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Predigt über Philipper 4, 4-7

am 20.12.2009
4. Advent

Ort: Tüllingen, Ottilienkirche


Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Gemeinde!

Einleitung

Wie geht es Ihnen? Können sie sich noch freuen oder hat sich bei Ihnen auch der Eindruck eingestellt: Noch 5 Tage und dann habe ich es geschafft, dann haben wir es endlich überstanden. Wenn sie so denken, dann befinden sie sich in bester oder besser gesagt in vielfacher Gesellschaft. Nahezu 25% der Bundesbürger (wobei hier nicht festgehalten ist, wie sich diese 25% zusammensetzen) würden Weihnachten am liebsten abschaffen (siehe Artikel Badische Zeitung vom 12.12.2009), weil sie damit nur noch Stress und Hektik verbinden. Wie geht es uns damit?

Vor Jahren hatte ich ein sogenanntes Aha-Erlebnis. Mir wurde klar, dass auch Advent eine Fastenzeit ist, also eine Zeit die mir geschenkt ist, um mich zu besinnen, zur Ruhe zu kommen, uns, mich neu auszurichten auf das Wesentliche in meinem Leben. Davon ist in unserem Tagen nichts mehr oder zumindest nicht mehr viel zu sehen. Statt dessen türmen sich Berge von Erledigungen vor uns auf und wir hetzen von Besinnung zu Besinnung. Wie aber kann sich wirkliche Besinnung gestalten?

- Text lesen: Phil 4, 4-7 -

"Freuet euch allewege ..." Was für eine steile Aussage! Einerseits faszinierend und auf der anderen Seite ebenso Fragen aufwerfend. Sich allezeit freuen - ist das nicht etwas abgehoben und weltfremd? Das passt doch zu religiösen Spinnern oder weltfremden Fantasten - oder wie sehen sie das? Und kann man Freude überhaupt anordnen oder gar befehlen? Und dann noch "allezeit beten" - dafür reicht die Zeit doch gar nicht, von der die meisten von uns doch ständig zu wenig haben. Die Zeit die ich habe muss ich dafür nutzen um den Ansprüchen gerecht zu werden, die tagtäglich an mich herangetragen werden. Da kann ich es mir nicht leisten, dass ich diese vergeude. Da reicht es doch wohl, wenn ich einmal in der Woche am Sonntag eine Stunde für den Gottesdienst aufbringe und vielleicht noch die eine oder andere Gemeindeveranstaltung besuche. Den Vogel schießt Paulus aber damit ab, dass wir auch noch für alles Dank sagen sollen.

Weiß Paulus, was er da sagt? Ich bin geneigt zu antworten: "Lieber Paulus, vielleicht war das zu deiner Zeit so möglich, vielleicht hast du ein Leben gelebt und leben können, in dem das möglich war, aber bitte: Schau dir doch mal unsere Welt an, schau dir mein Leben und meine Lebenswirklichkeit an. Da geht das nicht."

Aber halt, so einfach hatte es Paulus ja nicht! Als er diesen Brief schrieb saß er wieder einmal da, wo er oft schon saß: im Gefängnis. Und litt er nicht an einer Krankheit, die ihm immer wieder schwer zu schaffen machte (2Kor 12,7). Und war er nicht immer wieder in seinem Leben bedroht (vgl. z.B. Apg 27,18ff), nicht zuletzt auch wegen seines Glaubens und seines Einsatzes für das Evangelium? Dass er weltfremd war oder immer nur auf "Wolke sieben" schwebte, kann man nun wirklich nicht behaupten, vielmehr gewinne ich den Eindruck dass Paulus durchaus wusste, wie Leben geschrieben wird. So stellt sich mir die Frage, was meint, bezweckt Paulus mit diesen Aufforderungen sich zu freuen, zu danken und zu beten?

Vielleicht spricht er diese Dinge an, weil gerade sie in unserem Leben oft zu kurz kommen, von anderem, sicherlich dringenderem aber weitaus weniger wichtigerem überlagert werden und immer wieder nicht nur drohen, sondern tatsächlich auch in unserem Alltag, untergehen. Deswegen ermahnt und erinnert Paulus, nicht nur uns, sondern vermutlich auch sich selbst, den Blick immer wieder auf das zu richten, was Grund zur Freude und Dank ist. In letzter Konsequenz und unauslöschlich sind dies die Dinge, die Gott für und in unserem Leben gewirkt hat. Dass ich ein Kind Gottes bin, er mich erlöst und angenommen hat und immer wieder aufs neue annimmt.

