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Predigt über Römer 13, 8-14

am 29.11.2009
1. Advent

Ort:
Tüllingen; Ottilienkirche


Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Gemeinde!

Einleitung

Kennen sie den zweiten Hauptsatz der Thermodynamik? Eine Aussage darin lautet: "Jedes in sich geschlossene System strebt dem Zustand größtmöglicher Unordnung entgegen." Das hat dann mit frei werdender Energie zu tun bzw. Energie die man aufbringen muss, um einen geordneten Zustand wieder herzustellen. Beispiel ein Glas Murmeln: wenn es umkippt verteilen sich die Murmeln aber sie werden wohl nie wieder alleine, d.h. ohne Energieeinsatz, in das Glas zurückkehren. Soviel der kleine Ausflug in die Chemie.

Manchmal bin ich versucht über den Zimmern unserer Kinder ein Schild anzubringen: "Vorsicht, sie betreten jetzt ein Versuchslabor des 2. Hauptsatzes der Thermodynamik!" Bei uns zu Hause ist es mit unseren Kindern immer wieder Thema, wie wir in den Räumen Ordnung halten und wie wir unsere Kinder zu (etwas) mehr Ordnung erziehen können. Das ist mit drei kleinen, lebhaften Töchtern nicht immer ganz einfach. Insbesondere meine Frau erleidet da immer wieder das Schicksal des Sisyphos, jenes Helden aus der griechischen Mythologie, dessen Strafe in der Unterwelt darin bestand, einen Felsblock einen steilen Hang hinauf zu rollen, der ihm aber immer wieder kurz bevor er das Ende des Hanges erreichte, wieder entglitt. Aber auch hier gilt: Die Hoffnung stirbt zuletzt.

Das Thema Ordnung haben sich natürlich auch findige Berater zu nutze gemacht die uns dann in Kursen vom "Volltischler" zum "Leertischler" erziehen und uns mit dem Prinzip des "Kanban im Büro" vertraut machen wollen.

Aber nicht nur in Kinderzimmern, Arbeitsprozessen in Produktion und Büro geht es immer wieder um Ordnung. Auch auf unser Leben und Lebensgestaltung bezogen, taucht die Frage nach Ordnung auf. Habe ich mein Leben geordnet und wenn ja, nach welchen Grundsätzen? Ordnung schaffen, sich damit vorbereiten, davon handelt auch unserer heutiger Predigtabschnitt:

- Text lesen: Römer 13, 8 - 14 -

Eine Sache ist es, unser Umfeld in Ordnung zu halten, also unsere Wohnungen und Zimmer, Büros, Gärten und Autos. Das ist vielfach eine Frage des Typus (Leertischler - Volltischler), aber auch eine Frage, was mir wichtig ist. Die andere Sache ist, wie ich mich selbst in Ordnung halte, mein Leben in Ordnung bringe in Bezug auf mich. Und Ordnung, ordnen in diesem Sinne hat dann nichts mit Prozessen sondern etwas mit Beziehung zu tun.

Paulus spricht in den eben gehörten Versen des Römerbriefes zwei weitere Dimension von "Ordnung" - Beziehung an:

  • die zu meinem Mitmenschen und
  • die zu Gott.
  • 1. Meine Beziehung zu meinem Nächsten

    "Seid niemand irgendetwas schuldig." (V8) - Wie oft bin und bleibe ich Menschen etwas schuldig? Erfülle ich nicht die von mir selbst gesetzten Erwartungen und auch nicht diejenigen, die anderen an mich gesetzt werden.

    Was sind solche Erwartungen? Dass ich ein guter Ehemann und fürsorglicher Vater bin? Dass ich meine Arbeit "stets zur vollsten Zufriedenheit" und ohne Fehler erledige? Dass ich freundlich und zuvorkommend und immer ausgeglichen bin? Dass meine Predigten die Menschen erreichen und ihnen Hilfe sind? Vielleicht fallen ihnen noch andere oder ähnliche Erwartungen ein, denen auch sie sich ausgesetzt sehen. Und möglicherweise geht es ihnen in der Analyse wie mir, dass ich mir eingestehen muss: es gelingt nicht immer! Da bleibe ich mir und anderen etwas schuldig.

    Paulus nennt in diesen Versen eine Ausnahme: "... als nur einander zu lieben ...". Damit stellt er klar, dass wir damit wohl nie zu Ende kommen und erinnert uns, sie und mich in diesen Zusammenhang an das Liebesgebot. Was aber heißt in diesem Zusammenhang "lieben"? Wie, wann liebe ich den anderen? Wo fängt das an und wo hört das auf? An was denken ich, an was denken sie, wenn sie diese Verse hören?

