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Predigt über Römer 9, 1 - 8.14-18

am 7./8.8.2010
10. Sonntag nach Trinitatis

Ort:
Staufen und Münstertal


Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Gemeinde!

Einleitung

"Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser" dieses Zitat von Lenin kennen wir vermutlich alle und womöglich haben sie es auch schon einmal in ihrem Leben angewandt oder ist es zum Tragen gekommen. In diesem Zitat kommt zum Ausdruck, dass Vertrauen ein wichtiger Bestandteil unseres Lebens ist, Leben nur dadurch gelingen kann, wenn wir in vertrauensvollen Beziehungen stehen. Aber ein Rest an Zweifeln bleibt, darum Kontrolle.

Vielfach spielt Vertrauen auch dann eine Rolle, wenn wir nicht mehr kontrollieren können, wir darauf angewiesen sind, dass die Dinge richtig laufen, dass Mitarbeiter ihre Arbeit richtig und zuverlässig machen. Das nenne ich das "nachlaufende Vertrauen", Vertrauen das als Notnagel gilt. Wir können Vertrauen aber auch aktiv einsetzen, es zum Fundament einer Beziehung machen. In der Arbeitswelt würde dies beispielsweise bedeuten, dass Mitarbeitern von vorneherein Freiräume eingeräumt bekommen, die sie selbst gestalten und ausfüllen können.

Aber auch an ganz anderer Stelle kommt es ganz auf Vertrauen an und habe ich mich gefragt: Wie sieht es mit meinem Vertrauen aus? So als ich folgende Verse gelesen habe:

- Text lesen: Rö 9, 1-8.14-16

Zunächst eine Vorbemerkung: Es ist nicht leicht sich als Christ und Deutscher diesen Versen in Kapitel 9 bis 11 des Römerbriefes zuzuwenden. In der wechsel- und meist unheilsvollen Geschichte der Beziehung zum jüdischen Volk scheint es sicherlich angebracht, hier behutsam vorzugehen. Zumal solche Verse immer in der Gefahr stehen, wertend ausgelegt zu werden. Es wäre leicht aber sicherlich ebenso falsch das Volk Israel als das von Gott verlassene Volk zu bezeichnen. Gott stellt sich nach wie vor zu diesem Volk und wird seinen Weg mit Israel weiter gehen.

In seinem Weg und Verhältnis zum Volk Israel werden Wesenszüge Gottes offenbar, die auch für uns gelten, die auch in unserer Beziehung zu Gott zum tragen kommen und diese prägen. Diese Wesenszüge Gottes fordern uns heraus und stellen die Frage: Vertrauen oder Misstrauen gegenüber Gott?

  • Der biblische Gott ist ein erwählender Gott.
  • Der biblische Gott ist ein gnädiger Gott.
  • 1. Der biblische Gott ist ein erwählender Gott

    Das ist nicht nur eine Aussage die auf uns Christen zutrifft, die Martin Luther in seinen Schriften herausgearbeitet hat, sondern dies gilt seit Anbeginn. Wir haben einen Gott der handelt, erwählt und der dabei immer wieder Akzente setzt. Er erschafft diese Welt, macht sie belebt und setzt den Menschen hinein in diese Schöpfung. Er macht den Menschen zu seinem Gegenüber, zu seinem Abbild. Überall kommt dieses erwählende, was zugleich auch immer ein zuwendendes Handeln ist, zum Ausdruck.

    Wenn Gott erwählt dann tritt er immer auch in Beziehung, spricht uns an, tritt hinein in unser Leben. Beziehung ist nie Einbahnstraße, Beziehung ist immer Wechselverkehr, da geht es hin und her. Wenn und wen Gott erwählt, damit in Beziehung tritt, dann ist ihm diese nicht gleichgültig. Erinnern sie sich noch an jene Szene im Garten Eden als Adam und Eva die Augen aufgingen und erkannten, was sie getan hatten? Sie versteckten sich vor Gott aber Gott ging ihnen nach. Es war ihm nicht gleichgültig, wie es mit ihnen weitergehen sollte, auch wenn es ein Weg mit Konsequenzen war.