Mir fällt ein Psalmvers ein: "Wer Dank opfert der preiset mich und da ist der Weg, dass ich ihm zeige das Heil Gottes." (Ps 50,23). Diese Aussage des Psalmbeters erinnert und ermutigt mich, immer wieder auszubrechen aus meinen Grenzen, aus den tatsächlichen, aber auch aus den selbstgemachten und gewählten. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass es bequemer ist, sich hinter seine Grenzen zurückzuziehen als den Versuch zu wagen, diese zu überwinden.

Wenn es uns, ihnen und mir gelingt eine andere Blickrichtung zu bekommen, das wirklich Wesentliche, die göttliche Wirklichkeit in den Blick zu nehmen, dann hat diese Neuausrichtung auch Auswirkungen auf und in unserem Alltag - Auswirkungen auf

  • meine Güte
  • mein Vertrauen
  • meinen Friede
  • 1. Güte

    Was heißt eigentlich Güte / Milde / Freundlichkeit? Was vermuten wir hinter diesem Begriffen bzw. was verbinden wir damit? Ein Freund hat zu diesem Thema ein Buch geschrieben: "Die Kraft der Milde". Als er mir dies sagte und mir ein Exemplar überreichte, war ich zunächst sehr skeptisch. Trotzdem habe ich das Buch gelesen - in manchem ist die Skepsis geblieben, aber in vielem ist die Skepsis gewichen.

    Mit diesem Buch wollte er zeigen, dass es nicht immer nur darum gehen kann, mit Stärke seine Interessen durchzusetzen, dass Leben durch die Unbeugsamen dominiert werden soll. Anhand verschiedener historischer und biblischer Gestalten versuchte er zu verdeutlichen, wie Güte gelebt werden kann und welche Auswirkungen sie im menschlichen miteinander haben kann.

    Für mich ist Güte das Gegenteil von "das Recht des Stärkeren durchzusetzen". Wobei ich nicht denen das Wort reden möchte, die behaupten, Christen müssten immer nachgeben oder bereitwillig und kritiklos immer die andere Backe auch hinhalten (vgl. hierzu Joh 18,23). Gütig sein heißt für mich, bevor es zur Tat kommt nochmals eine gedankliche Schleife drehen und überlegen, ob die letzte Konsequenz wirklich sein muss. Gütig sein heißt nicht, die Tatsachen nicht wahrnehmen oder alles gleich-gültig zu nehmen. In meiner "Güte" anderen Menschen gegenüber spiegelt sich letztlich die Güte die ich in meinem Leben in der Begegnung mit Gott erfahren habe. Weil ich weiß, dass Gott mich gütig ansieht darum soll es auch mir möglich sein, dem anderen, dem Nächsten gütig zu begegnen und ihm gutes wollen. In der Praxis bedeutet dies, der letzten, unabänderlichen Konsequenz noch eine Alternative gegenüber zu stellen.

    2. Vertrauen

    "Seid um nichts besorgt." Da legt Paulus die Messlatte wieder sehr hoch. Um was alles machen wir, mache ich mir nicht täglich Sorgen: die Gesundheit, die Kinder, die Rente, die Arbeit und vieles andere (Klassenarbeit, Schulabschluss, Ausbildungsplatz) mehr. "Seid um nichts besorgt" - das bedeutet nicht: die Augen vor allem verschließen und eine rosarote Brille aufzusetzen - sondern: sich immer wieder dessen bewusst werden und zu sein, dass Gott für mich sorgt, und zwar derart, dass mir alle Dinge zum Besten dienen müssen (Rö 8,28). Ich gesteh an dieser Stelle durchaus ein, dass mir dies im hier und heute, in der aktuellen Situation, nicht immer ersichtlich ist.

    Ich glaube unbesorgt sein ist etwas anderes als sorglos zu sein. Bei letzterem wird das, was Sorge bereitet oder bereiten könnte einfach ausgeblendet oder erst gar nicht wahrgenommen. Unbesorgt sein bedeutet für mich, die Sorgen zu sehen, sie an mich ´ran zu lassen und einzugestehen, ihnen aber etwas entgegen zu stellen.

    Im Neuen Testament, insbesondere in den Evangelien begegnen wir immer wieder Aussagen, die uns dazu mahnen, unser Leben nicht von unseren Sorgen bestimmen oder gar auffressen zu lassen. Was aber können wir dagegen aufbieten? Was ist ein adäquates Mittel gegen unser Sorgen? Was meinen sie?

