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Predigt über Römer 11,32-36

am 06.06.2004
Trinitatis

Ort: Hermaringen


Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Gemeinde!

Einleitung

Das Kirchenjahr ist voll mit Festen und Feiern zu denen wir mehr oder weniger einen Zugang haben, mit denen wir mehr oder weniger etwas anfangen können und die uns unterschiedlich viel bedeuten. Die Bedeutung und den Stellenwert können wir meist daran festmachen, wie viel Feiertage einem kirchlichen Fest zugestanden werden. Da gibt es die absoluten Highlights wie Weihnachten und Ostern und andere, die es schwerer haben. So stand Pfingsten schon einmal auf der Kippe, zumindest was den Feiertag anbelangt. Aber es gibt noch weitere Exoten, Trinitatis zum Beispiel. Was ist das eigentlich "Trinitatis" - Dreifaltigkeit- Dreieinigkeit?

Die Predigttexte, die den Sonntagen und Gottesdiensten des Kirchenjahres zugeordnet sind, sollen dazu dienen, uns das Thema des jeweiligen Sonntages näher zu bringen. Das gelingt an Weihnachten und Ostern meist ganz gut. Aber bereits an Pfingsten wird es schwierig und an Trinitatis wird es ganz und gar exotisch. Oder wissen sie was es damit auf sich hat, wenn von "drei Personen in einem Wesen" oder waren es doch "drei Wesen in einer Person" geredet wird? Wenn darüber diskutiert und fast 200 Jahre auf Konzilien gestritten wurde ob nun "wesensgleich" oder nur "wesensähnlich", "wahrer Gott und wahrer Mensch" (S. 1487 oder 1495 im EG-Wü).

Ich denke wir tun uns schwer, wenn wir uns mit diesen Begrifflichkeiten konfrontiert sehen und fragen uns zu Recht, was das ganze denn mit unserem, mit ihrem und meinem ganz alltäglichen Leben zu tun hat. Da ist doch neben den alltäglichen Sorgen und Lebensbewältigung kein Platz für solch hochgeistig theologischen Spielereien. Da bin ich doch froh, wenn ich mein ganz normales Christ sein auf die Reihe bekomme. Was soll ich mit diesen theologischen und hochgeistigen Fragen, wozu sollen sie gut sein und wer stellt sie sich überhaupt? Aber verbergen sich dahinter letzten Endes nicht ganz alltägliche, nicht auch unsere Fragestellungen? Stellt unser Alltag nicht genau dieselben Fragen nach und an Gott? Dann, wenn wir alltägliches Erleben, sei es aus dem eigenen, näheren Umfeld oder aus den Nachrichten, nicht mehr zusammenbringen mit unseren Vorstellungen von Gott. Taucht dann nicht auch die Frage auf, wo ist denn dieser Gott und vor allem wer ist ER? Da wird dieser Gott kaum fassbar, wird unbegreiflich in seiner Allmacht, Güte und Liebe. "Kann Gott einen Stein schaffen, der so schwer ist, dass ER ihn nicht aufheben kann?" Hat Gott sich mit dieser Welt und uns Menschen etwas aufgebürdet, das er nun nicht mehr stemmen kann?

Das sind die Gedankenspielchen die sich einstellen, wenn man sich mit der Allmacht Gottes auseinandersetzt. Sie sind wohl schlau erdacht, bringen uns aber bei der Frage nach dem Wesen Gottes nicht weiter. Aber vielleicht hilft uns der Predigttext, der uns für heute mit auf den Weg gegeben wird: - Text lesen: Rö 11, 32 - 36

Diese Verse haben mich herausgefordert, dreierlei nachzugehen:

  • 1. Der Frage nach Gott
  • 2. Das Problem dabei
  • 3. Die Erwartung
  • 1. Der Frage nach Gott

