paulus das Leben anging. Zeichen dafür, daß es nicht die Lebensumstände waren, die ihn im Tiefsten prägten, sondern Jesus. Eines ist mir dabei aufgefallen und gleichzeitig wichtig geworden: Paulus wurde dieses Vermögen, unterschiedliche Lebenssituationen anzunehmen, nicht einfach in die Wiege gelegt, ihm gleichsam angeboren - auch als Christ nicht. Er sagt es sehr deutlich, „ich habe es gelernt (V.11). Ich habe es gelernt, mich damit zu begnügen, in dem und mit dem zu leben, was ich habe. Das heißt doch, daß sich Paulus den unterschiedlichsten Situationen seines Lebens gestellt hat. Er hat nicht resigniert und die Dinge über sich ergehen lassen getreu dem Motto „der Mensch denkt und Gott lenkt“. Nein, so nicht, würde uns Paulus heute sagen. Auch ihr könnt es lernen und dazu kommen, daß ihr in eurem Befinden nicht mehr allein von den Lebensumständen geprägt werdet. Macht euch abhängig von Christus, bindet euch ganz an ihn und es wird auch euch möglich sein, diese Freiheit zu erlangen. Ihr bekommt die Kraft, die Möglichkeiten die Gott euch bietet auch anzunehmen und auszuschöpfen. In der Bindung an Christus werden wir frei und neues kann in unserem Leben entstehen und wachsen.

Vielleicht denkt der eine oder die andere unter uns, das kennen wir ja schon, das sind doch alte Karamellen. Mag schon sein, daß wir dies alles kennen und vielleicht schon oft gehört haben, aber erlauben sie mir an dieser Stelle dir Frage: haben sie es in ihrem Leben schon einmal ausprobiert? Nehmen sie Gott beim Wort und binden sich mit dem, was sie beschäftigt und ihnen widerfährt an seinen Sohn?

Paulus ermutigt uns, es in dem vor uns liegenden neuen Jahr aufs neue zu wagen, uns an Jesus zu binden und uns von ihm die Fähigkeit schenken zu lassen und es zu lernen, uns in unseren Lebensumständen von Jesus prägen zu lassen. Und das zweite was mir wichtig wurde steht ganz am Ende dieses Abschnittes.

2. Vers 19: „Mein Gott aber wird alles, wessen was ihr bedürft, erfüllen nach seinem Reichtum in Herrlichkeit in Christus Jesus.“

Paulus hatte es gelernt, sich in seinen Lebensumständen zurechtzufinden, sie anzunehmen und letztlich auch zu bewältigen, weil es nicht diese Lebensumstände waren, die seine Lebenseinstellung ausmachten, sondern seine Bindung an Christus.

In diesem Vers spricht Paulus ein Thema an, das besonders in den Situationen akut wird, wenn wir Mangel leiden. Wir erleben uns dann in besonderer Weise als Geschöpfe, die Bedürfnisse haben. Aber es sind nicht nur materielle Bedürfnisse nach Nahrung, Kleidung und ähnlichem, die uns prägen können. Gerade die Bedürfnisse, die wir nicht kaufen können, lassen uns unsere Bedürftigkeit erkennen. Und wer unter uns kennt es nicht, das Bedürfnis nach Liebe, Geborgenheit, Anerkennung und Sicherheit, um nur einige zu nennen. Bedürfnisse, wir haben sie und dürfen sie uns auch eingestehen. Auch Paulus hatte Bedürfnisse und er wußte, daß auch die Leute in Philippi Bedürfnisse hatten. Und auch wir haben Bedürfnisse und ich halte es für sehr wichtig, daß wir uns diese Bedürfnisse eingestehen und sie nicht verdrängen. Und es ist auch legitim, daß wir versuchen, einige dieser Bedürfnisse zu befriedigen. Bei machen können wir dies sehr gut selber tun, bei anderen sind wir auf Hilfe von außen angewiesen.

Die Frage dabei ist nur, wie stark lassen wir uns von unseren Bedürfnissen prägen und in unserer Lebensgestaltung bestimmen. Welchen Stellenwert messen wir ihnen bei und wie bewerten wir diese Bedürfnisse. Und wann glauben wir, sind unsere Bedürfnisse gestillt, wer legt den Maßstab dafür fest. Die Stillung unserer Bedürfnisse und die Frage, wie sinnvoll wir unser Leben betrachten sind eng miteinander verbunden. Und meist sind es wir selbst, die Maßstäbe festlegen. Dabei müssen wir aufpassen, daß wir uns nicht überfordern und letztlich vielleicht sogar aufs falsche Gleis stellen. Raimund Timm von Chrischona hat es vor kurzem so formuliert: „Wir dürfen Glücklich sein nicht mit Wohlergehen verwechseln. Ich kann glücklich sein, auch wenn die äußeren Umstände ganz und gar nicht rosig sind.“ Erinnern sie sich an die Geschichte von Tolstoi, die ich ihnen zu Beginn des Gottesdienstes erzählt habe. Obwohl der Bauer nichts hatte, so arm war, daß er sich nicht einmal ein Hemd leisten konnte, war er doch glücklich.

