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Predigt über Römer 14, 7-9

am 6.11.2016
Drittletzter Sonntag im Kirchenjahr

Ort:
Tüllingen


Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Gemeinde!

Einleitung

Ist Ihnen schon einmal aufgefallen was oft an Eingangstüren zu Wirtshäusern steht? Als Jugendlicher habe ich mich immer gefragt, warum da ein Schild mit der Aufschrift „Besitzer“ und dann ein Name zu finden ist. Was hatte das zu bedeuten? Jahre später, im Studium wurde ich in den Vorlesungen über bürgerliches Recht daran erinnert und ich bekam die Antwort auf diese Frage. Es geht um den Zusammenhang zwischen Besitz und Eigentum.

Geregelt ist dies in zwei Paragrafen (§ 854 (Besitzer) und 903 (Eigentümer)) im BGB (Bürgerliches Gesetzbuch). Es geht um den Unterschied zwischen Besitzer und Eigentümer. Der Besitzer hat die tatsächliche Gewalt über eine Sache, eben der Wirt über die Gaststätte oder der Besitzer einer Musik-CD auf die darauf gespeicherten Musiktitel. Aber dem Eigentümer gehört die Sache weiterhin, er hat das Recht, die rechtliche Herrschaft, daran.

Dieser Zusammenhang von Eigentum und Besitz kam mir wieder in den Sinn, als ich den heutigen Predigttext gelesen und mich damit beschäftigt habe. Wem gehöre ich? Wer ist Eigentümer meines Lebens? Und wie weit reicht dieses Eigentumsrecht?

Ich lese:

Text lesen: Rö 14, 7 - 9

Der Römerbrief wurde von Martin Luther als „das rechte Hauptstück des Neuen Testaments und das allerlauterste Evangelium“ bezeichnet. Im groben lässt sich dieser Brief folgendermaßen einteilen: Kapitel 1 – 8 Gottes Gerechtigkeit in Jesus Christus, Kapitel 9 – 11 die Frage nach dem Heil Israels. Ab Kapitel 12 beginnen ethische Fragestellungen. So geht es in Kapitel 13 um das Verhalten gegenüber der Staatsgewalt und in Kapitel 14 um das Zusammenleben in der Gemeinde. Wie gehen wir als Christen miteinander um? Wovon lassen wir uns leiten und welche Maßstäbe legen wir dabei an?

Ausgangspunkt für seine Verse war, dass man sich in der Gemeinde in Rom wohl darüber stritt ob es erlaubt war, Götzenopferfleisch zu essen (ich erinnere an meine Predigt vom 25.9.2016). Für manche war dies überhaupt kein Problem, anderen wiederum war es ein absolutes no-go. Wir diskutieren und streiten heute über andere Dinge. Das entscheidende dabei ist, ob es um Nebensächlichkeiten geht, bei denen der eine die und der andere eine andere Meinung haben kann oder aber geht es um die Hauptsache.

Paulus geht es darum, immer wieder die Hauptsache in den Blick zu nehmen. So ergeben sich für mich drei Aussagen, die ich im Folgenden näher betrachten möchte:

  • 1. SEIN sein – wem gehören wir?
  • 2. SEIN sein – im Leben
  • 3. SEIN sein – im Sterben
  • 1. SEIN sein – wem gehören wir?

    Insbesondere Künstler - Maler, Autoren, Musiker u.a. - achten mit Akribie darauf, dass jederzeit klar und bekannt ist, welches Werk sie geschaffen haben und belegen dies mit dem sogenannten Copyright. Sie machen damit ihre rechtliche Herrschaft geltend und behalten sich so vor zu regeln, was mit ihren Werken geschieht. Die kann ich zwar erwerben, aber das ideelle Eigentum, das Eigentumsrecht und damit die rechtliche Entscheidungsgewalt bleibt dem Erschaffer vorbehalten. Ich kann sie nicht einfach kopieren, abändern oder in der Öffentlichkeit aufführen.