    Auf den ersten Blick scheinen uns diese Verse bei unseren Fragen nach Gott auch nicht weiter zu bringen. Aber aus deren Umfeld lässt sich die Vermutung ableiten, dass sich auch die Christen in Rom diese oder ähnliche Fragen nach dem Wesen Gottes stellten. Denn Paulus versucht, das machen die vorangehenden Versen deutlich, Erklärungen für das Verhalten Gottes zu liefern. Zu Beginn seiner Überlegungen steht bei Paulus die uns wohl bekannte Frage "Warum Gott?": Warum lässt Gott das zu? Warum hat Gott nicht eingegriffen? Warum hat Gott sein Volk verstoßen und warum erbarmt er sich nicht? Paulus versucht den Ratschluss Gottes gegenüber dem Volk Israel zu erklären und darzulegen. Aber es gelingt ihm nicht. Er muss eingestehen, dass sich Gott nicht in die Karten schauen lässt, er und wir nicht erklären können, warum dieses oder jenes so oder so läuft, zum Guten oder zum Schlechten. Und so enden seine Erklärungen in dem Ausruf "O Tiefe des Reichtums, sowohl der Weisheit als auch der Erkenntnis Gottes! Wie unerforschlich sind seine Gerichte und unaufspürbar seine Wege! Denn wer hat des Herrn Sinn erkannt, oder wer ist sein Mitberater gewesen? Oder wer hat ihm vorher gegeben, und es wird ihm vergolten werden?"

    Paulus kommt an den Punkt an dem er erkennen und eingestehen muss, Gott ist der absolute Souverän, Gott ist Gott. Das ist eine Tatsache auf die ich mich einlassen muss, wenn ich mich auf diesen Gott einlasse. Aber das ist es auch, was uns sehr schwer fällt, Gott eben Gott sein zu lassen. Wir wollen mitreden und vor allem auch mitbestimmen. Gewiss genießen wir ein Privileg, dass wir durch den Glauben an Jesus Christus Gottes Kinder sind. An dieser Stelle wage ich eine Übertragung: Als Vater sehe ich mich in keinster Weise dazu veranlasst, unserer dreieinhalbjährigen Tochter jede meiner Entscheidungen zu erklären oder plausibel zu machen. Da gibt es zwar durchaus Sachverhalte, die werden diskutiert und erklärt, aber da gibt es ebenso manches, das ich in meiner Rolle als Vater entscheide. Dies tue ich, weil ich hoffe, dass meine Entscheidungen richtig und zum Wohl des Kindes sind und sie einfach überfordert wäre, ließe ich sie mitentscheiden. Und das ist es eben, im übertragenen Sinn, Gott "Gott" sein zu lassen und zu vertrauen, dass uns alle Dinge, die ER tut, zum Besten dienen (Rö 8,28). Das ist letztlich immer wieder eine Herausforderung, manchmal mehr und manchmal weniger.

    2. Das Problem dabei

    Dass uns Gottes Verhalten und Wirken zum Problem wird hat für mich darin seine Ursache, weil wir uns wünschen, dass es uns gut geht, dass unser Leben gelingt, dass wir von Leid verschont bleiben. Dieser Wunsch ist durchaus verständlich, nachvollziehbar und zunächst einmal auch nicht verwerflich. Und besonders wir Christen, in unserer Vorstellung vom liebenden Gott hegen solche Wünsche. Die Frage allerdings ist, ob wir solche Ansprüche hegen dürfen und woraus wir diese ableiten? Warum denken sie, dass Gott dafür sorgen soll, dass alles in ihrem Leben glatt verläuft? Woher nehmen wir, begründen wir diesen Anspruch?

    Halten wir zunächst einmal fest, worauf es wirklich ankommt: dass ein Mensch zum Glauben an Jesus Christus kommt (Joh 3,16; 1Tim 2,4), dass er in diesem Glauben lebt (Jak 2,14ff; 1Joh 3,23) und dass dieser Glaube bewahrt wird und wir ewiges Leben erhalten (1Petr 1,9; Mt 10,22). Ein Leben das in diesem Sinne gelingt, ist ein von Gott gesegnetes Leben. Viele Christen denken jedoch, dass ein Leben dann gesegnet ist, wenn es "erfolgreich" ist und in geraden Bahnen verläuft. Gewiss gibt es Stellen, in denen wir hören, dass es denen verheißen ist, die sich zu Gott halten (1Mos 22,15ff; 2Mos 23,25). Aber es gibt auch andere Beispiele, bei denen es nicht so ist und die trotzdem von Gott gesegnet waren und sind (Hiob, Paulus, die Märtyrer früherer und gegenwärtiger Tage, die Seligpreisungen).

