Predigt über Philipperbrief 3,7-14
am 02.08.1998 8. Sonntag nach Trinitatis |
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Ort: Staufen und Münstertal |
Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus
und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit
euch allen. Amen.
Liebe Schwestern und Brüder
Einleitung
Heute haben sie es geschafft: die zig-Radfahrer,
die sich seit nahezu vier Wochen auf ihren Rädern gequält hatten.
Heute werden diejenigen, die noch übriggeblieben sind, das Ziel in
Paris erreichen. Wochen und Monate hatten sie sich auf die Tour de France,
das größte und bedeutenste Radrennen der Welt vorbereitet. Und
dies ungeachtet der Tatsache, wie groß die Chancen des einzelnen
waren, überhaupt Sieger zu werden oder nur das Ziel zu erreichen.
Ziele - der Tenor nicht nur bei fast allen
sportlichen Wettkämpfen, sondern auch immer wieder ein Thema in der
Bibel, angefangen bei den ersten Kapiteln. Auch in den Versen, die uns
als Grundlage für die heutige Predigt gegeben sind, taucht dieses
Thema auf. Ich lese aus dem 3. Kapitel des Briefes, den Paulus an die Gemein-de
in Philippi geschrieben hat einige Verse:
- Text lesen: Phil 3,7-14 -
Darf ich sie heute morgen fragen: Spielen
Ziele in ihrem Leben eine Rolle? Ich denke jetzt nicht an Ziele im beruflichen
Bereich, wo sie uns ja oft vorgegeben werden. Vielmehr geht es mir um die
Frage: Haben sie Ziele, für sich persönlich oder für die
Gemeinde? Aus eigener Erfahrung weiß ich, daß viele Zeitgenoßen
ihre liebe Not damit haben, weil mit Zielen auch Druck ausgeübt werden
kann und Ängste erzeugt werden. Mir kann es nun heute morgen nicht
darum gehen, diese Mißstände zu analysieren, sondern ich möchte
diese Predigt dazu nutzen, für diesen Gedanken der Ziele im positiven,
im „biblischen“ Sinne etwas unter ihnen zu werben. Und so lade ich sie
ein, mir auf dem Weg zu folgen mit dem Ziel, Ziele und der Umgang mit ihnen,
auch in ihrer Nachfolge für sich neu zu entdecken.
Wie wir mit dem Thema Ziele umgehen können,
zeigen uns die Verse, die wir aus dem Philipperbrief genommen haben sehr
anschaulich. Ich möchte dies anhand von drei Aussagen verdeutlichen,
die ich aus diesen Versen ableite:
Sich Ziele setzen heißt: mit Frustrationen
leben!
Sich Ziele setzen heißt: von Christus
ergriffen sein!
Sich Ziele setzen heißt: auf die
Etappenziele kommt es an!
Zu meiner ersten Aussage:
1. Sich Ziele setzen heißt:
mit Frustrationen leben!
Wir können uns und unsere Zeitgenoßen
in verschiedene Charakterzüge zuweisen. Ich zum Beispiel trage die
Züge eines Menschen vom Typ „Jäger und Sammler“. Das ist einer,
der sich nur schwer von Dingen trennen kann und der es von Hause aus immer
schwer mit Bibelstellen hat, bei denen es ums verlassen und weggeben geht.
Aber es gibt Situationen, da wird man vor die Wahl gestellt, sich von Dingen
oder auch Menschen zu trennen. Da geht es um die Frage, halte ich mich
an altem fest oder wage ich neues, welche Entscheidung treffe ich? Und
solche Entscheidungssituationen sind oft auch deswegen nicht einfach, weil
ich vielfach nicht weiß, was mich bei dem Neuen erwartet, was das
bessere oder richtigere ist.
Auch Paulus stand immer wieder vor der
Frage, werfe ich meine alten Ziele über Bord und lasse ich mich auf
neues ein. Für sich, und als Einladung für uns, bringt er es
auf den Punkt in dem er an die Philipper schreibt: „Was immer mir Gewinn
war, das halte ich nun für Verlust“, wörtlich für Dreck,
Unrat. Er lebt auf eine neues Ziel zu, und das will er ergreifen, darum
geht es ihm nun für die Zukunft. Paulus wägt ab, er erkennt,
beides miteinander kann er nicht haben, er muß sich für das
eine oder andere entscheiden.
