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Predigten

Predigt über Römerbrief 12,17-21

am 30.06.1996
4. Sonntag nach Trinitatis

Ort: Britzingen/Muggardt


Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemein- schaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.

Liebe Schwestern und Brüder

Einleitung

Schauen sie auch manchmal gerne Spielfilme an? Wenn ja, dann ist es ihnen vielleicht auch schon mal aufgefallen, vor allem in älteren Spielfilmen. Darin stehen sich meist zwei Rivalen gegenüber, von denen der eine das Gute und der andere das Böse verkörpert. Und meist, je nach psychologischen Fähigkeiten des Regisseurs stehen wir als Zuschauer ja auch auf der Seite des „Guten“.

In diesen Filmen kommt für mich ein Wunsch von uns Menschen zum Vorschein, daß in dieser Welt doch das „Gute“ die Oberhand bekommen soll. Ich weiß nicht, wie es ihnen geht, aber wünschen tue ich mir das schon, daß doch das „Gute“ in dieser Welt siegt und vor allem, daß die Menschen in Frieden miteinander leben. Vor über 30 Jahren hatte Martin Luther King diesen Traum, vom friedlichen miteinander aller Menschen. Als ich den heutigen Predigttext las, da wurde ich daran erinnert. Und so lese ich ihnen aus dem 12. Kapitel des Römerbriefes die Verse 17 bis 21.

- Text lesen - Rö 12,17-21 -

1. Eine Vision für diese Welt

„Vergeltet nicht Böses mit Bösem“ - so beginnt dieser Abschnitt und ich mußte unwillkürlich an einige Aussagen aus der Bergpredigt denken. Daran zum Beispiel, daß wir nicht nur uns selbst oder unseren Nächsten lieben sollen, sondern auch unsere Feinde. Da ist nichts mehr zu hören von den guten alten Zeiten als es noch so praktisch und einfach galt: „Auge um Auge und Zahn um Zahn!“ Dies wären doch noch Forderungen, mit denen könnten wir in unseren Tagen und in unserer Welt noch etwas damit anfangen.

Aber wie gesagt, diese Zeiten sind vorbei. Seit Jesus auf diese Welt gekommen ist und unter uns Menschen gelebt und gewirkt hat, ist es damit vorbei. Seither gelten andere Maßstäbe an denen wir uns messen müssen. Die Kriterien haben sich deutlich verschoben. Denn mit Jesus ist das Reich Gottes angebrochen, auch unter uns hier in Muggardt/Britzingen. Und in diesem Gottesreich gilt nun nicht mehr Vergeltung sondern Vergebung. Es ist uns nicht erlaubt, uns in Selbstjustiz Gerechtigkeit zu verschaffen, indem wir unserem Zorn und Mißmut Raum geben. Und dieses Verbot der Selbstjustiz gilt auch für kleinere Konflikte, die wir nur mit Worten austragen (1.Pet 3,9).

Jesus hatte eine neue Meßlatte aufgelegt, und daran müssen wir uns messen. Und diese Maßstäbe wurden von den Aposteln aufgegriffen und an die Gemeinden weitergegeben. Sie galten nicht nur einzelnen Gemeinden, sondern waren allgemeine Verhaltensregeln. Vielleicht haben sie es am Fernsehen verfolgt, als im Mai dieses Jahres in Dresden das Christival stattfand. Ein Lied, das dort immer wieder gesungen wurde hieß es: „Folgen, ein Leben mit Jesus hat Folgen“. Eine sehr doppeldeutige aber auch treffende Formulierung. Wenn wir uns als Christen bezeichnen, so sind wir Bürger dieses neuen Königreiches, das mit Jesus begonnen hat. Und das kann nicht ohne Auswirkungen bleiben. Und nur dann, wenn der Teufelskreis von „wie du mir so ich dir“ durchbrochen wird, nur dann kann Frieden gedeihen.