    Vielleicht wünschen wir uns die geraden Wege, aber es sind nicht immer die geraden Wege die zum Ziel führen. Oft sind sie verschlungen und für uns nicht durchschaubar und es gibt sogar Tage und Stunden, in denen wir das Ziel aus den Augen verlieren. Aber Gott geht uns nach und ist mit uns auf unseren verschlungenen Wegen und Pfaden, auf denen wir meist nicht weiter wie bis zur nächsten Kurve sehen, nicht wissend was uns dahinter erwartet. So lange dies so ist, sollen wir nicht aufhören darauf zu vertrauen dass wir auf diesem Weg in Gottes Hand sind, absolut sicher weil er uns an sein Ziel bringen wird.

    Wir sind nicht in der Lage Gottes Willen und Wesen zu erkennen. Jeder Versuch, Gott in den Griff zu bekommen, in zu begreifen, muss scheitern. Das gilt auch für alle frommen Versuche. So können wir IHN auch im Gebet nicht zwingen all unsere Wünsche zu erfüllen, ER ist nicht der "Automaten-Gott" bei dem man oben eine Münze in Form eines Gebetes einwirft und unten kommt das Gewünschte raus. Aber es gibt sie doch, werden jetzt einige zu Recht sagen, es gibt sie doch die Stellen in der Bibel wo wir aufgefordert werden zu Gott zu bitten. Und es gibt sie doch, diese Stellen, wo dem der bittet auch versprochen wird, dass Gott ihm geben wird. Warum also stirbt die Mutter von vier Kindern wo doch sie, ihre Familie und die ganze Gemeinde darum gebeten hat, dass sie vom Krebs geheilt wird, sie wieder gesund wird. Wo sie geglaubt hatten, dass Gott es gut mit ihr und ihnen meint - und dann ist sie doch gestorben. Da bleibt nur lähmendes Entsetzen und bohrende Fragen. Ich habe diese Fragen immer wieder, dann wenn ich mit Leid konfrontiert werde, ich die Wege Gottes die er einen Menschen gehen lässt, nicht verstehen kann.

    3. Die Erwartung

    Aber mit diesem allem dürfen, können wir zu unserem Gott kommen, er hört es sich an, er verschließt seine Ohren nicht vor unseren Klagen. Er macht sich nicht aus dem Staub. Ich weiß nicht, ob Gott in jedem Fall auch eine Antwort nach unseren Wünschen gibt, was ich weiß, und das spiegeln auch alle Aussagen zum Gebet wieder, ER wird sich zu erkennen geben, ER wird sich uns, ihnen und mir in meiner Not zuwenden und dafür sorgen, dass ich nicht daran zerbreche, dass heißt, mein Vertrauen zu IHM aufgebe! Dass wäre das absolut schlimmste was passieren würde! Ich gehöre jedoch nicht zu denen, die einer unabänderliche Vorherbestimmung und einen willenlosen Fatalismus das Wort reden. Denn das deckt sich für mich nicht mit den Aufforderungen, mit allem zu unserem Gott zu kommen und deckt sich auch nicht mit den Berichten, in denen Gott unserem Bitten nachgibt (z.B. Mk 1,40f).

    An dieser Stelle ein kleiner Ausflug in die Psychologie: Erfahrung und Erwartung sind ein Filter unserer Wahrnehmung. Das hängt damit zusammen, dass wir bewusst und unbewusst wahrnehmen. Und für das, was letztlich bei uns ankommt, sind Erwartung (auch Interesse) und Erfahrung ein Filter (Beispiel mit dem Auto). In meiner Gottesbeziehung bedeutet dies, wenn ich eine bestimmte Antwort Gottes erwarte, blockiere ich meine Wahrnehmung bzw. kanalisiere diese auf ein bestimmtes Moment und alles andere bleibt außen vor. Ein fast mustergültiges Beispiel diesbezüglich ist für mich das Volk Israel mit seiner Erwartung auf den Messias. Weil sie sich das Kommen des Messias in bestimmter Weise vorgestellt und gewisse Erwartungen damit verbunden hatten, war es ihnen nicht möglich, Jesus als den Messias zu erkennen.1