Wir werden auch in diesem neuen Jahr immer wieder in Situationen kommen, in denen wir Bedürfnisse verspüren. Da wird es auch immer wieder Lebensumstände geben, in denen wir Mangel leiden. Wir hier sind vielleicht weniger von materiellem Mangel betroffen. Aber unser Horizont muß weiter und tiefer gesteckt werden als nur auf die äußeren Umstände. Paulus geht es auch um den psychischen und geistlichen Mangel, den wir erleiden. Und was er in diesem 19 Vers schreibt, ist nicht nur eine billige Vertröstung. Paulus war sich sicher, Gott wird den Mangel den die Philipper zu erleiden hatten, den wir erleiden, ausfüllen, wird ihnen und uns das geben, was wir bedürfen. So hat dieser Satz den Charakter einer Zusage, mehr noch, sie ist eine Verheißung.

Es ist schon einige Jahre her, da wurde ich zum ersten mal mit diesem Vers aus dem Philipperbrief konfrontiert. Ein Freund stand er vor der Entscheidung, die berufliche Kariere aufzugeben und eine Ausbildung für den vollzeitlichen Dienst zu beginnen. In dieser Entscheidungssituation las er diesen Vers. Er las ihn als persönliche Zusage für sich, gab die berufliche Kariere auf und ging in den vollzeitlichen Dienst. Er vertraute darauf, daß Gott seinen Mangel, den materiellen, psychischen und geistlichen ausfüllen wird. Und er erlebte immer wieder die Fürsorge Gottes in seinem Leben. Das hat mich bis heute geprägt und verbindet mich mit diesem Vers.

Ich weiß nicht, wie es ihnen geht, wenn sie solche Berichte hören. Ich jedenfalls habe zunächst immer etwas Mühe, da steht mir immer das Bild vom „Automaten- Gott“ vor Augen. Erst wenn ich eine Leistung in irgendeiner Form erbracht habe, kommt etwas heraus, wird Gott aktiv. Aber hier geht es nicht um eine Leistung, die ich selbst erbringe, von mir aus etwas leiste, sondern es geht darum, eine Verheißung Gottes persönlich anzunehmen und zu schauen, wie Gott sie erfüllt. Sich darauf einzulassen, daß Gott meinen Mangel, mein Bedürfnis stillen wird. Allerdings, eine Bedingung fügt Paulus ein. Vielleicht ist sie ihnen beim hören auch aufgefallen. Gott wird unseren Mangel ausfüllen, nicht nach unseren Wünschen und Vorstellungen, sondern „nach seinem Reichtum“. Viele Enttäuschungen kommen daher, weil wir zu sehr darauf fixiert sind, wie Gott handeln soll. Wir hegen und pflegen unsere Erwartungen und nehmen dadurch Gottes Handeln nicht wahr. Wir sind gefordert, herausgefordert, uns in unseren Maßstäben und Wertvorstellungen überprüfen zu lassen - ich erinnere nochmals an die Geschichte von Leo Tolstoi.

Schluß

Ein neues Jahr liegt vor uns, ein Jahr das einen Tag mehr hat, als das vergangene. Wir haben also einen Tag mehr die Möglichkeit, die Chancen anzunehmen, die Gott für unser Leben bereit hält. Ich denke mir, es lohnt sich, auf Paulus zu schauen und von ihm zu lernen, die Lebensumstände und Ereignisse die uns im neuen Jahr begegnen werden, anzunehmen und darin zu leben und Neues zu schaffen weil

(1) wir in der Bindung an Jesus alles vermögen
(2) Gott unseren Mangel ausfüllen wird, nach seinem Reichtum.

Nehmen sie Gott bei seinem Wort, jeden Tag, 366 mal. Amen.

- Es gilt das gesprochene Wort! -

Diese Predigt wurde verfasst von:
Karl-Heinz Rudishauser
Belchenring 20
D-79219 Staufen
07633/500781
eMail: karl-heinz.rudishauser@t-online.de
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