Aber vielleicht geht es ihnen so ähnlich wie mir. Beim ersten hinsehen auf diese Verse hat mich ein leichtes Unbehagen ergriffen. Denn eigentlich ist mir klar, daß ich mit dem, was Paulus hier fordert heillos überfordert bin. Könnte da vielleicht die Aussage in Vers 20 ein Lichtblick oder eine Motivation darstellen? Steckt da nicht die Genugtuung für alle Entsagung und Entbehrung drin die mir in meinem Christenleben widerfahren muß? Aber stop! Paulus will uns mit dieser Aussage nicht motivieren, sondern das Ergebnis eines Lebens in der Nachfolge Jesu aufzeigen. Unsere Motivation sollen wir von Jesus beziehen. Wir sollen ihm nachfolgen, in dem was er uns gelehrt und wie er selbst auch gelebt hat. Und die Frage dabei ist nicht diejenige, ob wir das können, sondern ob wir das wollen! Wenn wir nicht bereit sind, die Konsequenzen zu tragen, werden wir scheitern. Es ist unser Auftrag und es sollte zu unserer Vision werden, den Frieden, den uns Jesus gebracht hat auch zu leben. Denn wenn wir uns Christen nennen kommen wir nicht umhin, uns an Christus und seinen Maßstäben zu orientieren!

2. Eine Illusion für uns

Aber in diesen Versen wird uns nicht nur ein Maßstab aufgezeigt, an dem wir uns messen können. Es geht auch darum, wie wir gemessen werden! Denn auch an unserem Leben wird einmal Maß genommen, und das unabhängig davon, ob wir Christen sind oder nicht. Bei Paulus drückt sich das in der Formulie- rung aus „Soviel an euch ist.“ Hier wird uns der Ball zugespielt und wir sind am Zug. Jetzt sind wir herausgefordert, jeder von uns in den Lebensbereichen in denen er steht, Tag für Tag.

Denn Nachfolge ist nicht nur etwas, was in ein paar schönen Sätzen in der Bibel geschrieben steht und was wir getrost nach Hause tragen können. Nein, es geht darum, diese Dinge in unser Leben mit einzubeziehen und in unserem Alltag umzusetzen. Petrus hat es einmal in einem Bild so formuliert, daß wir in den Fußspuren Jesu gehen sollen (1.Pet 2,21).

Jesus nachfolgen heißt, das zu leben und zu werden, was wir durch Jesus schon sind: Kinder Gottes! Paulus schreibt diese Zeilen einer Gemeinde, die von außen stark bedrängt wurde. Die Christen in Rom, sie mußten sich einiges gefallen lassen damals. Und da lag es für sie manchmal näher, mit gleicher Münze zurückzuzahlen.

Aber Paulus schrieb solche Verhaltensregeln auch anderen Gemeinden. Sie waren quasi in vielen Gemeinden zum Standard geworden und gelten auch noch heute. Und im nachdenken über diese Forderungen, ist mir aufgefallen, daß im Neuen Testament damit nie die Frage verbunden wird, ob wir das können, ob wir dazu in der Lage sind. Vielmehr steht eine andere Frage damit in Verbindung: ob wir bereit sind, die Konsequenzen zu tragen. Jesus selbst hat immer wieder darauf aufmerksam gemacht, und ER mutet sie uns zu, diese Konsequenzen. Das ist eine große Herausforderung um die wir aber nicht herumkommen. Das ist unser Betätigungsfeld in und für diese Welt.

3. Den Konflikt lösen

Wenn ich Paulus nicht so gut kennen würde, dann würde ich wahrscheinlich an diesen Gegensätzen resignieren. Aber der Paulus, der dies radikale Forderung an mich stellt, der schreibt einige Kapitel zuvor im selben Brief, daß auch er in dieser Spannung steht (Rö 7,19). Daß auch er beides kennt, den Anspruch, Gutes zu tun und sein Versagen. Und ich habe mich gefragt, was diesen Mann dazu bringt, trotzdem solch steile Sätze zu schreiben. Und ich habe gemerkt, daß Paulus ein ganz bestimmtes Lebensmotto hat, das ihn entscheidend prägt. Und ich habe mich gefragt, welches Lebensmotto habe ich, wovon lasse ich mich prägen, was ist das Leitmotiv in meinem Leben.

Welchen Einfluß die Leit- und Lebensmotive haben, davon kann uns die Psychologie Zeugnis davon geben. Und auch als Christen werden wir von solchen Formulierungen geprägt, ob wir das wollen oder nicht. Darum sollen wir aktiv werden und immer wieder unser Lebensmotto definieren und uns ins Bewußtsein rücken.