    Paulus zeigt uns hier einen anderen Weg unseren Sorgen zu begegnen: "Seid um nichts besorgt, sondern in allem sollen durch Gebet und Flehen mit Danksagung eure Anliegen vor Gott kund werden." (V. 6). Mich fasziniert dieser Rat! Nur: Was will Paulus damit sagen?

    Bezieht doch Gott, euren himmlischen Vater in Euer Leben mit ein, und zwar in dein ganzes Leben, auch in den Dingen, die sich außerhalb von Kirchenräumen und Gemeindeveranstaltungen bewegen. Dort wo ich allein bin, und mich immer wieder im Kreis drehe.

    Wir sollen unsere Sorgen, und zwar alle, auf unseren himmlischen Vater werfen der versprochen hat, für uns zu sorgen (1Petr 5,7) oder wie es wörtlich übersetzt heißt: der besorgt um uns ist. Das heißt doch, wir sind ihm wichtig, unser ergehen ist ihm nicht gleichgültig, er nimmt Anteil daran. Das darf und ist unser Trost. Das leben uns gemeinhin kleine Kinder vor, die mit allem was ihnen auf dem Herzen liegt zu Mutter oder Vater kommen. Kommen also auch wir zu unserem himmlischen Vater.

    3. Friede

    Mein Vater war ein Grübler, ein Mensch dem Dinge einfach nicht aus dem Kopf gingen und ihm noch Tage oder Wochen in Beschlag nahmen obwohl sie ihm nicht halfen, Lösungen zu finden. Gedanken die zur Lösung eines Problems nichts beitragen, denen sollten wir keinen Raum geben. Je nach Typus gelingt das mehr oder mal weniger - aber ganz egal wie ich gestrickt bin kann und darf ich meine Gedanken unter die Obhut Gottes bringen.

    Denn es sind unsere Gedanken die uns maßgeblich beeinflussen - die positiven wie die negativen. Spannend fand ich was ich in einem Buch eines amerikanischen Psychologen (M. Seligman "Pessimisten küsst man nicht") fand. Darum ging es um die Frage, was einen "Optimisten" und was einen "Pessimisten" kennzeichnet. Nach Seligman, so heißt der Psychologe, sind es die Anzahl der positiven Gedanken im Verhältnis zu den negativen (zwei positive auf einen negativen) bzw. wie Ereignisse beurteilt werden. Ein Optimist denkt grundsätzlich positiv und bezogen auf das Einzelereignis negativ. Beim Pessimisten ist das umgekehrt.

    Ein wesentlicher Baustein dafür, dass ich (grundsätzlich) positiv denken und einschätzen kann ist, dass ich um die Liebe Gottes weiß. Dass ich mir immer ins Bewusstsein rufen kann, dass Gott für mich sorgt, er mich liebt und bedingungslos annimmt, ER mich wertschätzt und deswegen seinen Sohn auf diese Erde gesandt hat. Das ist der Maßstab für mein Denken!

    In diesen Versen weißt uns Paulus darauf hin, dass mich Gott in die Obhut seiner Maßstäbe und unter das Wirken seines Heiligen Geistes stellt. Deswegen singen wir in unserer Einhangsliturgie im Zwischengesang und bitten darin, dass der Heilige Geist zu uns komme und bei uns bleibe. Damit bekunden wir doch, dass wir uns diesem Heiligen Geist anvertrauen, und bekennen, dass diese unser Leben "regieren" soll. Dieser Gedanke durchzieht die Schriften und das Denken des Paulus wie ein roter Faden und sollte auch das unsrige entscheidend prägen.

    Schluss

    "Freuet euch im Herrn allezeit." - Weihnachten bietet uns Anlass zu solcher Freude. Freude die nicht an uns oder äußeren Umständen, Ereignissen festgemacht ist sondern an den unvergänglichen Taten Gottes. Wir können uns freuen nicht nur auf sondern vor allem an Weihnachten. Freude daran, dass Gott in diese Welt kommt und wiederkommen wird. Freude daran, dass Gott seine Verheißungen wahr machen will und wird. Freude daran, dass wir geborgen sind in Gottes Hand.

    Freude, die hineinwirkt in unser Leben, in unser Tun und uns prägt in Güte, Vertrauen und Frieden, weil wir, sie und ich in Gottes Hand geborgen sind und aus seinen Verheißungen heraus durch die Kraft des Heiligen Geistes leben.

    Amen.

    - Es gilt das gesprochene Wort! -

    Diese Predigt wurde verfasst von:
    Karl-Heinz Rudishauser
    Altenheimstraße 23
    89522 Heidenheim/Brenz
    07321/910915
    eMail: karl-heinz.rudishauser@t-online.de
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