    Gott handelt seid Anbeginn dieser Welt und erwählt sich "sein Volk". Wo beginnt die Geschichte des Volkes Israel? Bei Abraham - richtig - war Abraham Jude? Nein - aber Gott erwählt ihn und geht seinen Weg mit diesem Mann - weil sich dieser Mann auf diesen Ruf einlässt, weil er weggeht aus seiner Heimat, von seinem Unfeld, seinen Göttern an einen Ort, den er noch gar nicht kennt! Abraham lässt sich auf diesen Gott, auf diese Beziehung ein, die alles andere als konfliktfrei war.

    1Mos 16,15 - 17,1: Abraham hat von Gott eine Verheißung bekommen - aber die Erfüllung lässt auf sich warten. Daher ergreift er respektive seine Frau die Initiative. Ein Nachkomme muss her. Das funktioniert auch, von der Magd Hagar (eine Ägypterin) Ismael wird geboren. Aber das entsprach nicht der Verheißung die Abraham bekommen hatte und so kam es zu 13 Jahre "Funkstille"!

    Und Gottes erwählendes handeln geht weiter. Isaaks unsd seine Nachkommen werden erwählt, nicht jene von Ismael (von denen sich "die Araber" ableiten - welch Konfliktpotential darin steckt erleben wir bis unsere Tage im Nahen Osten) und an Rebekka ergeht Verheißung, dass der Ältere dem Jüngeren dienen wird. Gott handelt und ist seinem Handeln niemandem Rechenschaft schuldig.

    Es ist so, dass Gottes Handeln von Anfang an immer wieder bei uns Unmut hervorruft, Widerstände wach werden. Ich erinnere an Matthäus 20, an jenes Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg und deren Reaktion auf die "Lohnzahlung" des Weingutsbesitzers" (Mt 20,1ff) - haben sie die Szene vor Augen? Da regt sich doch Widerstand, das kann doch nicht sein, dass alle den gleichen Lohn bekommen, egal wie lange sie gearbeitet haben. Da braucht man kein Gewerkschaftsmitglied zu sein, um das als ungerecht zu empfinden.

    Dass Gott souverän handelt beklemmt uns, macht uns sogar Angst - das haben wir gar nicht gerne, wenn wir anderen ausgeliefert sind. Viel lieber haben wir das Heft des Handelns selbst in der Hand, würden den Takt viel lieber selber vorgeben. Die Ursache diese Empfindungen finde ich auf den ersten Seiten der Bibel. Die Schlange säte einerseits dieses Verlangen, so sein zu wollen wie Gott und andererseits dieses Misstrauen gegenüber Gott, dass Gott es nicht gut mit uns meint. Dies beides steckt bis heute in uns.

    2. Der biblische Gott ist ein gnädiger Gott

    - das ist einer unserer zentralen Glaubenssätze als evangelische Christen. Glauben wir das wirklich und leben wir das auch? Wollen wir einen gnädigen Gott? Hand aufs Herz: Wie ist es ihnen den zu Mute wenn sie diese Verse aus dem Römerbrief hören? Wenn ihnen gesagt wird dass es nicht "an jemandes wollen oder laufen liegt sondern allein an Gottes Gnade"?

    Das stößt uns auf, auch da beschleicht uns mehr oder weniger ein gewisses Unbehagen. So ganz abhängig zu sein von jemandes wohlwollen? Aber: Es geht nicht um das wohlwollen sondern um Gnade! Was ist Gnade im biblischen Sinn? Jemand - Gott - erbringt eine Leistung, die eigentlich wir, sie und ich erbringen müssten, dazu aber nicht in der Lage sind, daran scheitern.