    Und das ist mir die Brücke zu dem was Paulus an die Römer schreibt: Wir sind des Herrn. Als Christen gehören wir nicht nur zu Christus, wir gehören Christus. Mit unserer Taufe haben wir unser Eigentumsrecht an Gott abgetreten. ER hat das Eigentumsrecht an uns erworben. Warum? Zum ersten, weil wir seine Geschöpfe sind, er hat uns geschaffen! Gott hat sein ja zu jedem von uns gesagt: „So spricht der Herr, der dich geschaffen hat: Ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein.“ (Jes 43,1). Zum anderen weil er uns, nachdem sich der Mensch aus der Gemeinschaft mit Gott gelöst hat und dann in seiner Sünde, seiner „Gott-los-igkeit“ gefangen war, ihn wieder befreit, erlöst hat. Gott selbst hat die Gemeinschaft zu uns Menschen, zu ihnen und mir, wieder hergestellt. Und das ist nicht nur so nebenbei geschehen. Nein, das hat in alles, das hat IHN das wertvollste gekostet: seinen Sohn Jesus Christus.

    Wenn wir diese Frage, die Hauptsache, wem wir gehören, geklärt haben, dann hat das Auswirkungen auf mein Leben und meinen Umgang mit meinen Mitmenschen, innerhalb und außerhalb der Gemeinde. An dieser Stelle seines Briefes richtet Paulus seinen Fokus speziell auf das Zusammenleben der Menschen in der Gemeinde.

    Wenn ich Christus gehöre, dann nehme ich die Menschen in der Gemeinde um mich herum als meine Schwestern und Brüder war. Und dann stellt sich, fast automatisch nicht mehr nur die Frage, was mir dient und nützt, sondern auch was dem anderen nützt. Was ihr oder ihm hilft, in seinem Glauben zu wachsen und gefestigt zu werden. Dabei kann es dann gut sein, dass ich aus freien Stücken meine Interessen hintenan stelle. Denn dann geht es nicht mehr ums Recht-haben oder Besser-wissen sondern um Christus.

    2. SEIN sein – wem Leben wir?

    Das Credo unserer Tage lautet: Verwirkliche dich selbst! Und in vielen Bereichen unseres Lebens geht es doch darum, dass wir uns und unsere Interessen zur Geltung bringen und diese auch durchsetzen. Ob dies so sein muss hängt meines Erachtens vom jeweiligen Kontext, Zusammenhang ab. Betrifft es den beruflichen Alltag und geht es klar um Sachentscheidungen, kann und darf das durchaus sein. Da dürfen wir klar und bestimmt unsere Vorstellungen vertreten und versuchen durchzusetzen. Bei reinen Sachentscheidungen wäre es unter Umständen sogar verkehrt, aus „Nächstenliebe“ auf eine sachliche Auseinandersetzung und und Diskussion mit Ziel einer Problemlösung, zu verzichten.

    Etwas anderes ist es, wenn es um Zusammenhänge und Fragestellungen geht, die das Zusammenleben in einer christlichen Gemeinde und das Leben als Christ betreffen. Hier geht es nicht darum, dass ich mich selbst verwirkliche, meine Meinung sich durchsetzt, sondern dass Christus verherrlicht wird. Es gilt immer wieder zu unterscheiden, ob es um die vorletzten oder um letzten Dinge, es um Nebensächlichkeiten oder die Hauptsache unseres Lebens als Christen geht (Predigt am 25.9.).

    Für mich ist das eine zentrale Wort: leben! Was bedeutet das? Wem leben wir, an wem richten wir unser Leben aus, auch die ganz alltäglichen Dinge?!! Zwei Fragen stellen sich mir und gilt es zu beantworten: Erstens: Wem wollen wir mit dem was wir denken, reden und tun zur Geltung bringen? Zweitens: Von wem oder was lassen wir uns in unserem denken, reden und tun bestimmen und leiten?

