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Predigt über Philipper 1, 15 - 21

am 18.3.2012
Sonntag Laetare

Ort:
Tüllingen


Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Gemeinde!

Einleitung

Juni 2005, Abschlussfeier der renommierten Stanford-Universität in Kalifornien, der Festredner betritt das Pult und beginnt seine Rede: "Ich möchte Ihnen drei Geschichten aus meinem Leben erzählen." Die erste Geschichte handelt davon, die Punkte meines Lebens zu verbinden und er berichtet, wie er als uneheliches Kind eines jungen syrischen Studenten und einer Amerikanerin geboren und später zur Adoption freigegeben wurde, weil die Eltern der Beiden einer Heirat nicht zugestimmt hätten und sie alleine nicht für den Unterhalt des Kindes aufkommen konnten. Die zweite Geschichte handelt von Liebe und Verlust. Er lässt die Zuhörer teilhaben an seinen beruflichen Erfolgen und Niederlagen.

Schließlich kommt er zur dritten Geschichte. "Diese Geschichte handelt vom Tod" beginnt er den letzten Teil seiner Rede. Nach einer kurzen Einleitung sagt er: "Vor gut einem Jahr wurde bei mir ein unheilbarer Krebs diagnostiziert. Der Tod ist unser aller Schicksal. Und das ist gut so, denn der Tod ist wahrscheinlich eine der besten Erfindungen des Lebens. Es sorgt für die Veränderung des Lebens." An die Zuhörer gewandt fuhr er fort: "Ihre Zeit ist begrenzt, vergeuden sie nicht ihre Zeit damit, dass sie das Leben eines anderen leben. Mir klarzumachen, dass ich bald tot sein werde, ist das wichtigste Werkzeug, das ich je hatte, um die größten Entscheidungen in meinem Leben zu treffen. Denn alles, alle äußerlichen Erwartungen, aller Stolz, alle Furcht vor Blamagen, all diese Dinge verschwinden im Angesicht des Todes und lassen nur das übrig, was wirklich zählt." (Förster, Anja und Dr. Kreuz, Peter; "Alles, außergewöhnlich"; S. 271 ff; FAZ, Nr. 233, 7.10.2011 S. 33)1.

Der Redner damals war Steve Jobs, Mitgründer der Computer- und Softwarefirma Apple. Am 5. Oktober letztes Jahr starb Steve Jobs im Alter von 56 Jahren. Steve Jobs hat in seiner Rede Anstoß gegeben darüber nachzudenken, was die wirklich wichtigen und entscheidenden Dinge des Leben sind. Mit den Worten von Bonhoeffer ging es Jobs darum zu unterscheiden, welches die vorletzten und was die letzten Dinge unseres Lebens sind. Das "letzte" Vorletzte in unserem Leben ist der Tod. Danach geht es nur noch um die letzten Dinge des Lebens, und über die sollten wir uns im Klaren sein

Jahre vor Steve Jobs hat ein anderer Mann ebenfalls über die letzten und vorletzten Dinge des Lebens nachgedacht und hat seine Gedanken in einem Brief niedergeschrieben:

- Text lesen: Phil 1, 15 - 21 -

Der Mann, der dies geschrieben hat, war Paulus. Kein erfolgreicher und populärer Geschäftsmann, Firmengründer und Kultfigur wie Steve Jobs. Aber dennoch einer, der etwas zu sagen hatte, damals in seiner Zeit und auch noch heute etwas zu sagen hat in durch seine Briefe.

Paulus befand sich wieder einmal im Gefängnis. Aber diesmal hatte es den Anschein, als würde die Sache nicht gut ausgehen. Seine Situation war alles andere als "vergnügungssteuerpflichtig". Er saß in einem feuchten Verließ und die Umstände ließen kaum Hoffnung auf eine baldige Freilassung zu. Vielmehr war zu erwarten, dass Paulus sein Leben lassen musste. Er hatte keine Möglichkeit mehr mit der Gemeinde in Kontakt zu treten, ihnen das Wort, die Verheißungen Gottes nahe zu bringen und Gottes Liebe zu bezeugen.

Und dennoch kann er seiner Situation etwas positives abgewinnen. Auch hier im Gefängnis nutzt er die Gelegenheit und verkündet das Evangelium von Jesus. Vermutlich kam auch damals diese tiefe Geborgenheit und Freude zum Ausdruck, die wir auch heute noch hören, spüren wenn wir seine Briefe lesen. Seine Zuhörer, Mitgefangene und Bewacher merkten, dieser Mann hat etwas, ist in seinem Leben in einer Art und Weise geborgen, dass er selbst diese Lebenssituation ertragen kann ohne daran zu zerbrechen. Weil er sich in Jesus geborgen weiß, weil er auch diese Lebensumstände aus Gottes Hand hat nehmen kann und weil er ein Perspektive über sein irdisches Leben hinaus hat. Und in seinem Zeugnis wirkt Paulus um so glaubwürdiger, weil er nicht den Eindruck erweckt, als will er aus dieser Welt flüchten (V.23).

