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Predigt über Titus 2, 11-14

am 24.12.2009
Heilige Nacht

Ort:
Tüllingen; Ottilienkirche


Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Gemeinde!

Einleitung

11. Juni 1988, London, Zig-Tausende waren zusammen gekommen und füllten das altehrwürdige Wembley Stadion. Nein, nicht was sie jetzt vermutlich denken, um einem Fußballspiel zuzuschauen. Sie waren zu einem Konzert anlässlich des 70. Geburtstages von Nelson Mandela gekommen, in dessen Verlauf viele unterschiedliche Musiker, vor allem solchen aus der Rock- und Popszene auftraten. Die Stimmung war aufgeheizt, die Zuschauer bester Stimmung, die Hits noch in den Ohren und den Rhythmus in den Beinen. Haben sie die Szene vor Augen?

Als Schlussakt ist die schwarze Opernsängerin Jessye Norman vorgesehen. Sie betritt die Bühne in einem afrikanischen Kleid, ohne Instrument, ohne Band. Im Stadion jubeln die Menschen noch ihren Stars nach, haben noch gar nicht bemerkt, dass da wieder jemand auf der Bühne steht. Dann fängt Jessye Norman langsam an zu singen:

"Amazing grace, how sweet the sound, That saved a wretch like me! I once was lost, but now I'm found; was blind, but now I see." - "Unglaubliche Gnade, welch süßer Klang, die einen Schuft wie mich errettete. Ich war einst verloren, aber nun bin ich gefunden, war blind, aber nun sehe ich." Siebzigtausend Fans verstummen allmählich, und schließlich fangen etliche an mitzusingen.

Jessye Norman sagte später dass sie keine Ahnung gehabt habe, welche Macht an diesem Abend über dem Stadion lag. Aber wenn die Gnade herabkommt, verstummt die Welt und wird still vor ihr."1

Still wurden auch die Hirten auf dem Feld als sie in jener Nacht die Engel hörten: "Euch ist heute der Heiland geboren." Gestandene, raubeinige Kerle waren diese Hirten, deren Aufgabe es war, die Schafe vor Dieben und wilden Tieren zu schützen, wenn es darauf ankam auch mit dem Einsatz ihres eigenen Lebens. Unerschrocken waren sie, einiges gewohnt. Aber nun verstummten sie. Und still wurden auch die drei Weisen als sie das Kind fanden, vor ihm niederfielen und anbeteten. Was für eine Botschaft!

- Text lesen: Titus 2, 11 - 14

"Die Gnade Gottes ist erschienen, heilbringend allen Menschen!" So schreibt es Paulus Jahre später nach den Ereignissen in jener heiligen Nacht, quasi als Auslegung zu der Engelbotschaft auf dem Felde, wie wir sie vorhin in der Schriftlesung gehört haben: "Denn siehe ich verkündige euch große Freude, die für das ganze Volk sein wird. Denn euch ist heute der Retter - der Heiland - geboren, der ist Christus der Herr, in der Stadt Davids." Auch wenn uns der weihnachtliche Trubel unserer Tage etwas anderes lehren will, so bin ich doch davon überzeugt, dass diese Botschaft auch heute nicht spurlos an Menschen vorübergeht. Auch an uns nicht, die wir uns heute Abend in diesem Gottesdienst zusammengefunden haben

Auch wenn sie im Trubel und der Hektik unserer Tage untergeht steht die Frage im Raum: Was hat es auf sich mit diesem Kind in der Krippe, mit dieser Gnade Gottes? Wenn wir an der Krippe dieses Kindes stehen wirkt sich das aus auf mein Leben:

  • Leben wird offenbar.
  • Leben bekommt einen anderen Inhalt.
  • Leben bekommt eine Perspektive.
  • 1. Ich steh an deiner Krippe - Leben wird offenbar

    Ich erinnere mich an einen Gemeindeabend in meiner alten Gemeinde vor Jahren, ich glaube es war während einer ökumenischen Bibelwoche, da sprach mich ein älterer Herr an und sagte: "Das war jetzt interessant was sie da gesagt haben. Das stimmt, so ist die Welt." Zunächst wusste ich nicht, worauf er anspielte. In einer Aussage hatte ich das Wort "gnadenlos" gebraucht. Aber nicht so, dass der tiefere Sinn der Aussage gleich erkennbar war, auch für mich nicht, es war eher so eine Redensart von mir, wie ich sie auch heute noch gebrauche. Aber im Gegensatz zu damals fällt es mir heute auf, wenn es mir wieder herausrutscht, dass etwas "gnadenlos" ist.

    Unsere Welt ist gnaden-los, ihr fehlt die Gnade. Schon die kleinen Kinder werden auf das Leben vorbereitet und lernen früh, müssen früh lernen, was das Leben ihnen einst abverlangen wird. Und meist schonungslos werden die Fehler offenbar und aufgezeigt: Deinen Platz im Leben musst du dir erarbeiten, verdienen, es wird dir nichts geschenkt. Aber auch denen die vermeintlich ganz oben stehen, wird nichts geschenkt, der kleinste Fehler wird aufgezeigt und kann den "gnadenlosen" Absturz bedeuten.