    Zum Thema Gebet hat O. Chambers einige Andachten geschrieben ("Mein Äußerstes für sein Höchstes"; S. 161, 163, 237). Chambers sagt unter anderem, wenn wir Erwartungen an Gott im Blick auf die Erhörung unserer Gebete hegen, sollten wir uns zunächst nach unseren Motiven und unserer Beziehung zu Gott und den Mitmenschen hinterfragen. Und schon das "Vater unser" lehrt, dass wir von Gott in dem Maße Vergebung erbitten können, wie wir selbst zur Vergebung bereit sind (Mt 6,12)! Wir sollten Gott schon klar sagen was wir wollen und wünschen, uns dabei aber eine Offenheit bewahren, die offen ist für sein Reden und uns nicht von vornherein bereits auf ein Antwort festlegen. Als Elia, nachdem er alle Priester des Baal auf dem Karmel getötet hatte, vor Isebel auf der Flucht war, begegnet ihm Gott. Aber Gott war weder im Sturm, noch im Feuer noch im Erdebeben sondern im Ton eines leisen Wehens (1Kö 19,11). Es geht mir nicht darum nach Erklärungen für Gottes Handeln zu suchen sondern uns dafür sensibel zu machen, unsere Vorstellungen zu hinterfragen wie Gott den sein müsste und wie er sich verhalten sollte und diese gegebenenfalls zurecht zu rücken. Das heißt für mich insbesondere offen zu sein für Gottes Reden (Bsp. Apg 16,9f), meine Erwartungen ausweiten, groß von Gott denken, mit Seinen Möglichkeiten rechnen und dadurch dann auch meine Erfahrungen ausweiten.

    Wenn wir, sie und ich, mit Entscheidungen und Wegführungen Gottes konfrontiert werden die wir nicht durchschauen, die mehr den Zweifel an Gott als den Glauben mehren, dann geht es ums Eingemachte. Dann geht es darum, trotz allem Augenschein an Gott festzuhalten, darauf zu vertrauen, dass er es gut mit mir und anderen meint, dass er der rechte Vater im Himmel ist, wie Paulus es an anderer Stelle einmal formuliert hat (Eph 3,15). Allerdings dürfen wir, und das ist uns ausdrücklich zugestanden (z.B. Mt 11,28) dass wir mit unseren Fragen und Zweifeln und Vorwürfen zu IHM zu kommen. Das Schlimmste ist, wenn wir nicht mehr kommen, innerlich gekündigt haben, Gott nicht mehr zutrauen, dass ER unser, ihr und mein Leben in seiner Hand hält.

    Dieses Vertrauen, diese Hingabe in den Willen Gottes ist ein Wachstums- und Erkenntnisprozess, der nicht von heute auf morgen gelingt. Es ist auch ein Prozess, der manche Rückschläge verkraften muss. Und wenn ich hier von Erkenntnis rede, dann meine ich nicht die rationale Erkenntnis über unseren Verstand, so dass uns der Blick hinter die Kulissen gegönnt wäre, wir wissen, was die Welt im Innersten zusammenhält. Dieses Erkennen geht tiefer, erfasst mich mit meinem Mensch sein und lässt mich darauf vertrauen und gewiss sein, dass ich ganz fest in Gottes Hand geborgen bin.

    Schluss

    Wir können Gott und sein Handeln nicht erklären, wir können uns höchstens zu Definitionen durchringen wie auf den Konzilien und diese bejahen. Aber wir können IHN erkennen, erleben dass ER gegenwärtig ist, ER sie und mich trägt und liebt. Gottes Wege bleiben für uns unerforschlich (Jes 55,8f) und warum Gottes Heilsplan so und nicht anders aussieht, bleibt sein Geheimnis. Darüber stürzt Paulus nicht in Verzweiflung oder düstere Anklage. Er erkennt, es kommt nicht darauf an, dass ich alles erklären und rechtfertigen kann sondern darin, dass ich Gott Lobe, so zum Ausdruck bringe, dass er Gott ist und ich ihm zutraue, dass ER alles Recht und Gut macht.

    Amen.

    - Es gilt das gesprochene Wort! -

    Diese Predigt wurde verfasst von:
    Karl-Heinz Rudishauser
    Altenheimstraße 23
    89522 Heidenheim/Brenz
    07321/910915
    eMail: karl-heinz.rudishauser@t-online.de
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