In einer Lebensphase wo es fast nicht anders geht, als das wichtige vom unwichtigen zu trennen denkt Paulus über sein Leben nach. Die Botschaft die ich aus diesem nachdenken, diesen Versen persönlich mitnehme und weitergebe ist:

Im Leben und im Sterben gilt:

  • Sich festmachen an Jesus
  • Gottes Wirken vertrauen
  • 1. Sich festmachen an Jesus

    Paulus hat, nachdem er Jesus begegnet war (vgl. Apg 9, 1ff oder 22,6ff) sein Leben radikal geändert. Paulus hat gebrochen mit seinem alten Volksgenossen, seinem Beruf, seinem alten Leben. Und mit derselben Leidenschaft wie er zuvor als Gelehrter tätig war, die Christen verfolgt hatte verkündigt er nun das Evangelium. Im Leben des Paulus hat sich verwirklicht was er uns in seinem Briefen schreibt: In Christus haben wir ein neues Leben bekommen (vgl. Römerbrief), das Alte ist vergangen, siehe Neues ist geworden (1 Kor). Paulus hat diesen radikalen Wandel in seinem Leben erfahren und bezeugt ihn.

    Für viele, für die meisten von uns wird dieser Wandel vermutlich nicht so radikal gewesen sein. Möglicherweise hat überhaupt kein Bruch stattgefunden, das ist verständlich da wir in einem "christianisierten" Umfeld und einer immer noch weitestgehend von christlichen Werten geprägten Gesellschaft aufgewachsen sind. Und dennoch stellt sich immer wieder die Frage, wo findet sich Jesus in unserem Alltag nieder, wo tritt er in Erscheinung, wo kommt er zum Zug? Wo wird dieses Neue spür- und erfahrbar, was hat sich verändert? Oder anders gefragt: Wo bin und verhalte ich mich so und nicht anders weil ich Christ bin, weil Gottes Geist in mir wohnt?

    Für Paulus war sein Leben Christus und ein mögliches Sterben Gewinn weil sich dann Gottes Verheißung erfüllen und unser neues Leben vollenden würde. Versuchen wir uns auf diese Lebenssicht einzulassen und fangen von hinten an. Was Paulus ist, was er macht das ist Christus (vgl. Gal 2,20), sein Leben ist Christus. Paulus hat in einer mich beschämenden Radikalität und Tiefe erkannt, was Jesus für ihn, für uns getan hat. Paulus weiß sich in den Kreuzestod Jesu mit hineingenommen (vgl. Rö 6,4), weiß sich befreit von seiner Schuld, seiner Sünde und Trennung von Gott. Und in gleichem Maße weiß er sich hineingenommen in das neue Leben, das Jesus ihm und uns allen, ihnen und mir schenkt.

    Und wenn ich so darüber nachdenke und jetzt davon spreche, dann erahne ich etwas von dieser Tiefe und Größe die sich darin verbirgt und kann in ein Wort des Paulus einstimmen: "Nicht dass ich es schon ergriffen habe oder vollendet bin, ich jage ihm aber nach, ob ich es auch ergreifen möge" (Phil 3,12). Ja es stimmt, manches in unserem Leben, und vor allem manche Widrigkeiten, manches Leid scheint dem zu widersprechen. Aber ich will es mit Paulus halten und lass mir dieses Ziel vor Augen bleiben.

    Dieses Ringen des Paulus (vgl. V. 23ff) ist für mich absolut authentisch und überzeugend. Wenn wir ihn nach seiner Herzenslage fragen, dann würde er am liebsten "sterben", er möchte bei Gott sein, die Erfüllung der Verheißungen erfahren. Aber er weiß auch, dass er dann den Menschen in seinen Gemeinden genommen ist, dann kann er nicht mehr sein geliebtes Evangelium, die gute, die frohe Botschaft von Gottes Heil und Verheißungen zu den Menschen bringen. Dann können viele diese Botschaft nicht mehr hören und nicht umkehren, Jesus zu ihrem Lebensmittelpunkt machen und Frieden mit und bei Gott finden.

    2. Gottes Wirken vertrauen, Gott kommt an sein Ziel, auch mit mir

    Über Paulus Leben steht die Prophezeiung das er erfahren wird, wie viel er um Jesu willen erleiden muss (Apg 9,15f). Darum ist seine Sicht des Lebens und seine persönliche Einschätzung seiner Lebensumstände immer auch vor diesem Hintergrund zu sehen und soll uns vor dem kopieren bewahren. Und dennoch gilt auch für uns:

    Wenn ich mich an Jesus festmache, wenn er mein Daseinsmittelpunkt ist, dann geht es immer auch darum, dass ich darauf vertraue, dass er meinen Weg mit mir geht, dass er an mir und auch an dieser Welt handelt. Gott ist mit uns und dieser Welt noch nicht fertig, er hat uns noch lange nicht aufgegeben. Dabei sollte mir sehr bewusst sein, dass dieses Handeln Gottes durchaus anders aussehen kann, als ich es erwarte und mir vorstelle. Das weiß auch Paulus und so stellt er seine eigenen Belange in den Hintergrund, es geht ihm nicht um sich selbst, sondern allein um die Verbreitung des Evangeliums, gleich was es ihn kostet.