    Wenn mich Paulus an das Liebesgebot erinnert, dann erinnert er mich auch daran, dass es im Leben eines Christenmenschen nicht in erster Linie ums machen und schon gar nicht ums selber machen und verdienen geht!1 Es geht ums sich beschenken lassen und beschenkt werden! Erkennbar wird dies für mich in dem im griechischen Grundtext an dieser Stelle gebrauchten Wort für "lieben".

    Sprache hat etwas faszinierendes und hat durch zwei Ereignisse für mich an Bedeutung gewonnen. Zum einen, seid unsere Töchter geboren sind und sprechen gelernt haben. Wie Sprache entsteht, sich entwickelt und wie wir Sprache gebrauchen und mit Sprache Wirkung erzielen ist grandios. Und wichtig wurde mir das zum anderen, als ich Einblick in den griechischen Grundtext des NT gewonnen und entdeckt habe, wie wortgewaltig uns ausdrucksstark diese Sprache ist. In ihr gibt es ein Wort für Liebe, dass es so im Deutschen gar nicht gibt. Wir kennen Liebe nur im erotischen oder im geschwisterlichen Sinn. Das Griechische kennt aber noch einen Dritten: denjenigen der "göttlichen Liebe", die "agape". Der Liebe also, die von Gott ausgeht, die in seinem Verhältnis zu uns Menschen und seiner Schöpfung ihren Ausdruck findet. Es ist ein Liebesbegriff2 der sehr stark vom Gesichtspunkt des Schenkens und der bedingungslosen Annahme gefüllt ist. In eben diesen Versen gebraucht Paulus diesen Liebesbegriff, weist damit hin auf diese von Gott ausgehende Liebe.

    Klar ist wohl, dass man Liebe nicht befehlen kann, ebenso wenig wie man jemanden Hunger, Durst oder Müdigkeit befehlen kann. Das sind Empfindungen, "Zustände" die sich außerhalb unseres Willens-, unseres Einflussbereiches befinden bzw. die wir nur nach unseren Möglichkeiten stillen können, sie in ihrer Entstehung jedoch nicht hervorrufen können. Wenn "Liebe" nicht befohlen oder angeordnet werden kann, was hat es dann auf sich mit diesem "Liebesgebot"?

    Je mehr ich über dieses Thema nachdenke - und in den letzten Monaten bin ich immer wieder auf dieses Thema gestoßen worden - um so mehr bin ich davon überzeugt, dass es darum geht, wie ich meinem Nächsten begegne, ihn wahrnehme und in einordne. Sehe ich und nehme ich ihn durch meine oder die Brille des gegenwärtigen Zeitgeistes wahr oder bin ich in der Lage, mir "Gottes Brille" aufzusetzen?

    Meine Erfahrung ist, dass dies durchaus möglich ist, dass ich eine andere, nämlich Gottes Brille aufsetzen kann. Dann, wenn ich mich mit Gottes Sichtweise vertraut und mir zu eigen machen. Wenn ich mich damit auseinander setze wie Gott die Welt, die Menschen und mich sieht. Und da steht die bedingungslose Annahme jedes einzelnen ganz oben!

    Wir hören den Satz, die Aufforderung: "Du sollst deinen Nächsten lieben!" Hören sie das auch? Und: Stimmt das so? Nein - wir sollen ihn lieben wie uns selbst! Nur wenn wir an uns das angedeihen und zur Entfaltung kommen lassen was Gott in uns hineingelegt hat, was er uns geschenkt hat, nur dann und nur das können wir dem Anderen geben. Und das wirkt sich dann aus auf das tägliche Miteinander und drückt sich aus in der Wertschätzung, die ich meinem Gegenüber entgegenbringe - in der Familie meiner Frau und meinen Kindern, am Arbeitsplatz den Kollegen und darüber hinaus vielen anderen. Und das hat letztendlich auch Einfluss auf den praktischen Umgang mit den Gütern und Beziehungen des Anderen (Ehe, Besitz, Leben etc.) und steht damit in engem Bezug zu den 10 Geboten.

    2. Meine Beziehung zu Gott

    Eigentlich habe ich in dieser Predigt einen Fehler begangen: ich habe den zweiten Schritt vor dem ersten getan! Ich habe davon gesprochen, wie sich mein Umgang mit meinem Nächsten, mit dem Menschen also, der mir augenblicklich gegenüber steht, gestaltet. Wie verhalte ich mich ihm gegenüber, wie werte ich ihn? Gerade letzteres halte ich für entscheidend! Ob und wie mir das insbesondere als Christenmensch gelingt, hängt aber zuallererst davon ab, wie sich meine Beziehung zu Gott gestaltet. Was sind meine Leitmotive? Was sind meine Maßstäbe und von wem oder was lasse ich mir diese Maßstäbe vorgeben und prägen?