Solche Entscheidungen, sich Ziele zu setzen,
bergen immer auch Frustrationen in sich und setzen voraus, daß ich
mit diesen Frustrationen lebe. Denn Ziele setzen bedeutet, anderes ausklammern.
Ich kann nicht das eine wollen und gleichzeitig noch nach etwas anderem
streben. Wenn ich das tue, laufe ich Gefahr, daß ich mich verzettle
und letztlich gar nichts dabei herauskommt. Gerade in der Gemeindesituation
und der dortigen Mitarbeit besteht oft die Gefahr, dies und jenes auch
noch zu tun. Aber über kurz oder lang gehen einem dann die Kräfte
aus. Zielorientiert zu leben und im Reich Gottes mitzuarbeiten heißt
für mich auch immer, gabenorientiert zu leben. Es sollte irgendwann
einmal der Moment kommen, ich formuliere absicht-lich etwas vorsichtiger,
wo ich mir Gedanken darüber mache, welche Gabe mir Gott geschenkt
hat. Und diese Gabe gilt es dann einzusetzen und das heißt dann auch,
Ziele zu setzen und zu formulieren.
Paulus hat den Bruch mit bisherigen gewagt,
zu diesem Schritt steht er, auch wenn er noch nicht weiß, was ihn
alles auf diesem neuen Weg erwarten wird. Aber das scheint für ihn
nicht das wesentliche zu sein, sondern etwas anderes, und das ist die zweite
Aussage, die ich in dieser Predigt treffen möchte:
2. Sich Ziele setzen heißt: Von
Christus ergriffen sein
Ziele können wir uns beliebig viele
stecken, die Frage ist aber immer auch, haben wir die richtige Basis um
diese auch zu erreichen.
Olympische Spiele 1972, Marathonlauf:
alles wartet auf den Einlauf des Amerikaners Frank Shorter als Sieger in
diesem Lauf. Aber es ist nicht Frank Shorter der als erster ins Olympiastadion
einläuft, es ist, man glaubt es kaum, ein anderer. Fieberhaft suchen
die Reporter in ihren Startlisten um den Namen des Gewinners präsentieren
zu können. Da plötzlich gehen zwei Funktionäre auf den Läufer
zu, nehmen ihn am Arm und führen ihn von der Bahn. Ein Trick: Unbekannter
hatte sich in Joggingkleidern in die Stadionrunde geschlichen. Aber der
Trick flog auf und so hat er das Ziel nicht erreicht.
Wenn wir uns im Reich Gottes Ziele setzen,
als Christen in unserer Nachfolge auf das große Ziel zuleben, dann
sollten wir uns sicher sein, daß wir auch von der richtigen Stelle
aus gestartet sind. Wer sich dazwischen schleicht, der bleibt auf der Strecke,
wird das Ziel nicht erreichen.
Paulus läßt es an dieser Stelle
offen, wie er dieses ergriffen sein versteht. Er bezeugt nur, daß
er von Christus ergriffen ist und dies der Grund für sein Handeln
ist. Ein Modeausdruck drückt es für mich, wenn auch etwas krass,
dafür umso deutlicher aus: „von etwas angefressen sein“. Paulus war
von der Sache Jesu angefressen, begeistert und: von Jesus ergriffen. Darf
ich sie heute morgen an dieser Stelle fragen: Sind sie von der Sache Jesus
angefressen und hat dies Auswirkungen in ihrem Leben? Hat dieses „große
Ziel“ Auswirkungen in ihren Plänen und Zielen, so sie welche haben?
Mit Zielen leben bedeutet mit Frustrationen
leben und mit Zielen leben bedeutet auch von Christus ergriffen sein. Und
eine letzte Aussage möchte ich abschließend noch anfügen:
3. Sich Ziele setzen heißt: sich
kleine Etappenziele stecken
- Gedicht Eugen Roth: Lebenszweck -
Eugen Roth hat mit diesem Gedicht, wie
so oft, treffend beobachtet und diese Beobachtung auf den Punkt gebracht.