    Wenn Jesus "Herr unseres Lebens ist" seine Gebote und Anweisungen absoluter Maßstab und Handlungsrichtschnur darstellen, dann kann es durchaus sein, dass uns dadurch Nachteile erwachsen. Wenn wir unser Leben an anderen Maßstäben orientieren als denjenigen, die uns der Zeitgeist vorgibt. Dann kann es vorkommen, dass wir anecken, provozieren, auf Unverständnis stoßen, das sehen wir am Beispiel eines Paulus. Aber er hat sich davor nicht zurückschrecken lassen.

    Paulus hat vieles erlebt, Höhen und Tiefen, Erfolg und Misserfolg, Freud und Leid. Aber was immer ihm auch widerfuhr, er nahm beides, das gute und das weniger gute oder gar schlechte aus Gottes Hand. Dies ließ er sich nicht nehmen, darin ließ er sich nicht beirren. Und darin fand er immer wieder Trost und bewahrte ihn vor Selbstüberschätzung.

    So war es Paulus in seiner jetzigen Situation möglich, seine eigenen Vorstellungen und Ideen zu Gunsten der Verkündigung des Evangeliums zurückzustellen. Im Gefängnis zur Tatenlosigkeit "verdammt" muss Paulus erfahren, das andere an seiner Stelle die Verkündigung des Evangeliums übernommen haben. Jetzt haben sie ihre Chance. Dies Situation ist typisch, im Berufsalltag, in Vereinen und auch in unseren Gemeinden. Dann wenn altgediente Mitarbeiter ausscheiden oder ein Pfarrerwechsel erfolgt, dann ergeben sich plötzlich Freiräume für andere, für diejenigen, die bis dahin in der zweiten Reihe gestanden haben. Vielleicht sind in solchen Momenten die Motivationen noch nicht ganz klar. Da kann es durchaus sein, dass auch die eigene Profilierung eine nicht unerhebliche Rolle spielt, zeigen, dass man auch etwas kann. Aber, sagt Paulus, solange das Evangelium nicht verwässert oder gar verfälscht wird, geht das auch für ihn in Ordnung. Paulus erträgt es, wenn andere aus "unlauteren Motiven" heraus das Evangelium verkündigen, Hauptsache Menschen erfahren von Jesus.

    Paulus geht es bei alldem jedoch nicht um Selbstaufgabe um jeden Preis oder gar um Selbstkasteiung. Ich kann mir gut vorstellen, dass Paulus lieber an einem anderen gewesen wäre als in diesem Gefängniszelle. Er hat sich nicht selbst aufgegeben, Paulus hängt durchaus an seinem Leben. Er hängt am Leben um der ihm anvertrauten Menschen, um ihrer willen möchte er auf dieser Erde bleiben und nicht das "Bessere" wählen.

    Schluss

    Steve Jobs war ein genialer Designer und Ideengeber - manchmal sehr zum Leid der Techniker bei Apple, welche die durchaus genialen Ideen umsetzen mussten. Und diese Ideen brachten Steve Jobs und Apple den großen Erfolg. Aber irgendwann ging es Steve Jobs nicht mehr um den Erfolg, das zeigt seine Rede in Stanford. Er erkannte, dass iMac, iPhone und iPad zwar nützliche, aber nicht die letzen Dinge des Lebens sind. Diese Dinge machen vielleicht Sinn, geben aber keinen.

    Auch in unser aller, in ihrem und meinem Leben geht es nicht um Erfolg, das sagt Paulus, sondern in erster, besser gesagt in letzter Linie um Sinn und Paulus weist uns den Weg dahin. Diesen Sinn gibt Jesus und sein Sinn ragt über mein Leben hinaus und darum sollen sich Menschen zu Jesus hinwenden und ihr Leben an dem Mann aus Nazareth fest machen und seinem Tun in dieser Welt und ihrem, unserem Leben vertrauen.

    Amen.

    - Es gilt das gesprochene Wort! -

    Diese Predigt wurde verfasst von:
    Karl-Heinz Rudishauser
    Obertüllingen 107
    79539 Lörrach-Tüllingen
    07621/9153229
    eMail: karl-heinz.rudishauser(a)t-online.de

    1 Der FAZ Artikel wird auch zitiert von Ehret, Tobias, Nichts wird ausgelassen - und ich sage freudig JA dazu, Zuversicht und Stäerke, SCM Hänssler, Holzgerlingen, Februar - März 2012, 4. Reihe - Heft 2, S. 64Stärke;
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