    Prägung, Anspruch muss immer von außen kommen! Nur wenn sie von außen kommt, kann ich (annähernd) gewiss sein, dass ich auch hinterfragt werde. Was, wenn ich mir die Maßstäbe selber setzte? Da gibt es nur wenige Ausnahmen die das hinkriegen und sich selbst hinterfragen und trotzdem bleibt auch da die Frage: Was ist die Richtschnur dafür?

    Für uns Christen beginnt diese Richtschnur im Advent, dann, wenn wir uns auf die Wiederkunft Christi vorbereiten. Dann, wenn wir und bewusst machen, dass Advent nicht nur heißt, dass Jesus in diese Welt gekommen ist , sondern dass er einmal wiederkommen wird. Damit verbunden ist auch, dass mir wieder klar wird, was Gott für uns, für sie und mich ganz persönlich getan hat. Ich weiß mich angenommen, wertgeschätzt und geliebt. Dies prägt mein Leben und trägt wesentlich dazu bei, dass ich auch andere wertschätzen und annehmen kann.

    Im Gottesdienst vor 14 Tagen haben wir darüber nachgedacht, dass es bei Jesu Wiederkunft für diese Welt und uns Menschen ein "Gericht" gibt, also einen Tag, an dem wir Rechenschaft ablegen müssen. Auch Paulus war sich dessen bewusst und mahnt deshalb: "Und dies tut als solche, die die Zeit erkennen." Also Menschen sind und als solche leben, die damit rechnen, dass Jesus wiederkommt.

    Die Verse heute rücken das Thema Wiederkunft in ein anderes Licht: Es geht darum, dass Jesus wiederkommt, wir darauf vorbereitet sind und Christen dann das erfahren und erleben, was ihnen verheißen ist. Dass das erfüllt wird, was Jesus beispielsweise in den Seligpreisungen versprochen hat. Darum geht es, das ist die Perspektive die allen Menschen gegeben ist und darum sollte und muss und hat die Wiederkunft Jesu nichts bedrohliches. So ist der Hinweis auf die Wiederkunft Jesus gleichzeitig Einladung, ihm die Tür, die, unsere, ihre und meine Lebenstür zu öffnen (vgl. Offb 3,20). So wie wir das im Eingangslied gesungen haben (Macht hoch die Tür; EG 1).

    Schluss

    Paulus erinnert uns in und mit diesen Versen seines Römerbriefes daran, dass es nie zu spät ist, sich umzuorientieren, unsere Maßstäbe neu setzen! Das ist auch die Bedeutung von Advent die durch die liturgische Farbe - violett - verdeutlicht wird. In ihr kommt zum Ausdruck, dass wir uns auch im Advent in einer Fastenzeit - in einer Zeit des Wechsels, einer Zeit der Veränderung (so auch die Symbolik der Farbe violett) befinden.

    Zu wissen, der König kommt, bringt Dynamik in einen Haushalt! Da wird nicht nur still dagesessen und ergeben gewartet, nein, da wird aufgeräumt, zu Recht gerückt, sich zurecht gemacht. In der Adventszeit rückt dieses "sich vorbereitende warten", jemanden erwarten, in den besonderen Gesichtspunkt: Wir bereiten uns auf die Wiederkunft des Herrn vor, und Paulus ruft uns in Erinnerung zu schauen, wo wir, sie und ich stehen. Sind wir vorbereitet? Machen wir uns parat und richten uns auf die Begegnung mit Christus ein. Dies geschieht in dem wir das leben, was in unser Leben durch die Taufe hineingelegt wurde. Wir haben Christus angezogen und können und sollen daher christusgemäß leben.

    Christus kommt wieder, wir, sie und ich werde ihm begegnen und auf dieses Zusammentreffen will ich vorbereitet sein. Machen wir uns also bereit, denn siehe dein König kommt zu dir, ein gerechter und ein Helfer.

    Amen.

    - Es gilt das gesprochene Wort! -

    Diese Predigt wurde verfasst von:
    Karl-Heinz Rudishauser
    Obertüllingen 107
    79539 Lörrach-Tüllingen
    07621/9153229
    eMail: karl-heinz.rudishauser(a)t-online.de
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