    Unser Leben ist rissig und brüchig, das wird in jenem Kind in der Krippe, in jenem brüchigen Schuppen auf dem Feld deutlich. Dort strahlte das Licht durch die Ritzen nach draußen und strahlt heute in unser Leben hinein. Das Licht jener Christusnacht macht die Risse unsere Lebens offenbar und will uns gleichzeitig bewahren, den Weg weisen wie Leben gelingen kann. Die Gnade Gottes gilt jedem und keiner muss sich diese verdienen.

    Der Liedermacher Jan Vering hat ein Lied getextet "Gnade". In diesem Lied wird deutlich, dass Gnade jeden angeht, jeder sie braucht und letztlich jeder auch erhalten kann, ganz gleich wo er steht, wie er heißt, wer er ist.

    Diese Gnade schenkt uns Gott in dem Kind in der Krippe, ihnen und mir, unverdient, einfach so - nein, nicht einfach so. Gott schenkt uns diese Gnade weil er uns liebt und weil er will, dass unser Leben gelingt.

    2. Ich steh an deiner Krippe - Leben bekommt einen neuen Inhalt

    Wenn ich mich der Gnade Gottes stelle, wenn ich diesem Kind in der Krippe begegne, dann wird sich mein Leben verändern. Eine der für mich spannendsten Aussagen in der Weihnachtsgeschichte, wenn man diese überhaupt so differenzieren kann, ist der vorletzte Vers aus der Schriftlesung: "Maria aber bewahrte alle diese Worte und erwog sie in ihrem Herzen." Diese Frau, die Mutter hatte wohl verstanden was sich da mit der Geburt dieses Kindes ereignet hatte, so wie das eben nur Mütter können. Und ihr Leben hatte sich grundlegend geändert, einen neuen Inhalt bekommen.

    Aber auch die Hirten und die Weisen gingen als andere zurück. Sie waren dem König dieser Welt begegnet. Sie gingen zurück, daher woher sie gekommen waren, zu ihren Fernrohren und astronomischen Berechnungen, zurück zu ihren Schafen und Weideplätzen. Aber das Kind in der Krippe ging mit ihnen, hatte auch ihr Leben verändert. Sie konnten nicht mehr hinter diese Begegnung zurück und trugen die Botschaft von dieser Nacht hinaus in die Welt.

    Was jene Menschen damals noch nicht wussten wissen wir: Dieses Kind verlor sein Leben am Kreuz. Dieses Kind ist auf diese Welt gekommen, damit es unsere Schuld, unsere Sünde, unsere Trennung von Gott auf sich nahm, diese ans Kreuz trug. Dort war dann alles vollbracht, was in jenem Stall begonnen hatte. Dieser Bogen wird in diesen Versen des Titusbriefes gespannt, von V. 11 "ist erschienen" bis V. 14 " hat sich selbst gegeben". Jesus hat keinen Selbstzweck gelebt, er ist nicht das süße Kind in der Krippe geblieben sondern wurde jener gemarterte Mann am Kreuz von Golgatha.

    3. Ich steh an deiner Krippe - mein Leben bekommt Perspektive

    Sehnen wir uns nicht alle nach einem Anker, einem Fixpunkt, einem Ziel, an dem wir unser Leben fest machen, an dem wir uns orientieren können. Wenn ich mich der Gnade Gottes stelle, wenn ich sie annehmen, dann hat das Auswirkungen in ganz alltäglichen Situationen, da fällt mir meine Steuererklärung ein, der Umgang mit meinen Mitmenschen, mein Verhältnis zu meiner Umwelt.

    Weihnachten, das ist nicht nur der Blick zurück, hin auf jenes Geschehen auf dem Feld. Weihnachten öffnet uns auch den Blick auf den Wiederkommenden Christus. Darauf leben wir zu, das ist unsere Perspektive, Jesus zu begegnen.

    Dann werden sich die Knie aller Beugen, wie sie jene Hirten gebeugt haben, dann wird allen ein Licht aufgehen, wie jenen Menschen auf dem Feld bei Bethlehem der Stern in klarer Nacht geleuchtet hat. Dann wird nichts mehr im Verborgenen bleiben, weil alles offenbar sein wird.

    Gott kommt in eine gnadenlose Welt nicht mit seinen himmlischen Heerscharen, er kommt als Kind, unschuldig und verwundbar. In diesem Kind bekommt unser Leben eine Neuausrichtung, hin auf jenen Mann von Golgatha, der uns versöhnt hat mit Gott.

    Schluss

    Wir sind heute Abend nicht nur in einem Gottesdienst, wir feiern nicht nur Weihnachten sondern wir sind hier zusammen auch als Menschen, die an der Krippe stehen. Wir reihen uns ein zu jenen Hirten und jenen Weisen die in die Hütte auf dem Feld nahe Bethlehem gekommen waren. Wenn wir dieses Kind betrachten, dann ist auch für uns die Zeit der Gnade, dann ist die Stunde des Heils auch für uns gekommen (2Kor 6,2). Dann ist wahrhaft Weihnachten geworden.

    Amen.

    - Es gilt das gesprochene Wort! -

    Diese Predigt wurde verfasst von:
    Karl-Heinz Rudishauser
    Obertüllingen 107
    79539 Lörrach-Tüllingen
    07621/9153229
    eMail: karl-heinz.rudishauser(a)t-online.de
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