    Wenn Paulus sagt, wir leben dem Herrn, dann meint er damit, dass unser Leben ganz durchdrungen sein sollte von dem, was Christus uns gesagt und für uns getan hat. Damit machen wir im täglichen Leben deutlich, dass wir Gottes Eigentum sind. Das sollte unser Leitmotiv sein, an dem sollten wir uns immer wieder auf- und ausrichten. Jeden Tag aufs neue.

    3. SEIN sein – wem Sterben wir?

    Bei Ausgrabungen im antiken Olympia wurde die Werkstatt des berühmten Bildhauers Phidias gefunden. Und da lag unter vielen anderen Scherben auch der Boden eines Bechers. Auf dessen Unterseite waren zwei Worte eingeritzt. Übersetzt lauten sie: „Ich gehöre dem Phidas“.Die Scherben tragen noch den Namen des Besitzers.1

    Berührt hat mich, dass Paulus in seinen Versen vom Sterben und nicht vom Tod spricht. Im Sterben, dann wenn wir aus dem Leben in dieser Welt hinübergehen in das Leben in der Ewigkeit, betreten wir kein Niemandsland. Es ist kein gott-loser Zustand, sondern auch dann gehören wir Christus! Seine Herrschaft endet nicht sondern gilt in Ewigkeit und gerade dann, wenn unser Ende naht.

    Welch gewaltiger Trost steckt in dieser Aussage! Nicht umsonst sind sie Bestandteil unserer Traueragenda und werden bei Bestattungen gelesen. Gewiss, das eine ist diese Verse jetzt zu hören und darin Trost zu finden. Das andere ist es, sich auch dann noch an diese Verse zu klammern und darin Trost und Zuversicht zu gewinnen, wenn es ans Sterben geht.

    Aber die Aussage aus dem Bild mit dem Tonbecher aus der Werkstatt des Phidas ist: Auch im Zerbruch, auch dann, wenn unser Leben in Scherben vor uns liegen mag, nichts mehr von dem Bestand hat, was einst als Zierrat unser Leben schön und bereichert hat, auch dann gilt: Wir sind, wir gehören Christus. Er trägt uns hindurch.

    Diese Formulierung wir leben dem Herrn und wir sterben dem Herrn, hat etwas besonderes für mich. Sie drücken ein aktive Einstellung ein aktives Verhalten aus. Wir sind nicht nur passiv in Jesu geborgen und gehalten, sondern wir geben uns nicht nur im Leben sondern auch im Sterben aktiv in seine Hand! Damit ist unser Sterben nicht sinn-los!

    Wir sind ganz Sein! Und ein anderes: Paulus macht klar, Jesus zieht sich nicht zurück wenn es brenzlig und schwierig wird! Jesus ist in die tiefsten Niederungen des Menschseins hinabgestiegen – er hält auch unsere, meine und ihre Niederungen aus und bleibt bei uns und er läuft nicht davon.

    Schluss

    Leben wir, so leben wir dem Herrn, sterben wir, so sterben wir dem Herrn! Wir leben oder wir sterben, so sind wir des Herrn. Gerade in den letzten Tagen unseres Kirchenjahres, in denen es vornehmlich um das Ende, ums Sterben geht. Da entfalten diese Verse ihre besondere Bedeutung. Das gilt und daran dürfen wir uns festhalten und es uns zur Gewissheit werden lassen: im Leben und auch dann, wenn es ans Sterben geht.

    Amen.

    - Es gilt das gesprochene Wort! -

    Diese Predigt wurde verfasst von:
    Karl-Heinz Rudishauser
    Obertüllingen 107
    79539 Lörrach-Tüllingen
    07621/9153229
    eMail: karl-heinz.rudishauser(a)t-online.de

    1 Baumann, Jochen; in: Zuversicht und Stärke; 2. Reihe - Heft 6; 2010; S. 72

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