Dieses Lebensziel, das uns in die Wiege gelegt wurde, können wir leicht
aus den Augen verlieren. Damit dies nicht geschieht, wir es im Auge behalten
und so auch erreichen können, bedarf es kleiner Etappenziele.
Von Berufs wegen bin ich mit dem Gedanken,
zielorientiert zu handeln, engstens vertraut. Das wirtschaften und handeln
im Wald ist eng mit Zielen verbunden, die unterschiedlich bezeichnet werden.
Letztlich läuft es auf das eine Ziel hinaus, einen „schönen,
ertragreichen Wald zu erziehen“. Was auf dem Weg, dieses Endzieles zu erreichen
notwendig ist, möchte ich an einer kleinen Geschichte veranschaulichen:
Während meines Studiums hat mich
ein Förster einmal mit in den Wald genommen (wohin auch sonst) und
hat mich zu einer schönen Stelle im Wald geführt. Dort war eine
Waldformation zu sehen, wie man (der Förster) sich das wünscht.
Und dann hat er zu mir gesagt: Bei allem was wir im Wald tun, müssen
wir uns von solchen Bildern, Visionen und Zielen leiten lassen. Das sollten
wir bei allem was wir tun, immer im Hinterkopf haben. Das „große
Ziel“ soll alle kleinen Ziele prägen und bestimmen.
Ich denke dieses Prinzip kann uns sowohl
persönlich als auch in der Verantwortung für andere, in der Nachfolge
und der Mitarbeit im Reich Gottes helfen. Auch hier gilt es immer wieder
kleine „Etappen“-Ziele zu stecken und zu verfolgen die dazu beitragen,
das große Ziel nicht aus den Augen zu verlieren und es schließlich
auch zu erreichen.
Welche Etappen-Ziele haben wir für
uns persönlich - vor allem in geistlicher Hinsicht und auch in unserer
Mitarbeit? Lasse ich alles dahinplätschern oder habe ich noch Visionen?
So eine Einstellung ist sicherlich anstrengender und fordert von uns mehr
und verlangt hin und wieder die eine oder andere Enttäuschung ab.
Aber sie hilft uns auch, Ausdauer zu üben, die kleinen „Erfolge“ zu
sehen und dadurch immer wieder motiviert zu werden dem eigentlichen Ziel
nachzujagen.
Paulus hat so gelebt und die heutigen
Verse zur Predigt stellen für mich eine Einladung, Aufforderung und
Aufmunterung dar, es ihm gleich zu tun.
Schluß
Ich schließe:
„Laß mir das Ziel vor Augen bleiben,
zu dem du mich berufen hast“, so heißt es in einem Lied. Christus
hat uns ergriffen. Er ist das Ziel unseres Lebens und von ihm her leben
wir auch. Ich möchte sie einladen, von diesem großen Ziel her
kleine Etappenziele zu setzen. Für sich persönlich in ihrer Nachfolge,
für die Gruppe oder den Kreis den sie in der Gemeinde besuchen, aber
auch für die Gemeinde als ganzes. Gerade in so einer Umbruchsituation
in der sie sich befinden (siehe Anmerkung am Ende), kann dies besonders angebracht sein. Und ich
lade sie auch ein, sich auf die Frustrationen einzulassen, den es lohnt
sich, weil wir ein großes Ziel vor Augen haben.
Amen.
- Es gilt das gesprochene Wort! -
Gedicht Eugen Roth:
Ein Mensch,
der schon als kleiner Christ
Weiß, wozu er
geschaffen ist:
"Um Gott zu dienen
hier auf Erden
Und ewig selig einst
zu werden!"-
Vergißt nach
manchem lieben Jahr
Dies Ziel, das doch
so einfach war,
Das heißt, das
einfach nur geschienen:
Denn es ist schwierig,
Gott zu dienen.
E. Roth; Sämtliche Menschen; Carl Hanser Verlag; 5. Auflage 1986
Anmerkung: Die Gemeinde
Neuenburg/Zienken bekam im Sommer 1998 einen neuen Pfarrer
Diese Predigt wurde verfasst von:
Karl-Heinz Rudishauser
Belchenring 20
D-79219 Staufen
07633/500781
eMail: karl-heinz.rudishauser@t-online.de
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