    In all seinem Tun quer durch die Welt- und Menschheitsgeschichte und auch mit seinem Volk Israel macht Gott immer wieder dieses eine deutlich: Ich erwähle wenn ich will aus freien Stücken und meine Gnade wird jedem ohne Vorleistung zuteil. Dies Gnade können wir uns nicht verdienen.

    Ich habe mich gefragt, was uns an dieser Vorstellung Mühe macht, das Gott völlig souverän handelt, warum wir das, ich sage einmal "als ungerecht", als willkürlich empfinden? An der Tüllinger Höhe haben wir bei den Psychologen und Pädagogen einige Psychoanalytiker. Mit denen habe ich mich darüber unterhalten und sie haben mir gesagt, dass dies an unseren Projektionen liegt. Daran, dass wir von uns wissen, dass wir uns ungerecht verhalten würden und deswegen es auch Gott nicht zutrauen, wir also unsere eigenes Handeln auf Gott projizieren. Es ist jenseits unserer Vorstellung dass Gott uns gnädig ist, er unser Heil und Erlösung will schafft, obwohl wir uns immer wieder von ihm abwenden und letztlich diese Gnade gar nicht "verdient" haben. Den Ursprung für unser Misstrauen liegt wie schon gesagt in den Ereignissen im Garten Eden.

    Über allem, über dieser Welt und den Menschen in ihrer Beziehung zu Gott, steht aber für mich dass Gott das Heil der Menschen, von ihnen und mir will und dass jeder Mensch gerettet wird. Gott will uns zu Recht, zu ihm bringen, will die zerbrochene Gemeinschaft wieder herstellen. Dafür hat ER Alles getan, es ist alles bereit. Und neben dem, dass Gott immer wieder einzelne, auch uns, herausruft, Menschen seinem Ruf folgen gilt für alle anderen seine Gnade, sein Erbarmen und "dass er die Sonne aufgehen lässt über Böse und Gute und es regnen lässt über Gerechte und Ungerechte" (Mt 5,45). Wenn Gottes erwählende Gnade an einem Menschen sichtbar so soll dies nicht bedeuten und heißen, dass die anderen verdammt sind. Aber davon lese ich nichts! Das ist auch so eine Vorstellung die sich irgendwie bei uns festgesetzt hat. Vielmehr dient das erwählende Handeln gleichsam als Einladung für die anderen. Denn alle Menschen sollen zur Erkenntnis dieser Wahrheit kommen.

    Es kommt darauf an, wie wir diese Verse lesen, worauf wir den Focus lesen. Im Zusammenhang erschließt sich für mich, dass Paulus denen wehren will die meinen, einerseits mit ihrer Leistung imponieren und ihm etwas abverlangen können und andererseits sich in Selbstgefälligkeit und Sicherheit wiegen. Nicht unsere Frömmigkeit, nicht unser "Gutmenschentum" ist die Basis für unsere Ewigkeit sondern Gottes Gnade und Erlösungswerk.

    Schluss

    Unser Platz in dem allem? Wir sagen und bezeugen Gottes Botschaft soweit sie sich in unser aller Leben verwirklicht hat. In all dem sind nicht wir es die erwählen und schon gar nicht diejenigen die entscheiden wer dazu gehört und wer nicht.

    Diese Verse aus dem Römerbrief machen mir deutlich, wer ich bin: ein Mensch von Gott geschaffen, gewollt und geliebt so wie ich bin. Das schließt nicht aus, dass es auch zu Veränderungsprozessen durch die Beziehung mit Gott kommt, vielmehr ist es so, dass ich durch das Wirken des Heiligen Geistes Gott verändert werde. Mit diesen Versen nimmt Paulus eine Platzanweisung vor und fordert uns damit heraus, dieser zu folgen und uns ganz diesem Gott anzuvertrauen.

    Amen.

    - Es gilt das gesprochene Wort! -

    Diese Predigt wurde verfasst von:
    Karl-Heinz Rudishauser
    Obertüllingen 107
    79539 Lörrach-Tüllingen
    07621/9153229
    eMail: karl-heinz.rudishauser(a)t-online.de
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