Was Paulus hier von den Christen in Rom und auch von uns fordert, steht in krassem Gegensatz zu dem, was in unserer Welt und unserer Gesellschaft als Maßstab gilt. Das sind doch Dinge, die nicht in unsere Ellenbogengesellschaft gehören. Aber dieser Gegensatz ist nun einfach da und ich frage mich manchmal, warum uns diese Diskrepanz zwischen dem, was wir in der Bibel finden und dem was in dieser Welt gilt, solche Mühe macht. Steckt in uns die Vorstellung, daß sich auf dieser Welt nochmals alles zum Guten fügen wird, so wie in den Spielfilmen, wo der „Gute“ immer gewinnt? Der Schlüssel zum Verständnis dieser Verse und zum Umgang mit diesen Spannungen hängt an der Frage, was ich bereit bin, dazu beizutragen und Jesus nachzufolgen.

Wo steht denn, daß Nachfolge Jesu und das Leben als Christ zu dieser Welt passen müssen? So hart es klingt, aber davon lese ich nichts in der Bibel, das muß mir klar sein. Und dies ist eine Frage, die nicht nur Christen in unseren Tagen beschäftigt, vielleicht auch sie umtreibt, sondern die schon Christen zu Paulus’s Zeiten bewegt hat. Und darum geht diesen radikalen Aussagen eine Aufforderungen oder besser eine Positionsbestimmung ganz besonderer Art voraus. Paulus beginnt dieses 12. Kapitel seines Römerbriefes mit den Worten: „Und stellt euch nicht dieser Welt gleich, sondern ändert euch durch Erneuerung eures Sinnes, damit ihr prüfen könnt, was Gottes Wille ist, nämlich das Gute und Wohlgefällige und Vollkommene.“

Damit ist es nochmals klar zum Ausdruck gebracht wie unsere Stellung als Christen in dieser Welt ist. Wir sollen nicht damit liebäugeln, was in dieser Welt als Maßstab gilt, sondern an dem ausrichten, was Gott von uns möchte. Obwohl wir noch auf und in dieser Welt leben, soll unsere Lebensgestaltung von anderem geprägt sein.

Ob uns das gelingt hängt entscheidend davon ab, ob wir bereit sind, in unserem Leben als Christ nicht nur auf unseren Vorteil aus zu sein sondern auch die Bereitschaft in uns haben, auch einmal Niederlagen einzustecken und den Kürzeren zu ziehen. Wie sehr wir darauf vertrauen, in guter Art und Weise, daß Gott es gut mit unserem Leben meint und uns nicht im Stich läßt. Und wie sehr wir unsere Wertschätzung von äußeren Faktoren abhängig machen oder sie von unserer Beziehung zu Gott und unserer Gotteskindschaft beziehen.

Schluß

Geliebte, so redet Paulus die Christen in Rom an. Geliebte nicht in der Bedeutung, daß Paulus sie liebt, sondern vielmehr, daß sie Geliebte von Gott sind. Und das sind sie nicht erst, seid sie Christen sind, seit diesem Zeitpunkt wissen sie es. Geliebt waren sie und sind auch wir grundsätzlich von Gott. Auch oder vielleicht gerade auch zu dem Zeitpunkt, als wir noch von Gott getrennt waren und nichts von ihm wissen wollten. Denn Gott liebt nicht den Menschen, wenn er etwas liebeswertes an ihm findet, sondern er schafft das Liebenswerte.

Das wissen, daß wir von Gott geliebt sind, ganz und gar und ohne Vorbedingungen, sollte uns den Mut und die Kraft geben, uns nicht dieser Welt gleichzustellen und auch nicht an unserem Versage zu resignieren, sondern uns immer wieder neu an dem auszurichten, was Gott will. Und darum: „Laßt euch nicht vom Bösen überwinden, sondern überwindet das Böse mit dem Guten.“ Amen.

- Es gilt das gesprochene Wort! -

Diese Predigt wurde verfasst von:
Karl-Heinz Rudishauser
Belchenring 20
D-79219 Staufen
07633/500781
eMail: karl-heinz.rudishauser@t-online.de
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